Klimawandel: Die heiße Erde

Klimawandel: Die heiße Erde - Fünf Nobelpreisträger erklären die Erderwärmung

Fünf Nobelpreisträger er- klären die Erderwärmung

Drucken

Schriftgröße

Für Wissenschafter, die den Klimawandel erforschen, sind „Heureka“-Erlebnisse selten. Im Allgemeinen wachsen ihre Erkenntnisse langsam und stetig. Akribisch fügen sie die Mosaiksteinchen jeder neuen Temperaturmessung, jeder Satellitenerkundung und jeder Simulation zusammen. Die Daten werden geprüft und gegengecheckt, Ideen immer wieder infrage gestellt. Passen die Beobachtungen zu den vorhergesagten Veränderungen? Könnte es nicht eine alternative Erklärung geben? Gute Klimaforscher wollen – wie alle guten Forscher – sicherstellen, dass ihre Ergebnisse den höchsten Gütestandards genügen.

Auf diese unspektakuläre Weise haben sich mit den länger werdenden Messreihen, unserem wachsenden Verständnis des Klimasystems und der Verfeinerung der Computermodelle die Indizien für die globale Erwärmung Stück für Stück vermehrt. Zugleich sind im Lauf der vergangenen zwanzig Jahre die Belege für die Schuld des Menschen an der Entwicklung unerbittlich gewachsen. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft hat sich die Überzeugung, dass tatsächlich ein Klimawandel stattfindet und er noch viel größere Ausmaße annehmen kann, inzwischen bis fast zur Gewissheit verdichtet. Das spiegelt sich unmissverständlich im neuesten „Assessment Report“ des Zwischenstaatlichen Rats für Klimafragen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) wider, dem vierten einer Reihe von Sachstandsberichten zum Thema, die hunderte von Wissenschaftern weltweit geschrieben und begutachtet haben.

Die Belege für die Schuld des Menschen sind erdrückend.

Im Februar veröffentlichte das Gremium eine kondensierte Version des ersten Teils über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Diese „Zusammenfassung für Entscheidungsträger“ enthielt für Politiker wie Normalbürger eine klare Botschaft. Demnach beträgt die Wahrscheinlichkeit inzwischen mehr als neunzig Prozent, dass die Menschheit in das Klima eingegriffen hat und dass weitere vom Menschen verursachte Änderungen bevorstehen. Manche davon sind laut Bericht nicht mehr vermeidbar; dennoch liegt die Zukunft, vor allem auf lange Sicht, noch weitgehend in unserer Hand: Wie stark der Klimawandel am Ende ausfällt, hängt davon ab, was die Menschen gegen die Treibhausgas-Emissionen unternehmen.

Der erste Teil des IPCC-Reports konzentriert sich auf vier Themen: die Triebfedern des Klimawandels, die beobachtbaren Veränderungen im Klimasystem, das Verständnis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen und Projektionen künftiger Veränderungen. Seit dem vorletzten, im Jahr 2001 publizierten IPCC-Bericht gab es in all diesen Bereichen wichtige Fortschritte. Auf den folgenden Seiten präsentieren wir die Schlüsselbefunde, die das Ausmaß des Wandels dokumentieren und zu dem unvermeidlichen Schluss führen, dass menschliche Aktivitäten die Ursache sind.

Bestimmte Spurengase in der Atmosphäre – vor allem Kohlendioxid, Methan, Distickstoffmonoxid und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) – fangen mittels des wohlbekannten Treibhauseffekts thermische Energie, also Wärme, in der Atmosphäre ein. Die Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid in der Lufthülle waren ungefähr 10.000 Jahre lang stabil geblieben, bevor sie in den vergangenen 200 Jahren plötzlich immer schneller anstiegen. In den vergangenen zehn Jahren hat der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre stärker zugenommen als in jeder 10-Jahres-Periode davor, seit die kontinuierliche Überwachung des Gases in den 1950er-Jahren begann. Heute liegt seine Konzentration etwa 35 Prozent über dem vorindustriellen Niveau, das aus Luftblasen bestimmt werden kann, die in Eisproben aus Grönland oder der Antarktis eingeschlossen sind. Der Methangehalt der Luft ist zweieinhalbmal so hoch wie in vorindustriellen Zeiten, und der Anteil an Distickstoffmonoxid liegt 20 Prozent höher.

