Kulturministerin Claudia Schmied im Interview: "Bedarf von 80 Millionen Euro"
Interview: Peter Schneeberger
profil: Michael Hanekes neuer Film Das weiße Band hat in Cannes die Goldene Palme erhalten. Ein österreichischer Erfolg?
Schmied: Ja. Ich war vergangene Woche in Cannes, und es war eine Freude zu erleben, mit welchem Selbstvertrauen Österreichs Filmemacher dort auftreten. Was sich in der österreichischen Filmszene in den vergangenen Jahren getan hat, ist unglaublich.
profil: Das Geld für Hanekes Film stammt zum Großteil aus Deutschland, seine früheren Arbeiten waren überwiegend französische Produktionen.
Schmied: Haneke ist ein Synonym für Österreichs Filmschaffende, und deshalb strahlt sein Erfolg auf die gesamte heimische Filmwirtschaft aus.
profil: Steht er synonym nicht auch dafür, hierzulande zwar verehrt, aber nicht finanziert zu werden?
Schmied: Er wird auch von Österreich finanziert, wenngleich in einer anderen Dimension. Die meisten Filme sind internationale Koproduktionen, alles andere entspräche nicht unserer Zeit. Wir leben in einer globalisierten Welt. Die Etikettierung durch das Heimatland Österreich wäre mir zu eng.
profil: Obwohl Filmförderung seit Jahren ein kulturpolitischer Schwerpunkt ist, klagt das österreichische Filminstitut darüber, dass seine Subvention mit 15,5 Millionen Euro viel zu niedrig sei.
Schmied: Es ist die Frage, woher man kommt und wohin man sich bewegt. Als ich begonnen habe, hatte das Filminstitut ein Budget von 9,8 Millionen Euro, nächstes Jahr werden wir 16,5 Millionen erreichen. Das ist fast eine Verdoppelung.
profil: Die Wiener Staatsoper erhält jährlich 51,5 Millionen Euro Subvention. Stimmen hier die Relationen?
Schmied: Das ist nun einmal so. Was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist die Haltung des ORF, der das Film-Fernseh-Abkommen infrage stellt. Es ist essenziell, dass dieses Abkommen, das der Kinobranche jährlich 5,9 Millionen Euro bringt, gesetzlich verankert wird. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dies auch geschehen wird.
profil: Die finanziellen Probleme des ORF wirken sich auch auf das Radio Symphonie Orchester aus: Es soll ausgelagert werden, Kritiker befürchten die Auflösung des Orchesters. Kann der Staat die Finanzierung des RSO übernehmen?
Schmied: Ich hätte für eine Finanzierung des RSO keinen finanziellen Spielraum, denn ein Orchesterbetrieb in einer derartigen Dimension erforderte jährlich zehn Millionen Euro Subvention. Wir brauchen entweder eine Finanzierung aus dem ORF oder eine entsprechende Aufstockung des Kulturbudgets.
profil: Budgeterhöhungen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt immer durchgesetzt. An inhaltlichen Diskussionen aber nehmen Sie kaum je teil. Warum haben Sie zu den Angriffen des BZÖ auf das Kabarettduo Stermann/Grissemann ebenso geschwiegen wie zu den Attacken des Boulevard gegen den Theatermacher Hubsi Kramar?
Schmied: Als Kulturministerin sehe ich mich in erster Linie als Politikerin, die sich um Rahmenbedingungen kümmert. Ich nehme nicht für mich in Anspruch, alles und jedes kommentieren zu müssen.
profil: Kulturpolitiker wie Rudolf Scholten oder Ursula Pasterk haben Künstler wie Elfriede Jelinek oder Hermann Nitsch immer gegen die FPÖ verteidigt.
Schmied: Ich habe einen anderen Zugang und ein anderes Politikverständnis. In den zweieinhalb Jahren, die ich im Amt bin, habe ich noch keine Situation wahrgenommen, wo ich quasi als Schutzmutter der Künstler hätte eingreifen müssen. Wenn ich die Freiheit der Kunst fundamental infrage gestellt sehe, melde ich mich zu Wort.
profil: Sie waren in den vergangenen Monaten überwiegend mit Bildungspolitik beschäftigt. War die Zusammenlegung der Kultur- und Bildungsagenden für die Kultur von Nachteil?
Schmied: Es war kein Fehler, die beiden Ressorts zusammenzulegen, weil sich Bildung und Kultur sehr gut ergänzen. Indem wir etwa Künstler einladen, in Schulen aufzutreten, profitieren beide Bereiche davon. Außerdem ist es für die verantwortliche Ministerin gut, wenn sie abwechselnde Themen und Gesprächspartner hat, weil ich so persönlich flexibel bleibe.
profil: Die Hoffnung der Kulturszene bestand darin, dass Sie wie einst Minister Scholten Gelder aus dem Bildungs- in den Kulturbereich umschichten würden.
Schmied: Kunstvermittlung ist mein zentrales Anliegen. Wenn Künstler an Schulen auftreten, gibt es dafür natürlich Honorare. Ansonsten gibt es wenig Spielraum. Das Bildungsbudget besteht zu 90 Prozent aus Personalkosten und ist eher knapp bemessen, wie die Diskussionen der vergangenen Monate gezeigt haben.
profil: Die Salzburger Festspiele haben einen neuen Intendanten: Warum haben Sie sich für Alexander Pereira und nicht für einen jüngeren Kandidaten wie etwa Markus Hinterhäuser entschieden?
