Kulturpolitik

Kulturpolitik: Kein Bock auf Bier

Moraks Diagonale-Debakel

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In gemütlichem Rahmen“, so verkündete die Homepage der Diagonale 04 noch Tage nach der endgültigen Absage des Festivals, habe man Mitte Oktober mit einer „House Warming Party“ das neue Wiener Diagonale-Büro eröffnet. Inmitten der illustren Gästeschar, stand da zu lesen, seien „u. a. Staatssekretär Franz Morak, Mag. Dr. Johannes Hörhan, Andreas Kamm und Herwig Ursin“ gesehen worden, „die mit Bockbier und Rotkäppchensekt auf den Erfolg der Diagonale 04 anstießen“. Man musste nicht wissen, dass die neben Morak genannten Herren der Bundeskanzleramtsleiter, der Prokurist der Produktionsfirma MR Film sowie der Schriftführer im Vorstand der neuen Diagonale waren, um zu ahnen, dass hier doch ein wenig höher gestapelt wurde, als es die Umstände der Feier eigentlich zuließen.

Neun Wochen später kann von Gemütlichkeit keine Rede mehr sein; dafür sind andere inzwischen heiß gelaufen: Die Initiatoren der „originalen Diagonale“ haben Freitagabend vergangener Woche zur „House Heating Party“ in ihr Wiener Büro geladen, wo man zwei Dinge feierte: den gegen ÖVP und FPÖ gefassten Beschluss der Stadt Graz, die zwischen 3. und 7. März 2004 stattfindende Gegenveranstaltung zu Moraks Festival finanziell voll zu unterstützen – und den Rücktritt der beiden vom Kunststaatssekretär im Mai 2003 eingesetzten Diagonale-Intendanten Miroljub Vuckovic und Tillmann Fuchs.

Auf eigene Faust. Moraks Plan, das (politisch missliebige) Austrofilmfestival auf eigene Faust und gegen den Willen der Filmbranche neu zu positionieren, ist damit endgültig gescheitert. Mittwoch früh vergangener Woche, exakt zeitgleich mit der Meldung vom Rückzug seiner Intendanten, verkündete Morak daher in einer übereilt angesetzten Pressekonferenz eine weitere filmpolitische Entscheidung, die über das Debakel Diagonale hinwegtäuschen sollte: Man habe einen neuen Direktor für die zentrale heimische Filmförderungsinstitution, fürs Österreichische Filminstitut (ÖFI), gefunden: den aus der Wirtschaftskammer geholten 33-jährigen Juristen Roland Teichmann, einen in Filmbelangen zwar noch weit gehend unerfahrenen Mann, der aber in ersten Diskussionen mit Vertretern der Kinoszene bereits deren Vertrauen gewinnen konnte. Keine unwesentliche Rolle hat dabei wohl auch die versprochene, viel zu späte Berufung zweier Filmschaffender ins Kuratorium des ÖFI gespielt.

Dennoch: Das bloße Ausbleiben der erwarteten Unruhe anlässlich der ÖFI-Neubesetzung kann die filmpolitische Niederlage Moraks weder ausblenden noch überdecken. Das frühe Ende jener Diagonale, die Morak erst im Frühling dekretiert und hoch subventiert hatte, stellt ein kulturpolitisches Novum dar: den Triumph einer solidarischen Künstlerszene über die verordnete Staatskultur. Was mit dem durch die Absage der Diagonale nun frei werdenden Geld geschehen wird, ist allerdings ebenso unklar wie die Frage, wie viel die nunmehr abgesagte Diagonale 2004 bisher gekostet hat.

„Noch keine Gedanken“. Die beiden zurückgetretenen Intendanten halten sich dabei auffallend bedeckt: Über Geld rede er sicher nicht, das habe er immer so gehalten, winkt Vuckovic auf profil-Anfrage ab. Auch Fuchs, der als Geschäftsführer wenigstens vage Auskünfte zu den bisher angefallenen Kosten geben können müsste, meint nur: „Das kann ich gegenwärtig nicht beantworten. Ich muss erst noch die Nachverhandlungen abschließen.“ Nicht einmal das eigene Abstandshonorar scheint spruchreif: Dazu habe er sich „noch keine Gedanken gemacht“.

Die Hintergründe seines Rücktritts kommentiert Fuchs so: Es habe drei Varianten gegeben, mit der Diagonale in Zeiten des Boykotts umzugehen. „Wir hätten erstens das Festival wie geplant durchziehen können, dann wäre es etwas TV-lastiger geworden, wobei wir etwa 25 große Filme präsentieren hätten können. Die zweite Lösung wäre der Umbau der Diagonale auf eine Art Messe, einen Filmmarkt mit Projektbörse gewesen. Wir haben uns aber, obwohl Morak auch der zweiten Lösung einiges abgewinnen konnte, für die dritte Variante entschieden: die Diagonale auszusetzen und 2005 neu aufzunehmen – wobei Miroljub und ich das aber nicht aussitzen wollten, um lieber anderweitig beruflich weiterzukommen.“

Allerdings sehe auch er, so Fuchs weiter, „was nun passiert ist, in gewisser Weise als unvermeidlich“. Eines sei ihm klar geworden: „Wir haben mit der Arbeit an der Diagonale stets nur das Symptom behandelt, nie die Krankheit selbst.“