Wie können wir sicher sein, dass die Menschheit diese Zuwächse verursacht hat? Einige Treibhausgase wie die Fluorchlorkohlenwasserstoffe haben gar keine natürlichen Quellen. Bei den anderen beweisen zwei entscheidende Beobachtungen den menschlichen Einfluss. Zum einen zeigen geografische Unterschiede in den Konzentrationen, dass sich die Quellen vorwiegend auf Landgebieten der dichter besiedelten Nordhalbkugel befinden. Zum anderen belegt die Isotopenanalyse, mit der man die Emissionsquellen unterscheiden kann, dass der Hauptteil der Kohlendioxid-Zunahme von der Verfeuerung fossiler Brennstoffe herrührt. Methan und Distickstoffmonoxid reichern sich sowohl durch landwirtschaftliche Praktiken als auch durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas in der Atmosphäre an.

Der Faktor Mensch wirkt zehnmal stärker als die höhere Sonnenaktivität.

Um die Wirkung der erhöhten Treibhausgas-Konzentrationen zu quantifizieren, verwenden Klimaforscher das Konzept des Strahlungsantriebs (radiative forcing). Darunter verstehen sie den Beitrag eines klimawirksamen Faktors zur globalen Strahlungsbilanz, normalerweise ausgedrückt in Watt pro Quadratmeter und bezogen auf vorindustrielle Zeiten. Ein positiver Wert führt zu einer Erwärmung; ein negativer zu einer Abkühlung. Welcher Strahlungsantrieb von den langlebigen Treibhausgasen ausgeht, lässt sich ziemlich genau bestimmen, weil die atmosphärischen Konzentrationen und die räumliche Verteilung dieser Gase sowie die physikalischen Grundlagen ihrer Wechselwirkung mit elektromagnetischer Strahlung bekannt sind.

Der Klimawandel wird allerdings nicht allein durch erhöhte Konzentrationen an Treibhausgasen verursacht; auch andere Vorgänge – sowohl natürliche wie vom Menschen verursachte – spielen eine Rolle. Zu den natürlichen Antrieben gehören Veränderungen in der Sonnenaktivität und starke Vulkanausbrüche. Auf das Konto des Menschen gehen dagegen die Emission mikroskopischer Schwebeteilchen, die Aerosole genannt werden (oder ihrer Vorläufermoleküle), und die Kondensstreifen von Flugzeugen – ferner Änderungen im Ozongehalt der Stratosphäre und Troposphäre sowie in der Oberflächenalbedo (unter Albedo versteht man die Reflektivität; eine helle Oberfläche wie etwa Schnee hat eine höhere Reflektivität als eine dunkle, die mehr Sonnenwärme aufnimmt, Anm.). Doch der Einfluss all dieser Faktoren ist sehr viel weniger exakt bekannt als derjenige der Treibhausgase (siehe Grafik auf Seite 108).

Am unsichersten sind sich die Forscher darüber, welche Rolle der so genannte Aerosol-Wolken-Albedo-Effekt spielt. Dabei wechselwirken Aerosole menschlichen Ursprungs auf komplizierte Weise mit Wolken, sodass diese heller werden und mehr Sonnenlicht ins All zurückwerfen. Unklarheiten bestehen auch bei der direkten Auswirkung der anthropogenen Aerosole: Wie viel Sonnenlicht reflektieren oder verschlucken die festen oder tröpfchenartigen Partikel?

