Kommerz statt Nationalismus

Kommerz statt Nationalismus

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Die „Kronen Zeitung“ titelte ebenso kurz wie prägnant „Gold“ und widmete die gesamte Seite eins dem „strahlenden Lächeln der neuen rotweißroten Sportheldin“. „Die Presse“ konstatierte, „Österreich schwelgt im Goldglück“, und selbst das Organ der Republik, die normalerweise durchaus zurückhaltende „Wiener Zeitung“, geriet ins Schwärmen: „Sensationeller Goldfund in Athen“.
Katherine Allen, 34, hatte in Athen den Triathlon-Bewerb der Frauen gewonnen – und in Österreich ob der ihr überreichten Goldmedaille eine Welle des Nationalstolzes ausgelöst. Was angesichts der Tatsache, dass es sich bei Allen um eine gebürtige Australierin handelt, die noch keine zwei Jahre die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, doch ein wenig verblüffend ist.
Katherine Allen ist ohne Zweifel eine Ausnahmeathletin, ihr Wechsel der Nationalität freilich keineswegs ein Ausnahmefall. Die Zahl der Sportler, die im Laufe ihrer Karriere ein oder mehrmals den Reisepass wechseln, nimmt ständig zu. So gewann der gebürtige Nigerianer Francis Obikwelu in Athen für Portugal die Silbermedaille im 100-Meter-Sprint. Die Emirate Katar und Bahrain haben vor den Spielen insgesamt acht kenianische Athleten eingebürgert. Und von den 74 österreichischen Olympiateilnehmern wurden neben Katherine Allen zwölf weitere nicht in Österreich geboren: Tuncay Caliskan, Weixing Chen, Lubos Cikel, Christoph Heiden, Mirna Jukic, Jia Lu, Juliusz Madecki, Bettina Müller, Violetta Oblinger-Peters, Maxim Podoprigora, Christiane Söder, Radovan Valach.

Dass Sportler für ein anderes Land antreten als jenes, in dem sie geboren sind, hat zwar nicht immer, aber sehr oft kommerzielle Ursachen: bessere Trainingsbedingungen, größere finanzielle Unterstützung, günstigere Vermarktungschancen.
Aus der Sicht der Athleten sind solche Wechsel der Staatsangehörigkeit nur allzu verständlich. Wer kann es den Ringern Lubos Cikel und Radovan Valach verdenken, dass sie vor zwei Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Die Republik Österreich beschäftigt die beiden als Zeitsoldaten im Heeressportzentrum und finanziert ihnen derart die Möglichkeit, Hochleistungssport zu betreiben. Bedingungen, die sie in der Slowakei nicht vorgefunden haben.
Und Francis Obikwelu verfügt in Portugal nicht nur über professionellere Trainingsmöglichkeiten als in Nigeria, es ist für ihn dort auch ungleich leichter, über Werbeverträge aus seiner Tätigkeit Profit zu schlagen. (Ähnliches ließe sich übrigens auch über Markus Rogan sagen, der seinen Sport wegen der besseren Trainingsbedingungen das Jahr über in den USA ausübt, bloß die amerikanische Staatsbürgerschaft noch nicht angenommen hat.) Ein Effekt der Globalisierung ist es, dass Sportler heute in erheblich höherem Ausmaß die Möglichkeit haben, dort zu „arbeiten“ und sich dort zu vermarkten, wo sie die besten Bedingungen vorfinden beziehungsweise die höchsten Honorare erzielen.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht kommerziell motivierte Wechsel der Staatsbürgerschaft freilich nicht allzu gerne. „Wir sollten diesen Transfermarkt der Athleten vermeiden“, meinte IOC-Präsident Jacques Rogge vor den Spielen. Sein Interesse gilt in erster Linie dem Erhalt der gegenwärtigen Organisationsstruktur des IOC, das als Dachorganisation nationaler olympischer Komitees fungiert. Und diese nationalen Komitees sind es, die bestimmen, wer für das jeweilige Land teilnehmen darf und wer nicht.

Doch das Konzept homogener Nationalstaaten mit treuen sesshaften Untertanen – eine Fiktion, wie sie 1896, zu Zeiten der Gründung der modernen Olympischen Spiele gerade an Popularität zu gewinnen begann – erscheint zunehmend weniger zeitgemäß. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, die fortschreitende Integration der EU ein Unterfangen, das in die exakte Gegenrichtung weist.
Konsequenter wäre es daher, das Konzept der nationalen Komitees sowie nationalen Olympiamannschaften gänzlich fallen zu lassen und den nächsten Schritt in der Kommerzialisierung der Olympischen Spiele zu tun: eine fixe Anzahl gesponserter Mannschaften mit Athleten aus unterschiedlichen Ländern antreten zu lassen. Für Team McDonald’s würden beispielsweise Sportler aus den USA, Ghana, Deutschland, Kasachstan und vielen anderen Ländern antreten. Für Team Red Bull würden möglicherweise ein paar Österreicher an den Start gehen, aber mehrheitlich wohl Angehörige anderer Nationen.
Dass auch Randsportarten beschickt werden müssen, ließe sich über das Regelwerk festlegen. Und wie sich im Klubfußball zeigt, wo die Aufhebung einer ähnlichen Nationalitätenregel bereits erfolgt ist, tut dies der Popularität der Sportart und der jeweiligen Mannschaften keinerlei Abbruch. Zudem war die Abschaffung des Amateurparagrafen für das IOC und die Olympischen Spiele vermutlich eine stärkere Zäsur, als es der Übergang von nationalen Teams zu Konzernmannschaften wäre.