Karrieren: Josef Pröll, der schwarze Prinz

Karrieren: Der schwarze Prinz

Er wird immer öfter für höhere Ämter gehandelt

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Zuletzt kam es knüppeldick: zuerst diese Geflügelgrippe, dann die Schweizer mit ihrem grenznahen Atommüll, die Opposition mit der Feinstaub-Debatte und schließlich die EU mit dem niedrigeren Zuckerpreis. Müde sah Josef Pröll, 37, Minister für Landwirtschaft und Umweltschutz, am vergangenen Donnerstag aus, als er nach nächtlicher Verhandlungsrunde in Brüssel als herzeigbares Ergebnis verkaufen musste, was für die österreichischen Rübenbauern keine wirklich gute Nachricht ist: Um 36 Prozent senkt die Union den Garantiepreis für Zucker. Trotz der geplanten Ausgleichszulagen wird ein österreichischer Rübenbauer künftig im Schnitt um 3800 Euro jährlich weniger verdienen. Einigen bäuerlichen Betrieben in Ostösterreich wird dies das Lebenslicht ausblasen.

Es gab schon bessere Zeiten für Agrarminister. Josef Pröll sitzt auf dem heißen Stuhl und scheint sich dennoch pudelwohl zu fühlen.

Einen Raketenstart hat er schon hinter sich: Vor sieben Jahren diente er noch als kleiner Referent in der niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer – viele seiner heutigen Regierungskollegen waren damals schon Minister. Auch als Kabinettschef von Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer kannten nur wenige den strebsamen Niederösterreicher.

Heute, nur vier Jahre später, wird er an diversen Tratsch-und-Gerüchte-Börsen für allerhöchste Ämter gehandelt. Als möglicher Nachfolger Christian Konrads als Generalanwalt von Raiffeisen wurde er schon genannt und als gar nicht so unplausibler politischer Erbe Wolfgang Schüssels. Wie dünn die Luft in solchen Regionen ist, bekam Pröll rasch zu spüren: Er sei wohl überhaupt nicht mehr im Lande, raunzten „politische Kreise“ am Rande von Nationalratssitzungen und Ministerräten gegenüber Berichterstattern. Interessiert sich dieser Mann eigentlich noch für Innenpolitik?, fragten sie scheinbesorgt.

So geht es einem, der so rasch nach oben gekommen ist. Innerhalb von 33 Monaten mauserte sich Pröll in den Umfragen zum beliebtesten Minister in Wolfgang Schüssels schwarzer Regierungsriege (siehe Grafik). Längst ist er nicht mehr bloß der Neffe des niederösterreichischen Landeshauptmanns, sondern der wichtigste Vertreter der „next generation“ in der ÖVP: Alle anderen potenziellen Thronfolger Wolfgang Schüssels sind über zehn Jahre älter als Pröll.

„Ich halte ihn für den Nachwuchspolitiker der ÖVP schlechthin“, meint Generalanwalt Christian Konrad, der Pröll „lieber bei Raiffeisen als in der Politik“ hätte: „Aber ich kann es mir nicht aussuchen. Jetzt ist er halt einmal in der Politik.“

Immer öfter wird Pröll nun auch mit Fragen geplagt, die nicht mit Wald und Weide, Luft und Lärm zu tun haben. Solchen nach möglichen Koalitionen etwa, die ihn bisweilen am falschen Fuß erwischen. „Die SPÖ ist derzeit fürs Mitregieren nicht geeignet“, sprach Pröll just am Tag der Spaltung des Koalitionspartners FPÖ den Sozialdemokraten in einem „Standard“-Interview die Regierungsfähigkeit ab. Seinen angeblichen Hang für Schwarz-Grün gesteht er manchmal neckisch ein, um ihn dann doch wieder zu einem „Missverständnis“ zu erklären: „Ein Umweltminister muss nicht unbedingt für eine Koalition mit den Grünen sein.“