Zusammengenommen könnten die Aerosoleffekte eine Abkühlung verursachen, welche die Erwärmung durch die langlebigen Treibhausgase bis zu einem gewissen Grad ausgleicht. Aber um wie viel? Würde die Erwärmung vielleicht sogar mehr als wettgemacht? Es gehört zu den Fortschritten seit dem IPCC-Report von 2001, dass sich die Unsicherheiten bei den einzelnen Antriebsmechanismen durch eine Kombination zahlreicher Modellstudien und Beobachtungen quantifizieren und eingrenzen ließen. Dadurch können wir den Beitrag der Menschheit heute sehr zuverlässig abschätzen. Er ist demnach zehnmal so groß wie der natürliche Strahlungsantrieb durch Veränderungen der Sonnenaktivität.

Dieses Ergebnis passt gut zu den beobachteten Anzeichen einer Erderwärmung, die wir im Folgenden diskutieren. Das Zusammenspiel der verschiedenen Antriebe kann man sich als ein Tauziehen vorstellen. Positive und negative Komponenten versuchen, die Erde in einen wärmeren beziehungsweise kühleren Zustand zu zerren. Die Stärke der widerstreitenden Beiträge kennen wir heute besser als je zuvor. Demnach wird unser Planet zu einem wärmeren Klima „hingezogen“, und das in wachsendem Maß; denn der Strahlungsantrieb durch den Treibhauseffekt nimmt stetig zu.

Die Erwärmung im 20. Jahrhundert fand großteils in den letzten 50 Jahren statt.

Anhand der vielen neuen oder verbesserten Sätze von Beobachtungsdaten, die bei der Erstellung des IPCC-Reports 2007 vorlagen, ließen sich die Veränderungen umfassender einschätzen als bei den früheren Berichten. Den Messreihen zufolge waren elf der zwölf vergangenen Jahre die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Wahrscheinlichkeit, dass so viele Rekordjahre rein zufällig aufeinander folgen, ist extrem gering.

Veränderungen in drei wichtigen Messgrößen – der globalen Mitteltemperatur, der Höhe des Meeresspiegels und der Schneebedeckung auf der Nordhalbkugel (siehe Grafik auf Seite 112) – deuten übereinstimmend auf eine Erwärmung hin, wenngleich es Unterschiede im Detail gibt. Im vorhergehenden IPCC-Bericht war von einer Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur um 0,6 Grad Celsius (± 0,2 Schwankungsbreite) in der Periode zwischen 1901 und 2000 die Rede. Aufgrund der starken Erwärmung in jüngster Zeit lautet der aktualisierte Wert von 1906 bis 2005 nun 0,74 Grad (± 0,18 Grad Schwankungsbreite).

Zu beachten ist dabei, dass davon allein 0,65 Grad (± 0,15) auf die zweite Hälfte, also die Zeit zwischen 1956 und 2005, entfallen. Der Großteil der Erwärmung im 20. Jahrhundert hat also in den vergangenen fünfzig Jahren stattgefunden.

Das Klima schwankt selbstverständlich weiterhin um die erhöhten Mittelwerte. Entsprechend haben sich die Extreme verändert: Kalte oder frostige Tage und Nächte sind seltener geworden, Hitzewellen dagegen häufiger.

Das Klima wird aber nicht nur durch vertraute Größen wie die Durchschnittswerte von Temperatur, Niederschlag usw. bestimmt. Eine wichtige Rolle spielt auch der Zustand des Ozeans und der Kryosphäre, zu der das Eis auf dem Meer sowie auf Seen und Flüssen, die großen Eisschilde auf Grönland und der Antarktis, Gletscher, Schnee und gefrorener Boden gehören. Die komplizierten Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Teilen des Klimasystems haben einen wesentlichen Einfluss auf den Klimawandel. So strahlt eine geschrumpfte Meereisdecke weniger Sonnenlicht direkt ins All zurück. Außerdem erhöht sich der Wärmefluss zwischen Ozean und Atmosphäre, was wiederum die Bewölkung und den Niederschlag beeinflussen kann.

