Georg Hoffmann-Ostenhof

Keine Angst vor Mohammed

Keine Angst vor Mohammed

Drucken

Schriftgröße

Die Grazer Hasspredigten gegen Mohammed und den Islam sind nur der unappetitlichste Ausfluss einer allgemeinen Tendenz. Über den Islam und Islamismus wird wie über kaum ein anderes Thema blanker Unsinn verbreitet – sei es aus zynischem Kalkül, aus simpler Unwissenheit oder tief sitzendem Ressentiment. Hier nur einige Beispiele:

E Dass in den vergangenen Monaten islamistischer Terror in Pakistan zugenommen hat, ist eine Tatsache. Nicht zuletzt die Ausrufung des Ausnahmezustands und die Ermordung von Benazir Bhutto Ende vergangenen Jahres machten klar: Die politische Lage in Pakistan, dem wichtigsten Bündnispartner Washingtons im „Krieg gegen den Terror“, ist höchst instabil. So weit, so unbestritten. Was wird aber daraus gemacht? Man malt die Gefahr an die Wand, dass islamische Extremisten in Islamabad die Macht ergreifen und sich der pakistanischen Atombombe bemächtigen würden. Legion sind die Zeitungsartikel und Fernsehberichte, welche die Angst vor einer derartigen Entwicklung ausdrücken.

Wer sich aber nur ein bisschen in Pakistan auskennt, der weiß, dass die islamischen Fundamentalisten, die mit ihrem Terror dazu beitragen, das Land zu destabilisieren, weiter von einer Machtergreifung nicht entfernt sein können (siehe dazu das Interview mit Tariq Ali in profil 1/2008 oder die ausführliche Analyse im Magazin „Newsweek“ vergangener Woche). Bei Wahlen haben extremistisch-islamische Parteien bisher nie mehr als elf Prozent bekommen – für den Urnengang am 18. Februar wird ihnen ein noch schlechteres Ergebnis vorausgesagt. Und dass sie durch einen Putsch an die Hebel der Macht gelangen und die Bombe in die Hand bekommen könnten, ist undenkbar. Da müssten die Islamis­ten eine gut organisierte, streng hierarchisch strukturierte 500.000-Mann-Armee besiegen. Trotzdem wird die These einer drohenden islamischen nuklear gerüsteten Theokratie in Pakistan auch von vielen seriösen Medien vertreten. Und vom Publikum angstschlotternd geglaubt.

E Auch die Angst vor einer Islamisierung Europas geht um. Nicht bloß am politisch derangierten Rand der öffentlichen Meinung wird davor gewarnt. Von einer „muselmanischen Reconquista“ schrieb kürzlich etwa Frank Schirrmacher, der Herausgeber des deutschen Weltblattes „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Nicht nur würden jene Einwanderer, die Allah und Mohammed verehren, immer mehr. Sie seien uns eingesessenen Europäern auch letztlich überlegen: Der verweichlichte Westen, lendenschwach und ohne Mumm, der sich seiner Identität immer weniger bewusst sei, werde den kräftigen und kämpferischen moslemischen Gesellschaften unterliegen, fürchtet Schirrmacher. Denn diese seien „jung, familiär und religiös stark vernetzt – also wie alle solche Länder, die in der globalen Welt konkurrieren, mächtig“.

Und was haben diese Angstfantasien vom Untergang des Abendlandes mit der Wirklichkeit zu tun? Sehr wenig. In Europa leben vier Prozent Moslems. Selbst wenn diese sich stark vermehren, bleiben sie auf Weiteres eine kleine Minderheit, von denen überdies die meisten zu ihrer Religion nicht viel anders stehen als etwa Taufscheinkatholiken zum Christentum oder schlicht unpolitische Gläubige sind. Und wenn der deutsche Publizist vor der Macht der islamischen Länder zittert, so übersieht er offenbar, dass diese im Großen und Ganzen (vielleicht mit Ausnahme einiger kleiner Golfstaaten) trotz allen Ölreichtums eine bemerkenswerte politische und ökonomische Impotenz an den Tag legen.

Nicht unplausibel ist freilich auf den ersten Blick die Annahme, dass Al Kaida und ähnliche Extremistengruppen im Milieu der Zuwanderer aus Nahost einen fruchtbaren Boden finden. Vor allem dann, wenn diese, aus welchen Gründen auch immer, nicht integrierte Frustrierte sind. Als vor drei Jahren die französischen Banlieues brannten, da mutmaßten erste Analysen, dass es sich um dschihadistisches Feuer handelte. Sind doch die Jugendlichen, die da in den tristen Vorstädten den Aufstand probten, zum großen Teil Einwandererkinder aus dem arabischen Nordafrika, denen jeder soziale Aufstieg, jede Aufnahme in die französische Gesellschaft verbarrikadiert ist. Wo, wenn nicht bei dieser entfremdeten, verzweifelten und rabiaten No-Future-Jugend, könnten die Bin Ladens Jünger rekrutieren.
So dachten viele. Die Wirklichkeit sah freilich ganz anders aus. Der Pariser Banlieue-Radikalismus ist in keiner Weise islamisch gefärbt. Im Gegenteil. Der Versuch der französischen Regierung, mittels moslemischer Geistlicher die randalierenden Kids zu besänftigen, schlug fehl: Die wollten von den Imamen nichts wissen. Also, wo ist da in Europa die islamistische Gefahr?

Entwarnung soll gewiss nicht gegeben werden. Natürlich können sich auch in Europa demnächst, so wie seinerzeit in London und Madrid, wieder Selbstmordattentäter in die Luft sprengen und hunderte Menschen mit in den Tod reißen. Die Netzwerke dieser durchgeknallten Desperados sind aufzuspüren und Attentäter dingfest zu machen. Das ist Sache von Geheimdiensten und Polizei. Auch gilt es, eine Nahostpolitik zu betreiben, die den Völkern dort hilft, aus der fatalen Alternative – da diktatorische korrupte Regime, da fundamentalistische Opposition – herauszufinden. In der Öffentlichkeit werden aber allzu oft Islam als Religion, politischer Islam, Terrorismus und moslemische Migration in hysterischer Weise amalgamiert, womöglich noch als „islamofaschistische Gefahr“ zur Weltbedrohung hochstilisiert. Genau das aber bereitet jenes ideologische Terrain, auf dem völkische Dumpfbacken wie die FPÖ ihr rassistisches Spiel betreiben können.