Schmied: Es war die Entscheidung des Kuratoriums, aber ich verhehle nicht, dass ich über die Entscheidung sehr erfreut bin. Pereira war auch mein Favorit.
profil: Die Reaktionen der Medien auf die Wahl Pereiras fielen verhalten aus. Mit Pereira werde es in Salzburg wieder konservativer, urteilte etwa die Süddeutsche Zeitung.
Schmied: Die Salzburger Festspiele sind kein Avantgardefestival und müssen dies auch nicht sein, denn ohne Tradition kann es keine Innovation geben. Ich halte Pereira für den richtigen Mann zum richtigen Zeitpunkt. Er ist ein erfahrener Musikmanager, der auch erfolgreich im Umgang mit Sponsoren ist, was angesichts der angespannten Budgetsituation wichtig ist.
profil: Unter Intendant Gerard Mortier haben die Festspiele viele Innovationen gesetzt.
Schmied: Jemand wie Mortier war für Salzburg nahezu einmalig. Er besitzt unglaublich viel Ausstrahlungskraft. Aber auch Pereira hat als Intendant der Zürcher Oper gezeigt, dass er Interesse an modernem Regietheater hat.
profil: Das Antikorruptionsgesetz setzt den Salzburger Festspielen in Sponsoringfragen arg zu: Der heurige Kartenverkauf läuft schlechter als gewohnt. Warum novelliert die Regierung das viel gescholtene Gesetz nicht?
Schmied: Das Gesetz ist in Reparatur, es gibt diverse Arbeitsgruppen unter Führung der Justizministerin, und ich bin sicher, dass es den entsprechenden Beschluss noch vor dem Sommer geben wird.
profil: Ein leeres Versprechen blieb bislang auch die steuerliche Absetzbarkeit von Kultursponsoring.
Schmied: Das Thema kenne ich seit 1997, als ich im Finanzministerium gearbeitet habe. Man hat bei der Debatte rund um die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden für mildtätige Organisationen gesehen, wie sensibel das Thema ist, denn es stellt sich sofort die Frage, wo man Grenzen ziehen soll. Wenn man Kultursponsoring absetzbar machte, müsste man auch andere Bereiche steuerlich begünstigen. Ich nehme an, dass der Finanzminister genau diese Debatte vermeiden will.
profil: Sie hoffen laut eigenen Aussagen auf zusätzliche Mittel aus dem Konjunkturpaket. ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka meint, die Mittel seien bereits vergeben.
Schmied: Es ist schade, wenn Herr Lopatka dies so sagt, wo doch im Regierungsübereinkommen vereinbart ist, dass Kulturinvestitionen gesondert behandelt werden. Wir sprechen konkret von der Wiedereröffnung der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums, einem Tiefenspeicher für die Nationalbibliothek und baulichen Sanierungen für die Bundestheater. Ich habe den Finanzminister über einen Bedarf von über 80 Millionen Euro in Kenntnis gesetzt und warte jetzt auf eine Reaktion.
profil: Die Ankaufsbudgets der Museen schrumpfen ständig. Die Direktoren können kaum noch neue Werke ankaufen: Besteht unsere Zukunft nur aus unserer Vergangenheit?
Schmied: Wir haben das Budget der Bundesmuseen soeben um 8,5 Millionen Euro erhöht. Mit dieser Summe kann man natürlich keine Wunder vollbringen, aber doch in den Kauf neuer Kunst investieren. Dennoch steht außer Zweifel, dass die Kooperation zwischen privaten Sammlern und Museen in Zukunft von großer Bedeutung sein wird. Wichtig ist mir, dass mit den zusätzlichen Budgetmitteln der freie Museumseintritt für unter 19-Jährige finanziert wird.
profil: Die meisten Museumsdirektoren haben sich stets gegen diese Maßnahme ausgesprochen.
Schmied: Wenn der Bund als Eigentümer den freien Eintritt für Kinder und Jugendliche will und diesen auch finanziert, dann erwarte ich, dass die Maßnahme von den Direktoren auch umgesetzt wird. Es wird den freien Eintritt ab Jänner 2010 geben.
profil: Wurde die Subvention des Leopold-Museums deshalb nicht erhöht, weil die Stiftung sich weigert, NS-Raubkunst zu restituieren?
Schmied: Nein, dies ist keine Sanktionsmaßnahme. Das Museum muss einfach mit den bisherigen Mitteln sein Auslangen finden. Was die Restitution von NS-Raubkunst anbelangt, war es sicher wichtig, in einem ersten Schritt eine unabhängige Forschung einzurichten, welche die Bestände der Stiftung Leopold durchforstet. Wenn die Ergebnisse vorliegen, wird man sehen, was passiert.
profil: Dass es sich etwa bei Schieles Häuser am Meer um NS-Raubgut handelt, hat selbst Direktor Rudolf Leopold eingestanden, als er den Erben 6,5 Millionen Euro für das Bild angeboten hat. Zurückgeben will er es dennoch nicht.
Schmied: Ich glaube, dass der öffentliche Druck auf die Stiftung enorm zunehmen wird, wenn die Forschungskommission hieb- und stichfeste Ergebnisse vorgelegt haben wird. Der Aufsichtsrat der Stiftung wird handeln müssen.