Viele weitere Beobachtungen stehen mit der beobachteten Erwärmung in Einklang und spiegeln einen Wärmefluss von der Atmosphäre in andere Komponenten des Klimasystems wider. Die Schneebedeckung im Frühjahr, die bei steigenden Frühlingstemperaturen in den nördlichen mittleren Breiten abnimmt, hat sich um das Jahr 1988 abrupt verringert und ist seitdem auf dem niedrigen Niveau von damals geblieben. Dieser Rückgang gibt Anlass zur Sorge; denn die Schneedecke hat in vielen Regionen große Bedeutung für die Bodenfeuchte und die Wasservorräte.

Im Meer zeigen sich deutliche Erwärmungstrends, die sich erwartungsgemäß mit der Tiefe abschwächen. Sie weisen darauf hin, dass der Ozean mehr als achtzig Prozent der zusätzlich ins Klimasystem gepumpten Energie aufgenommen hat. Diese Erwärmung ist der Hauptgrund für den beobachtbaren Anstieg des Meeresspiegels; denn Wasser dehnt sich mit zunehmender Temperatur aus. Hinzu kommt das Schmelzwasser von zurückweichenden Gletschern und sich ausdünnenden Eisschilden.

Dank Satellitenmessungen seit 1993 lässt sich der globale Anstieg des Meeresspiegels inzwischen sehr genau angeben. Demnach betrug er im Zeitraum von 1993 bis 2003 jährlich 3,1 (± 0,7) Millimeter. Die Werte für einige frühere Dekaden liegen allerdings ähnlich hoch. Deshalb sind längere Satellitenbeobachtungen nötig, ehe eindeutig feststeht, ob sich der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt.

Seit 1978 ist auch die Ausdehnung des arktischen Meereises drastisch zurückgegangen: im Jahresmittel um 2,7 (± 0,6) und im Sommer sogar um 7,4 (± 2,4) Prozent pro Jahrzehnt. Desgleichen wurde weltweit ein Rückzug der Gletscher sowie ein Schrumpfen der Eisschilde in Grönland und der Antarktis beobachtet. Parallel dazu haben sich die Permafrostböden erwärmt. Leider sind viele dieser Größen erst neuerdings gut dokumentiert, weshalb die Länge der verschiedenen Messreihen schwankt.

Die hydrologischen Veränderungen stehen ebenfalls im Großen und Ganzen mit der Erwärmung in Einklang. Das stärkste Treibhausgas ist Wasserdampf; anders als bei Kohlendioxid, Methan oder Distickstoffmonoxid hängt seine Konzentration in der Luft im Wesentlichen von der Temperatur ab. Diese Konzentration, also die Luftfeuchte, hat im globalen zeitlichen Mittel spätestens seit den 1980er-Jahren zugenommen.

Auch die Niederschläge sind ungeachtet starker lokaler Schwankungen in mehreren großen Weltregionen ergiebiger geworden – unter anderem im östlichen Nord- und Südamerika, in Nordeuropa sowie in Nord- und Zentralasien. Im Sahelgebiet, im Mittelmeerraum, im südlichen Afrika und in Teilen Südasiens zeigt sich dagegen ein Trend zu mehr Trockenheit.

Der Salzgehalt des Oberflächenwassers im Meer kann als riesiges Messgerät für die Regenmenge dienen. Er hat sich in den mittleren und hohen Breiten generell verringert, in niedrigen Breiten dagegen erhöht. Das stimmt mit den Veränderungen der großräumigen Niederschlagsmuster überein.

Die letzten 50 Jahre waren die wärmsten seit mindestens 1300 Jahren.

