Killing him softly
Eine Premiere auf Jörg Haiders sommerlicher Wörthersee-Bühne: Erstmals wurde er beim Finale des alljährlichen Beachvolleyball-Events nicht ausgepfiffen. Ein später Gesinnungswandel beim jugendlich- hippen Publikum? Eine Sympathiekundgebung der darbenden "Generation Golf", die in ihm den Kaufkraftstärkungs- Messias zu erkennen glaubt? Wohl kaum.
Der Kärntner Landeshauptmann verzichtete vorigen Sonntag einfach auf das Betreten des Centercourts - und ließ seinem Stellvertreter Karl Pfeifenberger bei der Pokalübergabe den Vortritt.
Zur selben Zeit zelebrierte FPÖ-Chef Herbert Haupt, im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Susanne Riess-Passer weit gehend Society-resistent, am ruhigeren Millstätter See den 60. Geburtstag seiner Ehefrau Renate.
Viel mehr sollte es für Haupt dann allerdings nicht mehr zu feiern geben.
Turnschuh-Rebell. Vergangenen Donnerstag machte Jörg Haider dem Vizekanzler persönlich seine Aufwartung - in ausgewaschenen Jeans, Turnschuhen und Glitzer- Nadelstreifsakko. Sein Begehr war nicht neu: Man möge der Kuh, die man melken will, etwas zum Fressen geben. Sprich: Die größere Etappe der Steuerreform sei vom 1.1.2005 auf das Jahr 2004 vorzuziehen. Als Haider in Haupts Wiener Amtsräumen verschwunden war, fuhr - fast wie bestellt - ein Lieferwagen vor dem Palais Dietrichstein vor, und aus den Lautsprecherboxen dröhnte "Killing me softly".
Der passende Soundtrack zum blauen Film noir, der nun schon seit Wochen läuft. In den Hauptrollen: Herbert Haupt als vom Aussterben bedrohter Nuschelbär und Jörg Haider als Bösewicht. Mit einer Politik der kleinen Nadelstiche trachtet Letzterer seit Wochen danach, dem derzeitigen Obmann das politische Leben zu vermiesen. Haupt flüchtet sich in den bewährten Schwurbelsprech und ignoriert Haiders Ansinnen - was diesen dann noch mehr ärgert.
Dunkelblaue Wolken. Kritik an seiner Parteiführung lässt Herbert Haupt - noch - kalt. Doch brauen sich über ihm dunkle Gewitterwolken zusammen; am Dienstag dieser Woche könnten sie sich entladen - weniger in der von der SPÖ initiierten Sondersitzung zum Thema Steuerreform als vielmehr in der Sitzung des FPÖ-Parlamentsklubs davor. "Haupt wird uns in dieser Klubsitzung endlich sagen müssen, was er nun mit Jörg Haider ausgemacht hat", fordert der FPÖ-Abgeordnete Eduard Mainoni. Die eigenen Mandatare hätten ein Recht darauf, zu erfahren, ob man sich nun ab Herbst auf einen neuen Parteiobmann einzustellen habe. Dass sich der freiheitliche Verkehrssprecher einen solchen wünscht, daraus macht er kein Hehl: "Für das derzeitige Stimmungstief ist allein der Bundesparteiobmann verantwortlich." Der wahlkämpfende Landeshauptmann Jörg Haider hingegen, so Mainoni, hätte es verdient, engagierter unterstützt zu werden. "Es war schwer genug für uns Freiheitliche, diesen Posten zu erobern."
In der Nationalratssondersitzung hat Haupt von den "glorreichen acht", Haiders Prätorianergarde in der FP-Fraktion, aber nichts zu befürchten. "Nur weil Rot und Grün den Befehl geben zu bellen, werden wir nicht zu bellen anfangen. Wir waren selbst lange genug in Opposition, wir wissen, wie man Zwietracht in den Reihen der Regierung sät", schmunzelt der Salzburger Mainoni.
Auch der Kärntner Uwe Scheuch ist dieser Meinung: "Ich werde diese parteipolitischen Spielchen nicht mitmachen." Scheuch, der sich als Sprachrohr Jörg Haiders in Wien versteht, könnte bald dessen Sprachrohr in Kärnten sein. Sollte Haider Parteiobmann werden und in seiner Wahlheimat nicht mehr antreten, dann, so die Gerüchte, könnte Scheuch Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen im März 2004 werden.
Doch Haiders Lust, im Schatten der Karawanken weiterhin von Speck- zu Hendlfest und retour zu eilen, ist offenbar ungetrübt, obwohl die FPÖ in den Umfragen rund zehn Prozent hinter der SPÖ liegt. Bei den Kärntner Sozialdemokraten geht man davon aus, dass ihr Gegner wieder Jörg Haider heißen wird. "Er legt es auf eine Zwei-Firmen-Theorie an: Er tritt in Kärnten an und versucht als Bundes-parteichef, vermehrt in die Schlagzeilen zu kommen", glaubt man in der SPÖ- Zentrale in der Klagenfurter 10.-Oktober- Straße.
Die Bundespolitik diktiert Haider bereits jetzt vom Süden aus. Nach der Pensionsreform will er die ÖVP in Sachen Steuerreform ein weiteres Mal vom Konsolidierungskurs abbringen. Thomas Prinzhorn lieferte das Konzept dazu. Dieses wurde in der FPÖ-Präsidiumssitzung vergangenen Donnerstag lediglich diskutiert - beschlossen jedoch wurde nichts.
