Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Von Königsberg nach Hawaii

Von Königsberg nach Hawaii

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Es gibt gar nicht so wenige Genussmenschen, die der alten „Korso“-Küche des Reinhard Gerer immer noch die eine oder andere Träne nachweinen. Auch ich habe einen gewissen Teil der Gerer’schen Kreativität immer geschätzt; und es war nicht jener, mit dem er die internationalen Hotelgäste in imperialem Rahmen befriedigen wollte oder musste, denn diese Teller, leidenschaftslos drapiert mit vermeintlich unverzichtbaren Luxusprodukten, ließen oft genug die Lustlosigkeit erahnen, die sich in der Küche zuletzt breitgemacht haben muss. Aber da waren eben auch diese kulinarischen Klassiker, die Gerer so beschwingt und harmonisch in die Gegenwart holte, dass ich im „Korso“ bisweilen in ungeduldiger Vorfreude mit den Füßen wippte, weil jetzt nämlich das Rieslingkalbsbeuschel oder der Kalbskopf mit Krenpüree oder ein Kuttelgericht oder irgendeine andere Innereieninterpretation kommen würde – Gerichte allesamt, die ein ungleich tieferes Gespür für stimmige Geschmacksnoten und - kombinationen voraussetzen als eine fade Seeteufelschnitte.

Zum Gerer-Fan in der eigenen Küche wurde ich, weil der einstige Vierhaubenkoch seit seinen ersten Kochbüchern in der Lage war, das Wesentliche seines kulinarischen Zugangs so zu vermitteln, dass auch zu Hause Gerer-Küche möglich war, die jener im Restaurant um gar nicht so viel nachstand. Das klingt auf den ersten Blick anmaßend, ist es aber nicht. Gerers Zugang beruht nämlich auf Kriterien, die auch mittelmäßige Talente erfüllen können: gute und perfekt kombinierte Grundprodukte, Besinnung auf wesentliche, ein Gericht prägende Würzmittel und einigermaßen genaues Arbeiten.

Dennoch: Ich weine dem „Korso“, dem einstigen Tempel der raffinierten Wiener Küche, nicht nach, weil ich aus mehreren Gründen noch recht gut versorgt bin. Erstens gibt es die konzentrierte Gerer-Küche österreichischer Prägung in seinem Gasthaus Magdalenenhof am Fuß des Bisambergs, und eben hat der Chef wieder ein Kochbuch herausgebracht, von dem ich annehme, dass mein Exemplar schon bald so viele Gebrauchsspuren aufweisen wird wie seine früheren Werke. „Moderne Klassiker“ vereint alte, dennoch zeitlose Rezepte aus den frühen „Korso“-Jahren und faszinierend simple Neuinterpretationen von Küchenstandards wie etwa Königsberger Klopsen (die ich, obwohl nach der preußischen Kant-Stadt benannt, wegen typischer Zutaten wie Zitronenschale, Kapern und Kerbel für eine sehr wienerische Sache halte) oder sogar Steak Hawaii und Holsteinschnitzel, die nach Gerers von Witz und Verstand getragener Bearbeitung ihren Schrecken völlig verlieren. Hätte der krisenbedingte Beislboom dieses Niveau erreicht, hätte er jetzt mit Sicherheit eine bessere Nachrede – zum Beispiel jene, auf die Josef Hohensinn mittlerweile verweisen kann: Auch er, der langjährige Souschef Gerers, ist Garant für „Korso“-Küche der altbewährten Schule und erst kürzlich, nach einigen Zwischenstationen, am Ziel angekommen. Über sein Restaurant „Hohensinn“ in der nächsten Ausgabe mehr.

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