Krebserregende Stoffe im Donaukanal

Kritik an der Stadt Wien bleibt aufrecht: Donaukanal-Wasser ungenügend gemessen

Stadt Wien will nun mit Gegenprobe kontern

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Die Idee wäre zu schön gewesen: Inmitten der Bundeshauptstadt, direkt am Donaukanal, so der Vorschlag der Wiener Grünen, könnte ein Naherholungsgebiet samt Bademöglichkeit entstehen. Wie profil berichtete (profil 33/08), fand jedoch der Krebsforscher Siegfried Knasmüller in den Jahren 1999 und 2000 im Wasser des Donaukanals gesundheitsgefährdende Stoffe. Vor allem so genannte heterozyklische aromatische Amine (HAAs) wies der Forscher nach – diese Stoffe entstehen durch starkes Erhitzen von Fleisch, Fleischkomponenten als auch Fisch und sind krebserregend.
Um die Ergebnisse abzusichern und gegebenenfalls weitere Forschungen über gesundheitliche Auswirkungen anzustellen, wandte sich Knasmüller im Mai 2007 in einem Brief an den Wiener Bürgermeister Michael Häupl. Die Stadt habe jedoch erst nach einem weiteren Schreiben samt telefonischer Nachfrage reagiert, so Knasmüller.

Auftrag entzogen. In der Folge gingen die Wogen vergangene Woche hoch, der profil-Artikel fand Eingang in Presse- und TV-Berichterstattung, und die Gemeinde Wien empörte sich über ihrer Meinung nach unbegründete Vorwürfe des Wissenschafters. „Dass die Schreiben Professor Knasmüllers an die Stadt unbeantwortet blieben, ist schlicht falsch“, wehrt sich Umweltstadträtin Ulli Sima. In einem Brief habe die zuständige Magistratsabteilung 45 bereits Anfang Juli 2007 geantwortet. Darin heißt es unter anderem: „Wir würden Sie ersuchen, uns diese Publikationen zur näheren Information zukommen zu lassen. Die MA 45 wird sich sodann erlauben, Sie zur Konkretisierung Ihrer Vorstellungen hinsichtlich eines weiteren Forschungsauftrags im Rahmen einer Dissertation einzuladen.“ Karl Wögerer, Sprecher der Umweltstadträtin, hatte indes bereits vor einer Woche gegenüber profil behauptet, dass es dem Krebsforscher nur um Fördergelder für einen Forschungsauftrag ging. Von einer Antwort der MA 45 wusste er zu diesem Zeitpunkt allerdings nichts. Knasmüller soll gedroht haben, sich an die Medien zu wenden, sollte er die Mittel nicht bekommen. Weiters stünde auch noch die Frage im Raum, warum er sieben Jahre gewartet hat, ehe er sich an die Stadt Wien gewandt hat. profil gegenüber hatte Knasmüller erklärt, dass er den Auftrag nur unter der Bedingung erhalten hätte, die Ergebnisse nicht zu publizieren. Er habe jedoch darauf hingewiesen, dass wissenschaftliche Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden dürfen. Außerdem würde die Universität derlei „Knebelungsverträge“ nicht dulden. Knasmüller, der als international anerkannter Wissenschafter die Arbeitsgruppe Umwelttoxikologie des Instituts für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien leitet, befindet sich zurzeit im Ausland und kann für weitere Stellungnahmen nicht erreicht werden. Wögerer erklärt, die MA 45 hätte nach den Auseinandersetzungen mit Knasmüller lieber eine Firma „ihres Vertrauens“ mit weiteren Analysen betraut. Ende Mai diesen Jahres zog die Firma des emeritierten TU-Chemikers Werner Wruss, die EWS Consulting Wruss ZT GmbH, erneut Proben aus dem Donaukanal. Laut Wögerer waren diese Proben auf heterozyklische Amine negativ. Endgültige Ergebnisse könnten jedoch erst im Herbst präsentiert werden.