Affront. Ohne Absprache mit Parteichef Herbert Haupt plauderte Jörg Haider bei der anschließenden Pressekonferenz dann erste Details aus. Auch Zahlen nannte er zum Entsetzen der Haupt-Getreuen: So soll das von Prinzhorn errechnete Volumen der Entlastung bei rund 1,5 Milliarden Euro liegen. Die ÖVP könne nun wählen, ob sie etwa eine allgemeine Tarifsenkung um ein bis drei Prozent, eine Erhöhung des steuerlichen Absetzbetrages für Familienalleinerhalter oder eine Absenkung der Körperschaftsteuer vornehmen wolle. Stattfinden soll die Aktion spätestens Mitte 2004.
Doch in der ÖVP denkt man nicht daran. ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer pocht auf die Einhaltung des Koalitionsabkommens. "Die FPÖ bricht den Koalitionspakt ", leisteten die "Salzburger Nachrichten " am Freitag publizistische Schützenhilfe.
Hatte Jörg Haider in der Vorwoche nicht behauptet, es habe viele positive Rückmeldungen aus der ÖVP für eine Vorverlegung der Steuerreform gegeben? In der ÖVP will man davon nichts wissen, Insider verweisen aber listig darauf, dass Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, erprobter Querverbinder zur FPÖ, derzeit am Millstättersee urlaubt. Anfang letzter Woche hatte er sogar in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Jörg Haider E den Aufschwung des Kärntner Tourismus bejubelt.
Der Montag ist Hauptverhandlungstag für den schwarz-blauen Entschließungsantrag zur Steuerreform, der am Dienstag eingebracht werden soll. "Wir werden schon irgendeinen Kompromiss finden. Mehr als eine Willenserklärung wird das aber nicht. Substanziell werden wir hier sicher nicht nachgeben", versichert ein ÖVP-Grande. Ob sich die FPÖ das gefallen lassen wird? "Man wird sehen."
Und wieder lockt die SPÖ. In der SPÖ keimt daher vage Hoffnung auf. "Wenn die FPÖ einen eigenen Antrag einbringt, dann könnte es durchaus sein, dass wir mitstimmen", lockt SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter. Realistischer sei aber wohl ein schwarz-blauer "Wischiwaschi "-Antrag, der die Steuersenkung an den Konjunkturaufschwung koppelt. "Das ist so wie bei einem Brand, den ich erst lösche, wenn er vorbei ist."
Im FPÖ-Parlamentsklub hat man für eine Vorverlegung jedenfalls ein bestechendes Argument parat: Senkt man die Steuern schon zur Jahresmitte, springt bereits zur Adventszeit 2004 der weihnachtliche Konsumfunke über. Economy by FPÖ, leicht verständlich gemacht.
Doch es geht noch einfacher.
Der FPÖ-Abgeordnete und Unternehmer Josef Bucher weiß, wie: "Es ist uns zwar bewusst, dass der Begriff in der Öffentlichkeit nicht sehr gut ankommt. Aber die FlatTax ist die Zukunft." Der Wahlkampfschlager von 1999 wird wieder aus der blauen Mottenkiste geholt. Die jetzt geplante Tarifsenkung, so Bucher, könne nur ein erster Schritt in diese Richtung sein. Bereits im März dieses Jahres hatte FPÖ-Finanzsprecher Thomas Prinzhorn die Flat Tax wiederzubeleben versucht - der Patient überlebte nur kurz. Nun macht Jörg Haider intern wieder Stimmung für das umstrittene Steuermodell.
Ob Herbert Haupt die Kurve zur Flat Tax auch noch kriegt, ist fraglich. Ausgeschlossen ist es aber nicht. Denn wenn der "Stern des Südens" gen Wien wandert, wird auch Herbert Haupt plötzlich erleuchtet. War er am Dienstag vergangener Woche noch gegen eine Vorverlegung der Steuerreform - es sei denn, die Konjunktur springe wieder an -, so wusste er sich zwei Tage später plötzlich eins mit Haider: Teile der großen Reform müssten noch 2004 umgesetzt werden, koste es, was es wolle.
Nach der gemeinsamen Pressekonferenz auf dem Trottoir vis-a-vis der Minoritenkirche testete Jörg Haider schon einmal das Vizekanzler-Feeling: "So, jetzt geh ich auf einen Kaffee ins Bundeskanzleramt ", flötete er. Dort erwartete ihn allerdings nicht etwa Wolfgang Schüssel, sondern ein ihm bekannter Polizeibeamter.
Hausherr Wolfgang Schüssel hofft indes, dass Haider seinen kleinen Braunen weiterhin nur im Parterre des Kanzleramts einzunehmen gedenkt. Der rote Teppich ins Metternich-Zimmer bleibt bis auf weiteres für Herbert Haupt ausgerollt. Und um das Wesen seines derzeitigen Koalitionszwillings noch besser zu verstehen, hat der Kanzler eigens eine Psychologin engagiert: seine Ehefrau. Beim allwöchentlichen Kanzler-Vizekanzler-Frühstück vor dem Ministerrat schaute vor der Sommerpause einige Male - rein zufällig - Krista "Gigi" Schüssel vorbei, um den FPÖ-Chef eingehend zu mustern. Die psychologische Expertise der Kanzlergattin über Herbert Haupts seelische Grundstruktur würde aber sicher auch Jörg Haider interessieren.