Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Magie und Mineralik

Magie und Mineralik

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Terroir - ein Begriff erobert die Weinwelt. Österreichs Society-Winzer Leo Hillinger keltert einen Blaufränkisch, auf dessen Flaschenetiketten er das Wort silbrig glänzen lässt. Es gibt Vinotheken, die so heißen, und kaum Seiten in den Broschüren der großen Weinhändler, auf denen nicht das Terroir beschworen wird. Terroir ist auch der Common Sense, auf den man sich in der Welt der österreichischen DAC-Weine einigen kann. Aber das Wort, hat der Winzer Roland Velich schon vergangene Woche an dieser Stelle angemerkt, ist zu einem Lippenbekenntnis verkommen; ich eile ihm da mit einem Zitat aus Wikipedia zu Hilfe: Terroir ist "heute ein Begriff des Marketings, insbesondere bei der Vermarktung von hochwertigen Agrarprodukten und Wein, der weltweit benutzt wird“.

Schuld daran, findet der britische Weinkritiker Stuart Pigott, sind auch wir, die das Wesen eines Weins in Worte fassen wollen. Pigott sitzt in der Bagger-Garage des Kreidesteinbruchs in Müllendorf bei Eisenstadt, wo einige Winzer dem Begriff Terroir bei einem Symposium des "Club of Plenty“ ( www.clubofplenty.org) auf die Spur kommen wollen. "Das Wort“, sagt Pigott, "ist für Weinjournalisten perfekt. Sie suchen nach simplen Lösungen, die beispielsweise lauten: Kalk- oder kreidehaltige Böden ergeben mineralische Weine, und dazu sagt man dann Terroir. Das ist Quatsch.“ Tatsächlich gibt es für diese Behauptung zahlreiche Belege. Von der Wachau bis zum Burgenland entstehen auf identen Böden sowohl schlanke und elegante als auch dichte Weine. Auch im Weinviertel ist die regionaltypische Pfeffrigkeit des Grünen Veltliner zwar Dogma, aber keineswegs Realität.

Terroir, darauf kann man sich einigen, ist also weit mehr als geologisches Fundament. Es ist das Spiel der Jahreszeiten, der warmen Tage und kühlen Nächte; es ist das Wechselspiel von Sonne und Regen, aber auch jenes von Geschichte, Tradition und Aufbruch. Vermutlich ist Terroir aber auch die nach langer Suche geglückte Verbindung von Mensch, Pflanze und Landschaft; kurzum: die historisch gewachsene Übereinkunft einer regionalen Winzerschaft, Wein in einer bestimmten Gegend wegen bestimmter Voraussetzungen auf eine bestimmte Art herzustellen; dieses Trial-and-Error-Verfahren - mit trendigen Ausbauarten und falschen Rebsorten auf falschen Böden - läuft auch hier noch in einigen Weingebieten, auch wenn dort voreilig das Wort "Terroir“ auf den Etiketten prangt.

Der Winzer Gernot Heinrich schaltet sich ein. Auch er will den Einfluss des Bodens nicht überbewerten: "Wenn sechs Winzer aus demselben Weingarten im selben Keller unter denselben Voraussetzungen einen Wein machen, ergibt das mit Sicherheit sechs völlig unterschiedliche Terroirweine.“ Manchmal aber entfaltet sich der Zauber des Terroirs dann doch noch: spät und auf geheimnisvolle Art. Etwa im Jahr 2000, erzählt Stuart Pigott, organisierte das US-Fachmagazin "Wine Spectator“ eine Blindverkostung großer Barolos aus den Jahren 1989 und 1990 für jene Starwinzer, die die Weine gemacht hatten. Unmittelbar danach fragte der Redakteur, ob die Winzer denn nun bestimmen könnten, welche ihrer zehn Jahre alten Weine traditionell und welche modern ausgebaut worden waren. Im Verkostungssaal wurde es still - bis der legendäre Elio Altare, nicht frei von Verblüffung, sagte: "Als die Weine jung waren, hätten wir das beantworten können. Aber die Parameter der Machart sind alle verschwunden. Das Terroir hat sich gegen den Stil durchgesetzt.“ Und dann spricht Pigott den Satz des Abends: "Wein ist eben nicht logisch.“

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