Kunst & Markt

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„Blendwerk oder Momentaufnahme“
Die „Times“ über William Turners Aquarelle

Diese Kolumne hat zum Ziel, ein paar Lichter auf das Wichtigste zu werfen, „das wir vor dem Tod zu erwarten haben“ (Literatur-Nobelpreisträger Joseph Brodsky). Es geht um die bildende Kunst und ein paar Herrschaften, die sich darum bemühen. Wenn unsere Kunstliebe ein Maßstab der Evolution ist, sind wir weder gut noch schlecht drauf. Wir halten bei einem faden Mittelwert. Die Aussichten sind freilich nicht übel. Die neue Vollrechtsfähigkeit (ein Freibrief, Gewinne in Eigenregie zu investieren) belebt unsere Museen, die vom Bestand her zum guten Teil Weltklasse sind. Sie zeigen erste Segnungen des Wettbewerbs. Als amoralischer Charakter jauchzte ich über die sinnvolle, unbürokratische Ausfuhr des Dürer-Hasen durch Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder. Als gesetzestreuer Kolumnist bin ich tief entsetzt.

Insgesamt bin ich eher mit dem Angebot als der Inlandsnachfrage zufrieden. Österreichs Kulturmanager bieten speziell in Wien, Linz, Graz und Salzburg mehr, als die Bürger konsumieren. Das ist kein Grund für Hysterie. Jede Kulturstadt kennt das Phänomen der wissenden Touristen und ahnungslosen Einheimischen. Ich lernte Leute in Rio kennen, die nie in Oscar Niemeyers Brasilia waren, und brave Bürger in Barcelona, die jeden Gaudí-Bau umgingen, um nicht zu erbrechen. Ich finde es kindisch, wenn erregte Bildungsbürger seltsame Vergleiche anstellen. Beispielsweise: Wie viel besser Italien zu Anfang des 16. Jahrhunderts war! Halten zu Gnaden: Die Kunst dieser Zeit war das Programm einer dünnen Oberschicht. Sie war für die Gesellschaft im Ganzen so wichtig wie der Lack für das Auto.

Die Hochrenaissance war natürlich nicht übel. Man konnte sich schon entzünden: die Mona Lisa von Leonardo da Vinci (1505, heute Louvre, Paris), die Decke der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo (1510, Rom, Vatikan), die Schule von Athen von Raffael (1510, Rom, Vatikan). Anderseits hatte diese Zeit ihre Schatten. Das von heutigen Künstlern mit Recht beklagte „Bestseller-Prinzip“ beziehungsweise Pareto’sche Gesetz (die oberen 20 Prozent der Künstler kriegen 80 Prozent der Aufträge) wurde damals erfunden. Rare Mäzene wie die Medici, Sforza und Päpste warfen sich auf angesagte Künstler wie Leonardo, Raffael, Michelangelo. Doch selbst die Auserwählten wurden nicht glücklich. Sie waren überlastet. Sie waren durch Hoffart und kirchliche Zahlungsmoral demotiviert. Davon zeugen die in Spiegelschrift verfassten Tagebücher von Leonardo. Auch die privaten Briefe Michelangelos sind keine Frohbotschaften. Sie handeln von körperlichen Schmerzen, dummen Verwandten und geizigen Päpsten. Michelangelos wichtigstes Wort war weder Schönheit noch Wahrheit. Es hieß Scudo, der Euro seiner Tage.
Fast alle modernen Maler, auch Picasso mit Daniel-Henry Kahnweiler, profitierten von Profi-Galeristen, die manchmal kultischer waren als sie selbst. Wer als US-Moderner den Galeristen Leo Castelli in New York gewann, hatte gewonnen. Castelli-Künstler waren den geldorientierten Sammlern eine Garantie auf hohe Verzinsung. Erstens spürte Castelli nach 100.000 Bildern, die er gründlich gesehen hatte, welche stark und schwach waren. Zweitens hatte er Abonnenten, die blindlings aus seinem Lager kauften. Drittens fraßen ihm die Kunst-Journalisten aus der Hand. Sie schrieben gerne süße Home-Stories der Castelli-Maler, die speziell in den USA den Wert der Bilder erhöhten. Ein europäisches Beispiel erlebte ich durch freundschaftliche Nachbarschaft. Als Karl Korab einen Vertrag mit dem Genfer Galeristen Jan Krugier ergatterte, war er glücklich. Sein Einkommen war gesichert. Nach wenigen Jahren engte ihn die vertragliche Bindung ein, auch wenn sie keine Sklaverei wie in der italienischen Renaissance war. Korab ist heute so wie Alfred Hrdlicka, Hans Staudacher, Christian Ludwig Attersee & Co lieber mit maßvollen Galeristen wie Ernst Hilger verbunden, die wissen, dass ihre Schützlinge auch Freiheit brauchen.

Von den Medien als liebevolle Kunstbegleiter zu sprechen wäre lächerlich, auch wenn es rühmliche Ausnahmen gibt. In der Regel unterstützten sie das Bestseller-Prinzip. Erfolgreiche werden umgarnt, Liegende werden tapfer zertreten. Unbekannte werden verschwiegen. So vermeidet man das Risiko, einen Neuling falsch einzuschätzen.

Wiener Kunsthändler haben, um die Berichterstattung ad bildender Kunst zu beleben, höflich reagiert. Die IG Galerien schufen den „Kunstmediator des Jahres“, das Wiener Landesgremium des Kunsthandels den jährlichen OscART. Diese frischen Bemühungen um Marketing und Public Relations sehen renommierte Galeristen am Werk, etwa Hubert Thurnhofer, Georg Haslinger, Martin Suppan und Ernst Hilger, der die Laudatio zum OscART 2004 hielt.

Hilger ist eine Art Benchmark der Branche. Er leitete sie als Erster ein Jahrzehnt lang als Präsident. Er gilt als polyglottes Wunderkind, das schon als Student mit Kunst handelte und früh an erschwingliche Grafik-Editionen glaubte, die ihm für limitierte Serien zusätzliche Schützlinge wie Friedensreich Hundertwasser, Adolf Frohner und Arnulf Rainer eintrugen. Hilger war gerade noch jung genug, auch die digitale Kurve zu nehmen. Gemeinsam mit Siemens (Idee: Hochleitner, Design: Baumgartner) und „trend“ hob er als Kurator das Art-Lab (www.artlab.at) ans Licht, das ausschließlich jungen MalerInnen dienen sollte. Das Art-Lab wurde nicht nur eine der schönsten Success-Storys der Kunst im Internet. Es wurde auch der erste Digitalerfolg mit Rückwärtssalto ins analoge Leben. Die Website gibt es längst auch körperlich, als Designerlokal in der Dorotheergasse 12, Wien 1.