Ambivalenzen. Freilich sind auch die Gefühle der Grünen gegenüber Pröll ambivalent. Viele haben dem damaligen Wiener Bauernbundchef dessen Kampagne im Nationalratswahlkampf 2002 nicht verziehen. Damals hatte er seine Basis vor der „Zwangsvegetarisierung Österreichs“ gewarnt, sollte es zu Rot-Grün kommen. Die grüne Klubobfrau Eva Glawischnig: „Nach der Wahl hat er sich dafür bei uns entschuldigt. Ab diesem Moment habe ich gewusst: Man darf ihn nicht unterschätzen.“ Andererseits schätzt sie Prölls Kontaktfähigkeit: „Er ist viel jünger als andere Minister, etwa gleich alt wie ich. Da gibt es einfach ein anderes Miteinander-Umgehen.“

„Eigentlich recht umgänglich und offen“ sei Josef Pröll, meint auch die Wiener SPÖ-Umweltstadträtin Ulli Sima: „Aber er kann sehr hart sein. Kritik nimmt er schnell persönlich. Dann wird er plötzlich sehr kurz angebunden.“ Die Greenpeace-Chemie-Expertin Nina Thüllen bedient sich eines ähnlichen Vergleichs zur Beschreibung des Umweltministers: „Die NGOs werden zu allem eingeladen. Freundlich lächelnd umarmt er sie und erdrückt sie dabei fast. Er tanzt auf allen Kirtagen – aber wehe, man tanzt nicht mit.“

Weiche Schale – harter Kern?

Manchmal bricht es auch aus dem „Teddybären Josef Pröll“ (Eva Glawischnig) heraus, wie man es sonst nur von Onkel Erwin kennt. Als ihn etwa der World Wildlife Fund während des August-Hochwassers in Westösterreich wegen angeblich unterlassener Hochwasserschutzbauten angriff, nannte er die WWF-Leute in einem profil-Interview „Kriegsgewinnler, die in die Medien kommen wollen. Ich habe das jetzt wirklich satt!“ Dennoch saß er schon wenige Wochen später mit WWF-Geschäftsführerin Hildegard Aichberger bei einer Pressekonferenz, um gemeinsam mit der Umweltaktivistin ökologisch verträgliche Elektrogeräte zu präsentieren. Aichberger: „Wir haben damals eine Entschuldigung erwartet, die freilich nicht gekommen ist. Uns war die Zusammenarbeit aber wichtiger, als lange beleidigt zu sein.“
Josef mag man eben.

Die Sympathie-Offensive Josef Prölls ist auch das Ergebnis einer schlauen PR-Arbeit seines Beraterstabs, den der schon unter Wilhelm Molterer dienende Pressesprecher Daniel Kapp anführt: Unablässig wird der Minister als Mann aus dem Volk präsentiert, der dessen Probleme kenne. Dass Josef Pröll Anfang des Jahres 118 Kilogramm wog, ein Abspecken um 30 Kilogramm binnen Jahresfrist gelobte und inzwischen Kleidergröße 54 trägt – das ist Teil der zeitgenössischen Innenpolitik-Folklore.

Überdies liefert er einfach gute Bilder. Josef Pröll sticht Spargel aus fetter Marchfeld-Krume, liest in abgedunkelten Sälen geheimnisvolle Waldmärchen und macht Olympiasiegerin Sissy Max-Theurer zur obersten Aufseherin über die Lipizzaner. Das Washingtoner Gastspiel der weißen Pferde in Anwesenheit des zuständigen Landwirtschaftsministers inszenierte Prölls Stab vergangene Woche hochprofessionell: „ZiB“-Beitrag am Sonntag, Doppelseite in der „Kronen Zeitung“ vom Montag – mehr geht gar nicht.

Die Leute von Greenpeace glaubten vergangenen Juli bei ihrer „Energy Revolution Party“ an der Donau in Wien an eine Luftspiegelung, als plötzlich Pröll und sein Schweizer Amtskollege Moritz Leuenberger einherspazierten und gut gelaunt den Partykahn enterten.

In einem schwierigen Medienfeld funktioniert die Imagepflege recht zurückhaltend: Selbst sensible ORF-Redakteure können sich nicht an hässliche Interventionen des Pröll-Stabes erinnern.