Rekonstruktionen des früheren Klimas anhand von Baumringen und anderen Indikatoren zeigen, welche Schwankungen natürlicherweise auftreten. Demnach bewegt sich die globale Mitteltemperatur der vergangenen fünfzig Jahre auf einem Niveau, das die Höchstwerte seit mindestens 1300 Jahren übersteigt. Die wärmste Periode im Zeitraum zwischen 700 und 1950 war vermutlich die Zeit von 950 bis 1100. Damals lag die globale Mitteltemperatur mehrere Zehntelgrade unter der seit 1980 gemessenen.

Nach dem bisher Gesagten gibt es also überwältigende Indizien dafür, dass menschliche Aktivitäten einen positiven Strahlungsantrieb verursacht haben und dass ein Klimawandel stattfindet. Aber hängt beides zusammen? Beruhen die beobachteten Änderungen des Klimas hauptsächlich auf anthropogenen Emissionen, oder sind sie möglicherweise das Resultat anderer Faktoren – etwa eines natürlichen Antriebs oder einfach spontaner Variabilität im Klimasystem?

Der IPCC-Report von 2001 nannte es „wahrscheinlich“ (mit einer Gewissheit von mindestens 66 Prozent), dass die Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts größtenteils dem Menschen zuzuschreiben ist. Der Report von 2007 hat diese Aussage noch deutlich verschärft. Demnach trägt der Mensch nun „sehr wahrscheinlich“ (mit mehr als 90-prozentiger Sicherheit) die Schuld am Klimawandel.

Die zusätzliche Gewissheit speist sich aus mehreren unabhängigen Quellen. Zunächst einmal sind die Messreihen jetzt ungefähr fünf Jahre länger, und die globale Erwärmung in dieser Periode deckt sich weitgehend mit den IPCC-Projektionen eines von Treibhausgasen angetriebenen Temperaturanstiegs, wie sie in früheren Reports seit 1990 standen. Außerdem wurden diesmal Veränderungen in weiteren Teilaspekten des Klimas wie der atmosphärischen Zirkulation und der Meerestemperaturen berücksichtigt. Daraus ergibt sich ein konsistentes und erweitertes Bild der menschlichen Einflussnahme. Die Klimamodelle, die den Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und Erwärmung untersuchen, sind zudem verbessert worden und können das gegenwärtige Klima und jenes der jüngsten Vergangenheit inzwischen ziemlich genau reproduzieren. Und schließlich ist es seit dem letzten IPCC-Bericht gelungen, einige bedeutsame Inkonsistenzen in den Messreihen weitgehend aufzulösen.

Die Klimarechenmodelle liefern ein immer verlässlicheres Bild.

Die wichtigste Unstimmigkeit bestand in einer scheinbaren Diskrepanz zwischen den Temperaturaufzeichnungen am Boden, die eine deutliche Erwärmung in den letzten Jahrzehnten belegten, und den atmosphärischen Messdaten von Ballonen und Satelliten, die fast keine Temperaturerhöhung zeigten. Mehrere neue Analysen der Satelliten- und Ballondaten, die systematische Fehler nachwiesen, haben diese Diskrepanz jetzt beseitigt: Sowohl an der Erdoberfläche als auch in der Atmosphäre fand eine Erwärmung statt.

Der ideale Test auf die Ursache des Temperaturanstiegs wäre ein Experiment, das prüft, wie sich das Erdklima im 20. Jahrhundert bei konstanten (statt zunehmenden) Treibhausgas-Konzentrationen entwickelt hätte. Solch ein Experiment ist natürlich nicht machbar. Deshalb simulieren Wissenschafter die Vergangenheit mit Klimamodellen.

Seit dem IPCC-Bericht von 2001 haben zwei bedeutsame Fortschritte das Vertrauen in die Computermodelle erhöht. Der erste ist die Erstellung eines umfassenden Ensembles von Simulationen für die historische und künftige Entwicklung des Klimas durch weltweit 18 unabhängige Forschergruppen. Der Einsatz so vieler verschiedener Modelle hilft, besser abzuschätzen, wie stark sich Unsicherheiten bei diversen klimarelevanten Faktoren auf die Ergebnisse der Simulationen auswirken.