Unzureichende Methode. Ein Vorab-Analysebericht der neuen Wasserproben sei der Umweltstadträtin übermittelt worden. Darin heißt es zur Auswertung der heterozyklischen Amine: „Keine der untersuchten Wasserproben lieferte (…) einen Befund oberhalb der Bestimmungsgrenze der Methode.“ Laut Tamara Grummt, Expertin des deutschen Umweltbundesamts, handelt es sich bei der dabei angewandten Messmethode um ein so genanntes chemisch-analytisches Verfahren: „Was sie mit dieser Methode suchen, finden sie bestimmt. Jedoch kann bei dieser Methodik nur ein Teil des Spektrums an nachweisbaren Stoffen nachgewiesen werden.“ Damit könnten nicht alle Arten von heterozyklischen Aminen oder anderen krebserregenden Stoffen erfasst werden. Knasmüller hat seine Ergebnisse daher mit einer anderen, biologischen Methode ermittelt. Er benutzte das Verfahren „Blue cotton“ oder „Blue rayon“ des Japaners Hikoya Hayatsu. Dabei wird blaue Watte mit biologischem Testmaterial in die zu untersuchende Wasserstelle eingetaucht. Schädliche Substanzen, die eventuell in dem Gewässer vorkommen, reichern sich darin an. Insgesamt verwendete Knasmüller sogar drei international anerkannte Verfahren – und erzielte mit allen ein positives Ergebnis, was für ihn eine seltene Überraschung darstellte. Bei solchen Biotests wird nicht nach speziellen Stoffen gesucht, sondern die Gesamtwirkung der chemisch-analytischen Bandbreite ermittelt. Der Test kann somit zwar eine positive Wirkung von krebserregenden Substanzen anzeigen – welche konkret das sind, kann aber nicht ermittelt werden. „Idealerweise sollte eine Wasserprobe mit beiden Messmethoden analysiert werden. Im besten Fall sind die Ergebnisse deckungsgleich, was aber häufig nicht passiert“, kritisiert Grummt die Vorgangsweise der Stadt Wien.

Heftige Kritik. Eine Erklärung von EWS Consulting über die Analysemethoden, die bei den neuen Wasserproben aus dem Donaukanal angewandt wurden, ist ausständig. Auch auf die Bitte des Auftraggebers hin, mit Medien zu sprechen, wollte Werner Wruss keine Stellungnahme abgeben. „Und wir können ihn schließlich nicht dazu zwingen“, bedauert Wögerer. Mittlerweile hat die Wiener Stadtpolitik das Thema für sich entdeckt. Der ­Umweltsprecher der ÖVP Wien, Roman Stiftner, spricht von einem „Skandal der Sonderklasse“ und wirft der SPÖ-Stadtregierung mangelnde Transparenz vor. Außerdem würde hier fahrlässig gehandelt, so hätte beispielsweise ein Badeverbot über den Kanal verhängt werden sollen. Ähnliche Vorwürfe hagelt es seitens der FPÖ. „Wir verlangen ein unabhängiges Gutachten“, so Umweltsprecherin Veronika Matiasek. Die Grünen fordern ebenfalls eine Offenlegung, auch aller Proben der letzten zehn Jahre. „Wir müssen auch versuchen zu ermitteln, wer hier Abwässer in den Donaukanal einleitet“, meint Umweltsprecher Rüdiger Maresch. Die Grünen wollen nun gemeinsam mit der ÖVP einen außerordentlichen Umweltausschuss einberufen.

Zu Wort meldete sich auch die Umweltschutzorganisation Global 2000. Sie hätte bereits vor einem Jahr Bodenproben aus dem Grund eines ehemaligen Giftmülllagers in Simmering gezogen und Schwermetallbelastungen festgestellt. Die Stadt Wien beauftragte bereits damals EWS Consulting, neue Proben zu nehmen. Ergebnis: Es läge keine gesundheitliche Gefährdung für Mensch und Tier vor. „Wir haben jedoch später erfahren, dass die Proben nicht direkt, sondern aus benachbartem Gebiet gezogen wurden“, erklärt Helmut Burtscher, Chemiker von Global 2000.

Von Tina Goebel