Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Das große Blenden

Das große Blenden

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Manchmal muss man sich dem Thema Wein auf ziemlich verschlungenen Wegen annähern; zum Beispiel jenen, die aus der Burn-out-Falle führen, weil sie einfach das Betriebsklima verbessern. Man schläft im Wald, läuft über Kohlen oder absolviert kollegiale Turnstunden im Großraumbüro. Hm … wenn’s hilft. Der Winzer Robert Payr aus Höflein in Carnuntum hat eine viel bessere Idee. Seit einiger Zeit hält er ganz besondere Verkostungen ab – Verkostungen, bei denen die Gäste ihren Wein selber machen; einen Zusatztermin offeriert er beim heurigen Genussfestival „Carnuntum Experience“ am 19. August. Zahlreiche Firmen haben ihre Mitarbeiter schon zu Payr geschickt, um dort Cuvées zu mischen: aus Zweigelt, Blaufränkisch und Merlot. Dann sitzen AbteilungsleiterInnen, SekretärInnen und manchmal auch Vorstände in Gruppen an einem Tisch und mischen, dass es eine Freude ist. Payr sieht ihnen dabei zu, und seit er das tut, gibt es wohl keinen Winzer, der über Gruppendynamik im Arbeitsleben besser Bescheid weiß als er. Jedes Team darf am Ende der Mischerei nur eine Cuvée zur finalen Blindverkostung einreichen. Das führt naturgemäß zu Diskussionen, manchmal auch zu heftigen, denn irgendwie müssen die sich alle zusammenraufen. „Dann wird es schon spannend“, sagt Payr schmunzelnd, „wenn der Wein der Putzfrau besser ankommt als der vom Generaldirektor.“ Payr fände ja auch die Idee reizvoll, einmal die Regierungskoalition zum Cuvéemachen antreten zu lassen. Würden Fekter und Mikl-Leitner sich gegen die internationale Rebsorte Merlot aussprechen und lieber mit heimischem Blaufränkisch spielen? Ich möge gedeckte Kleidung anziehen, richtet Payr mir schon vorher aus, die ganze Sache sei nämlich schon eine kleine Sauerei. Anderntags trete ich gegen Johannes Trapl, den jungen Shooting-Star der Region, an, der das Blenden – man kann auch Cuvéetieren sagen – im Blut hat, wie sein Tilhofen (aus Zweigelt, Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Merlot) beweist. Payr hat die Ausrüstung vorbereitet: drei Flaschen des Jahrgangs 2009 mit Zweigelt, Blaufränkisch und Merlot aus der Lage Bühl hinter der Kellergasse – Frucht, Würze und Schmelz also; dazu ein 100-Milliliter-Messbehälter, reichlich Gläser – und Servietten. Cuvéetieren, sagt Payr, „ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei der Prozentrechnen eine ziemlich gute Sache ist“. Seine Gäste begreifen das auch, wenn sie sich beim Mischen in ihre Handyrechner vertiefen. Jede Mischung ist exakt zu dokumentieren, denn beim Verkosten kann es gegen Ende schon passieren, dass plötzlich die perfekte Cuvée im Glas ist, und man hat keine Ahnung mehr, woraus sie besteht.

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