Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Und ewig grüßt der Leberkäse …

Und ewig grüßt der Leberkäse …

Drucken

Schriftgröße

Es ist ein Abend wie jeder andere. Was für ein banaler Satz, aber hier, in diesem kleinen Restaurant mit der Gewölbedecke in diesem Viertel in der Wiener Innenstadt, in dem sich früher einmal die Boheme und die Bundeskanzler in den Szenelokalen die Klinke in die Hand drückten und heute nur noch Touristen mit Blick auf den Stadtplan gegen die Parkverbotsschilder tuschen, hat er seine Berechtigung. Ein Abend wie jeder andere im Restaurant „Walter Bauer“ – das heißt, man isst hier so gut wie eh und je, obwohl vor ein paar Wochen wieder ein neuer Küchenchef eingecheckt hat. Der sechste seit 1989, als der Gastronom das Lokal eröffnete. Mike Feierabend heißt er, kommt aus dem Stall von Christian Petz, hat Erfahrungen gesammelt im Münchner „Tantris“, bei den Brüdern Obauer, bei Lisl Wagner-Bacher und kocht eigenständig und einfühlsam genug, um Walter Bauers Credo von einem Restaurant auf den Teller zu bringen. „Ich mag keine Köche, die zwei Jahre lang kochen wie Ferran Adrià und dann kurz einmal die große Klassik entdecken, weil sie wieder angesagt ist“, sagt der Patron. „Für mich ist ein Restaurant wie das Etikett mit dem heiligen Urban vom Weingut Knoll. Wer zum Bauer geht, soll wissen, was ihn erwartet.“ Und deshalb grüßt seit vielen Jahren auch eine kleine Scheibe Waldviertler Leberkäse; den Gag durfte kein Küchenchef ablehnen. Aber dann kommt zum Beispiel diese kleine Variation vom Kaninchen, bestehend aus einer fruchtigen Sulz mit Fleischwürfeln und einer Rillette, und da ist ein traumhaftes Kalbskopfrisotto zum glasig gebratenen Zander und eine wunderbare Crème brulée mit Kirschen – unaufdringlich, aber hinreißend gekocht. Mike Feierabend ist, wie gesagt, der Sechste, der kaum merken lässt, dass wieder einmal der Küchenchef gewechselt hat. Harald Brunner, Christian Domschitz, Herbert Malek, Günther Maier, Tommy Möbius – Bauer kann die Vorgänger, ohne zu zögern, aufzählen.

Dass er einmal so ein Restaurant würde machen wollen, weiß Bauer seit 1980, als er zweimal ums Eck im „Mattes“ servierte, dem ersten, damals absurd freakigen Gourmetlokal der Stadt. 1979 sperrte es auf; ­Eckart Witzigmann hatte dem Gründer Wilhelm Holzbauer einen jungen Koch namens Richard Hedrich vermittelt (später war auch Reinhard Gerer dort). Walter Bauer muss schmunzeln, wenn er über das „Mattes“ erzählt, dann verschwindet er kurz und kommt mit einem Stapel Papier zurück. Wir blättern in den damaligen Speisekarten – und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Nächste Woche: Erinnerungen an ein kulinarisches Pionierlokal.

[email protected]