Bisweilen sind die Inszenierungen freilich hoch komplex: Als sich Josef Pröll im Juli des Vorjahrs ein Dienstfahrrad kaufte, tat er dies in der alternativen „Kooperative Fahrrad“ in Wien-Mariahilf, deren Geschäftsführer als Vertreter der Grünen in der Wirtschaftskammer sitzt. Dazu nahm er zwei Redakteurinnen der alternativen Wiener Stadtzeitung „Falter“ mit; die Proberunde um die Ringstraße drehte er mit Triathlon-Olympiasiegerin Kate Allen.

Während eines Kanada-Besuchs stieß das Duo Pröll/Kapp auf einen aus dem Bregenzerwald stammenden Feinkosthändler. Wenige Tage später war die Vorarlberger Regional- und Lokalpresse mit entsprechendem Fotomaterial versorgt.

Das Marketing-Talent des Ministers erstreckt sich auch auf Produkte. So ersann er für den seit Oktober an den Zapfsäulen erhältlichen neuen Kraftstoff den duftigen Namen „Diesel Bio Plus“, obwohl dieser zu 96 Prozent aus ganz gewöhnlichem Diesel und zu vier Prozent aus pflanzlichen Ausgangsstoffen besteht, die sicher nie mit biologischem Landbau in Berührung gekommen sind.

Er betreibe in solchen Fragen eher Landwirtschafts- als Umweltpolitik, werfen die Kritiker in Opposition und NGOs dem Landwirtschaftsminister vor. Unablässig tat dies etwa die Arbeiterkammer in der Feinstaub-Debatte, weil Pröll Traktoren und andere landwirtschaftliche Fahrzeuge von den Beschränkungen ausnahm, obwohl diese laut AK-Berechnungen um 50 Prozent mehr Schadstoffe verursachen als der gesamte Pkw-Verkehr.

Familienbande. So stark sein Herz auch für die Bauern schlägt: Landwirt wollte Josef Pröll nie werden. Das elterliche Weingut in Radlbrunn überließ er freiwillig seinem jüngeren Bruder Andreas, der vorzügliche Weißweine produziert und der dafür nicht besonders geeigneten Weinviertler Erde auch bemerkenswerte Rote entlockt (siehe Seite 67). Josef zog mit 19 nach Wien, um Bodenkultur zu studieren. Das Diplomarbeitsthema – „Auswirkungen der Fusion der Raiffeisengenossenschaften von Absdorf und Ziersdorf“ – ließ 1993 noch Verbindungen zu Horn und Korn erkennen. Ins Dorf hat es den seit nunmehr 18 Jahren in Wien-Währing residierenden Josef Pröll jedoch nicht mehr zurückgezogen.

Für jenen Stand, dem er entstammt, führt der Bauernsohn nun einen zähen, aber aussichtslosen Kampf: Den schmerzhaften Prozess der Verschlankung des europäischen Agrarsektors kann auch Pröll nicht verhindern; er kann höchstens versuchen, die Folgen abzufedern. So kämpft der Österreicher, wie andere Amtskollegen, gegen die völlige Entkoppelung der europäischen Agrarförderung von der Produktion, welche die Bauern zu subventionierten Landschaftsgärtnern degradieren würde. Und so unaufhaltsam der Rückschnitt der europäischen Landwirtschaft auch vorangeht – ein paar Euro als Trostpflaster holt Pröll immer noch heraus: Einmal gibt es eine 200-Euro-Prämie für die 50.000 zusätzlichen Mutterkühe; ein anderes Mal, wie etwa vergangene Woche, werden ein paar Prozentpunkte mehr Abgeltung für die durch die neue Zuckerordnung schwer gebeutelten Rübenbauern ausverhandelt.

An den eher trüben Aussichten für viele der noch verbliebenen 80.000 bäuerlichen Vollerwerbsbetriebe ändert das wenig. „Jetzt muss Schluss sein mit den Reformen der europäischen Landwirtschaft“, gab Pröll vergangenen Freitag bei der Präsentation des Zucker-Ergebnisses denn auch einen scharfen, wenngleich nur schwer haltbaren Kurs vor.

Ein anderes Projekt will der zielstrebige Jungpolitiker nun vorzeitig abbrechen: Obwohl die Waage noch 95 statt der per Jahresende angepeilten 88 Kilo anzeigt, plant der gestresste Lebensminister, die strenge Diät vorerst etwas zu mildern.

Von Herbert Lackner
Mitarbeit: Martina Lettner