Einige Prozesse wie atmosphärische und ozeanische Strömungen oder die Ausbreitung von Sonnenlicht und Wärme sind zwar gut verstanden und durch die physikalischen Gleichungen angemessen repräsentiert. Doch etliche besonders kritische Komponenten des Klimasystems wie die Wolken, die Meereswirbel und die Verdunstung durch Pflanzen kennt man sehr viel weniger genau. Sie werden deshalb nur näherungsweise und in vereinfachter Form mittels so genannter Parametrisierungen berücksichtigt. Mit der Entwicklung von Multimodell-Ensembles wollten die Wissenschafter vor allem herausfinden, wie der Mangel an Genauigkeit auf die Vorhersage des Klimawandels und die möglichen Ursachen durchschlägt. So viele Modelle wie im jüngsten IPCC-Bericht gab es noch nie.

Der zweite Fortschritt ist, dass bestimmte Klimaprozesse in den Modellen detaillierter und realistischer dargestellt wurden. Das gilt vor allem für das Verhalten atmosphärischer Aerosole, die Dynamik (Bewegung) des Meereises sowie den Austausch von Wasser und Energie zwischen Land und Atmosphäre. Heute enthalten mehr Modelle als früher die wichtigsten Aerosoltypen und die Wechselwirkungen zwischen Schwebeteilchen und Wolken.

Wenn Wissenschafter mit Klimamodellen die Ursache der globalen Erwärmung erforschen, lassen sie zunächst Simulationen laufen, bei denen nur „natürliche“ Einflüsse wie Veränderungen der Sonnenaktivität und größere Vulkanausbrüche in den vergangenen hundert Jahren berücksichtigt werden. Im nächsten Durchlauf geht dann auch der vom Menschen verursachte Zuwachs an Treibhausgasen und Aerosolen in die Rechnungen ein.

Die Resultate solcher Doppelsimulationen lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Modelle, die ausschließlich natürliche Antriebe berücksichtigen, können die beobachtete globale Erwärmung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht erklären. Das gelingt nur, wenn zusätzlich anthropogene Faktoren berücksichtigt werden. Auch beim Muster der großräumigen Temperaturänderungen stimmen die Ergebnisse der Simulationen mit den Beobachtungen am besten überein, wenn alle Antriebe im Modell enthalten sind.

Zwei Tatsachen überführen den Menschen als Übeltäter. Die erste ist, dass die Temperaturen über dem Land stärker zugenommen haben als über dem Meer und an der Meeresoberfläche stärker als in tieferen Wasserschichten. Beides passt zum Bild einer von Treibhausgasen aufgeheizten Atmosphäre als Verursacher. Das Meer erwärmt sich wegen seiner großen thermischen Trägheit langsamer. Dabei nimmt es eine riesige Menge Wärme auf – was beweist, dass die Energiebilanz des Planeten nicht mehr ausgeglichen ist. Das zweite stark belastende Indiz besteht darin, dass sich die Troposphäre erwärmt, die Stratosphäre darüber jedoch abgekühlt hat. Wären Änderungen der Sonnenintensität der Hauptgrund für die Erwärmung, sollte sie in beiden Atmosphärenschichten gleichermaßen auftreten. Der beobachtete Kontrast entspricht aber genau dem, was zu erwarten ist, wenn durch den gestiegenen Treibhauseffekt mehr Wärme in den unteren Luftschichten verbleibt.

