Eatdrink: Klaus Kamolz

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Schweres Craving nach gerösteter Kalbsleber am Sonntagabend? Lust auf einen kleinen Teller Kalbskutteln mit Paradeisern und Basilikum zum Gabelfrühstück um halb zwölf? Dafür ist die Millionenstadt Wien ähnlich gut gerüstet wie ein Sonntagsausflügler, der mit Flip-Flops in die Eiger-Nordwand steigt. Aber es geht ja doch, und wie! Nur draufgekommen bin ich nicht selber, weil es eben Bezirke gibt, die nicht gerade zu meinen Favoriten zählen, wenn es darum geht, kulinarisch einwandfrei versorgt zu werden. Aber der Mensch hat ja Sbirren, und die raunen einem mitunter das eigentlich eh Augenfällige zu. Nämlich: Was ist eigentlich mit dem "Meixner“ beim Reumannplatz?

Ja, was ist mit dem? Ewig lange schon nicht mehr dort gewesen. Und immerhin fährt ja jetzt - siehe auch: Parkplatzsituation in 1100 Wien und Meixners Weinkarte - die auch nach der Sanierung aufdringlichst nach Buttersäure stinkende U1 wieder. Drauss‘d in Favoriten ist alles noch so, wie es immer schon war. Vielleicht ist der hölzerne Schankraum noch eine Spur nachgedunkelt, weil hier weiterhin eisern geraucht werden darf. Aber Karl Meixner steht auf eine beruhigende Art hinter der Schank, und seine Frau Berta schupft, auch das ist sehr beruhigend, eine der solidesten Beislküchen der Stadt. Aus der kommen zum Beispiel zwei ganz feinwürzig abgeschmeckte Tatare - naturgemäß die klassische Version vom Rinderfilet, gehackt und mit einem gerade einmal angewärmten Dotter obendrauf, und ein ziemlich tolles Tatar mit Matjes und Roten Rüben. Beide zu bestellen hat schon einen gewissen Witz, denn die beiden gestürzten Zylinder sind äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden; das mit den Roten Rüben hat vielleicht einen subtilen Stich ins Violette, während der Klassiker orthodox tizianisch leuchtet. Nächster Gang: ziemlich erdige, also nicht ihrer etwas strengen Note beraubte Kutteln in einem intensiven Fond aus Paradeisern, Basilikum und Knoblauch - erstklassige Ware für Kaldaunenversteher. Und dann müssen natürlich auch die gebackenen Grammelknödel sein, bei denen eine längere Diskussion mit Karl Meixner nötig wird, der gerne die gewünschte Anzahl auftischen lässt, aber doch nicht verschweigen möchte, dass ein Stück gerade so groß wie ein Tischtennisball - oder war es doch eine Mozartkugel? - ist. Trotzdem: Je ein Knödel reicht, man weiß ja nicht, ob die Bemessung der Hauptgänge auch noch nach althergebrachter Art erfolgt. Der Clou bei den Kugeln aber ist das Kraut: einmal knackig frisch mit Veltliner abgeschmeckt, einmal als warmer, angenehm säuerlicher Salat mit Speck.

Geröstete Kalbsleber und Eierschwammerlrostbraten haben es, trotz mehr als satisfaktionsfähiger Zubereitung, schwer. Ein halbes Kilo Petersilerdäpfel und drei dicke Scheiben Serviettenknödel sind allenfalls für jene Phäaken bewältigbar, über die sich schon Adolf Loos lustig machte, weil sie lieber eine einzige Riesenportion verdrücken als sich einer französischen Menüfolge mit mehreren kleinen Speisen hinzugeben. Und genau so eine habe ich schon hinter mir.

Warum ich den Meixner, außer wegen der feinen Wirtshausküche täglich von 11.30 bis 22 Uhr, noch empfehle: Sosehr im Gasthaus immer noch alles beim Alten ist, so sehr ist die Weinauswahl auf der Höhe der Zeit. Es gibt in Wien nicht viele Karten mit einem derartigen Portfolio an biodynamischen, ungeschwefelten oder in Amphoren ausgebauten Weinen ohne Raritätsaufschlag. Ziemlich einzigartig: der orangerosa schimmernde Chardonnay "Gelb1“ von Strohmeier aus der Steiermark. Und praktisch als französisches Pendant zu den eleganten mineralischen New Blaufränkisch aus dem Burgenland: der famose Matassa rouge 2008. Ach ja, übrigens auch ab 11.30 Uhr zu haben.

Meixner‘s Gastwirtschaft
Buchengasse 64, 1100 Wien
Tel.: 01/604 27 10
www.meixners-gastwirtschaft.at
Hauptgerichte: 9,60 bis 24,80 Euro

[email protected]