All diese Beobachtungen und Simulationen zusammen liefern nach sorgfältiger Analyse die Basis für die gestiegene Gewissheit, dass der Mensch hinter der globalen Erwärmung steckt. Es gab Theorien, wonach die kosmische Strahlung die Wolkenbildung und damit das Klima beeinflusst. Sie basierten jedoch auf Korrelationen mit begrenzten Messreihen und haben Tests mit zusätzlichen Daten nicht standgehalten. Auch bleiben die physikalischen Mechanismen spekulativ.

Wie sieht es mit kleinskaligeren Mustern aus? Die Ursache des Klimawandels zu bestimmen wird umso schwieriger, je kleiner die betrachteten Regionen und je kürzer die Zeiträume sind. Das liegt daran, dass sich die natürlichen kleinskaligen Temperaturschwankungen weniger „herausmitteln“ und das Klimasignal leichter verwischen können. Trotzdem bedeutet die anhaltende Erwärmung, dass das Signal auch bei kleineren Skalen auftaucht. Laut IPCC-Bericht haben die menschlichen Aktivitäten die Temperatur bis hinab zur Größenordnung einzelner Kontinente deutlich beeinflusst – mit Ausnahme der Antarktis.

Die Wahrscheinlichkeit von extremen Wetterereignissen steigt.

Der menschliche Einfluss zeigt sich auch in Extremereignissen wie Dürreperioden, Überschwemmungen oder Hitzewellen. Das bedeutet natürlich nicht, dass sich einzelne solche Vorkommnisse wie die Rekordhitze im Sommer 2003 in Europa direkt dem vom Menschen gemachten Klimawandel zuschreiben ließen; denn extreme Wetterlagen haben in der Regel vielerlei Ursachen. Es bedeutet aber sehr wohl, dass durch menschliche Aktivitäten die Wahrscheinlichkeit solcher Ausreißer gestiegen ist.

Wie wird sich das Klima im Verlauf des 21. Jahrhunderts verändern? Antwort auf diese Frage suchen Forscher mit Simulationen, denen sie Schätzungen der künftigen Emissionen von Treibhausgasen und Aerosolen zugrunde legen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Klimaänderungen bei gleich bleibendem oder steigendem Ausstoß von Treibhausgasen sehr wahrscheinlich größer ausfallen werden als im 20. Jahrhundert. Selbst wenn wir die Emissionen unverzüglich so stark drosseln würden, dass die Treibhausgas-Konzentrationen auf dem momentanen Niveau verharren, ginge die Erwärmung jahrhundertelang weiter.

Diese Trägheit des Klimasystems resultiert aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Dazu gehören die Wärmekapazität der Weltmeere und die Jahrhunderte, die es dauert, bis durch die ozeanische Zirkulation die Wärme und das Kohlendioxid in die Tiefsee gelangt sind und sich ein neues Gleichgewicht unter den veränderten Bedingungen eingestellt hat.

Präziser gesagt: Den Modellprojektionen zufolge steigt die globale Mitteltemperatur für eine Spanne plausibler Emissionen in den kommenden zwanzig Jahren um durchschnittlich etwa 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Das entspricht annähernd der Erwärmungsrate in den vergangenen dreißig Jahren. Ungefähr die Hälfte dieses Temperaturanstiegs in der nahen Zukunft haben wir bereits fest „gebucht“, weil das Klimasystem mit Verzögerung auf die aktuellen Konzentrationen der Treibhausgase in der Atmosphäre reagiert.

Die Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts hängt dagegen stark von der künftigen Kohlendioxid-Emissionsrate ab. Die Projektionen umfassen eine große Spanne von Szenarien. Sie reicht von sehr raschem bis zu moderatem Wirtschaftswachstum und von höherer zu geringerer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Die überzeugendsten Schätzungen des langfristigen globalen Temperaturanstiegs für die verschiedenen Szenarien bewegen sich zwischen 1,8 und 4,0 Grad Celsius. Die regionalen Auswirkungen werden, wie die Projektionen mit größerer Sicherheit als je zuvor zeigen, denen in den vergangenen fünfzig Jahren gleichen, aber deutlich krasser ausfallen.

Außerdem geht aus den Simulationen hervor, dass die natürlichen Prozesse auf dem Land und in den Ozeanen, durch die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt wird, infolge der Erwärmung des Planeten an Wirksamkeit verlieren. Dadurch verbleibt mehr von dem emittierten Treibhausgas in der Luft, was wiederum den Temperaturanstieg beschleunigt. Diese fatale positive Rückkopplung zeigt sich in allen Klimamodellen. Große Unsicherheit herrscht allerdings noch über ihre Stärke. Sie hängt unter anderem davon ab, wie die Erderwärmung die Kohlenstoffaufnahme der Vegetation und des Bodens verändert.

Den Computermodellen zufolge beeinflusst der Klimawandel auch die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Ozeane. Der Meeresspiegel dürfte bis Ende des Jahrhunderts um etwa 30 bis 40 Zentimeter steigen, wobei der genaue Wert erneut von den Emissionen abhängt. Über sechzig Prozent des Anstiegs beruhen auf der thermischen Ausdehnung des Meerwassers. Doch möglicherweise beschleunigt sich das Abschmelzen der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis – wofür es neuerdings Anzeichen gibt. Der Meeresspiegel könnte sich dadurch um weitere zehn bis zwanzig Zentimeter erhöhen. Selbst ein wesentlich größerer Anstieg wäre möglich. Der erhöhte Gehalt der Atmosphäre an Kohlendioxid beeinflusst schließlich auch die Chemie der Ozeane. Bei vermehrter Aufnahme des Gases versauert das Meerwasser.

Einige wesentliche Unsicherheitsfaktoren bleiben, etwa die Wolkenbildung.

Die Polargebiete werden besonders betroffen sein. Dort steigt die Temperatur gemäß den Projektionen mit am stärksten an. Die Folgen zeigen sich vor allem im Sommer: Der Boden in den Permafrostregionen taut bis in größere Tiefen auf, und das Meereis im Arktischen Ozean schrumpft dramatisch. In niedrigeren Breiten dürften mehr Hitzewellen, intensivere Niederschläge und stärkere Wirbelstürme sowie Taifune auftreten, die dafür aber vielleicht seltener sind.

Einige wesentliche Unsicherheitsfaktoren bleiben. Der wohl bedeutendste betrifft die Wolken. Wie sie auf einen Temperaturanstieg reagieren, hat großen Einfluss auf das Ausmaß der Erwärmung in den Projektionen. Die Komplexität der Wolken bedeutet allerdings, dass ihre Reaktion schwer einzuschätzen ist. Auch hier gibt es noch viel zu forschen.

Wir leben in einer Zeit, in der die Menschheit die Entwicklung der Erde und ihrer Bewohner entscheidend mitbestimmt. Die Kristallkugel, die uns die Klimamodelle für den Blick in die Zukunft bereitstellen, wird für Vorhersagen jenseits des Zeithorizonts von einem Jahrhundert leider immer trüber. Hinzu kommt unsere begrenzte Einsicht in die Reaktion der natürlichen Systeme und der menschlichen Gesellschaft auf die zunehmenden Folgen des Klimawandels. Eines steht jedoch fest: Pflanzen, Tiere und Menschen werden mit den Auswirkungen des Klimawandels mindestens bis zum Ende dieses Jahrtausends leben müssen.

Von William Collins, Robert Colman, James Haywood, Martin R. Manning und Philip Mote

*) Aus: „Spektrum der Wissenschaft“, der deutschen Ausgabe des „Scientific American“, Heft 10/2007, S. 72–81, „Die Wissenschaft hinter dem Klimawandel“. Mit freundlicher Genehmigung der Spektrum der Wissenschaft Verlags-GmbH, Heidelberg.

Weblink: www.spektrum.de/artikel/903043
Weitere Infos: www.spektrum.com/klimawandel