Kunstmarkt: Wer bietet mehr?

Kunst: Wer bietet mehr?

Auch in Rezessions-Zeiten boomt der Handel

Drucken

Schriftgröße

Es geschah vor ziemlich genau 31 Jahren. Am 18. Oktober 1973 versteigerte das Auktionshaus Sotheby’s Teile der Sammlung von Robert Scull, einem New Yorker Taxiunternehmer. Das Auffallende daran: Es handelte sich ausschließlich um zeitgenössische Kunst. Das Unvorhersehbare: Die Arbeiten erzielten sagenhafte Preise. Zwei Arbeiten von Robert Rauschenberg, die der private Sammler einige Jahre zuvor um 3400 Dollar erworben hatte, wurden um 175.000 Dollar verkauft.

Die Aussicht auf derartige Renditen änderte die Strategien der Versteigerungsfachleute schlagartig; sie nahmen verstärkt zeitgenössische Kunst unter den Hammer. Auf einem weit gehend unberechenbaren Markt, wo für einige Quadratzentimeter Leinwand oder Kubikdezimeter Plastik unvorstellbare Summen bezahlt werden, waren Galerien plötzlich nicht mehr die alleinige (preis)treibende Kraft.

Dennoch herrscht bis heute strikte Aufgabentrennung. Während die Galerien mit dem Primärmarkt das langfristige Aufbauen der Künstler übernehmen, sind die Auktionshäuser für den Sekundärmarkt zuständig: Vor allem Etabliertes wird versteigert – ein gewisser Marktwert muss bereits erreicht sein. Die Kunstwerke, die hier angeboten werden, stammen meist aus Privatsammlungen – Zyniker behaupten, dass dabei meist eines der „three d’s – death, divorce or debt“ (Tod, Scheidung oder Schulden) im Spiel ist.

Das Verhältnis zwischen Galerien und Auktionshäusern gestaltet sich daher ambivalent: Während die Galerien daran interessiert sind, dass die Kunden ihre Sammlungen „zusammenhalten“ und mit Kunst aus dem Galerieprogramm erweitern, versuchen die Auktionshäuser, dieselben Kunden zum Verkauf viel versprechender Werke zu bewegen.

Auktionspreise beeinflussen den Markt nicht unwesentlich – auch, weil man in Auktionshäusern auf das Schätzen von Kunstwerken spezialisiert ist. Nirgendwo werden Preise so offen verhandelt wie in Auktionshäusern, die Rufpreise und Resultate auch auf ihren Homepages publizieren. Im Gegensatz dazu reichen Galeristen ihre Preislisten bisweilen eher verschämt, erst auf Anfrage, über den Tresen, telefonisch gibt man nicht immer Auskunft – und auf Kunstmessen lässt sich der Durchschnittsgalerist lieber wiederholt nach seinen Preisen fragen, als sie gleich anzuschreiben. „In den Galerien gibt es eine bestimmte Hemmschwelle, die bei uns einfach nicht vorhanden ist“, meint Otto Hans Ressler, Geschäftsführer der Wiener Kunst Auktionen.

Den Erfolg der Kunstmessen in den vergangenen Jahren – so konnten die Galerien etwa auf der vor zwei Wochen abgehaltenen Londoner Frieze Art Fair unerwartet hohe Umsätze verbuchen – hat das Auktionsgeschäft für zeitgenössische Kunst kaum beschädigt: „Der Markt ist groß genug, ich betrachte das eher als eine Erweiterung“, argumentiert Ressler nach dem „Konkurrenz belebt“-Muster.

Galerienverdrängung. Nicht ganz so friktionsfrei sieht Gérard Goodrow – derzeit Direktor der soeben gestarteten Art Cologne (für die ein Gesamtumsatz von 50 bis 60 Millionen Euro erwartet wird) – das Verhältnis zwischen Auktionshäusern und Galerien. Damals noch Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst bei Christie’s, merkte Goodrow 2001 in einem Interview an: „Wenn wir junge Kunst verkaufen – das heißt Kunstwerke, die nicht älter als zwei Jahre sind, was eigentlich im Bereich der Galerien liegt – und wenn wir diese Sachen erfolgreich verkaufen, dann bekommen wir immer mehr davon. Das ist schon gefährlich in dem Sinn, dass wir die Galerien aus ihrem Gebiet drängen.“

Auch wenn die Auktionsergebnisse angeblich den Markt regulieren, können Galerien immense Preissteigerungen oft schwer an ihre treuen Sammler weitergeben – allerdings lässt, wie man munkelt, der eine oder andere Galerist schon mal in Auktionen mitbieten, um die Preise der bei ihm vertretenen Künstler in die Höhe zu treiben.

Natürlich gebe es Fälle, erzählt Ressler, in denen Galerien die bei Auktionen erzielten hohen Beträge „als Rechtfertigung benutzen“. Dies funktioniere aber nur, wenn der Markt tatsächlich „darauf anspringt“. Ähnlich sieht das Kerstin Wahala, Geschäftsführerin der Galerie Eigen + Art mit Sitz in Berlin und Leipzig: „Sich an Auktionspreisen zu orientieren wäre kurzlebig.“ Die Galerie konnte auf der Frieze Art Fair in London Mitte Oktober ein Bild ihres Goldjungen Neo Rauch um 180.000 Euro verkaufen – voriges Jahr übertraf eine seiner Arbeiten in einer Auktion des Hauses Phillips, de Pury & Luxembourg in New York mit 170.000 Dollar den Schätzwert bei weitem. Dennoch würde Wahala die großen Auktionshäuser nicht als Konkurrenz betrachten – zumal sich gerade bei Rauch, wie bei anderen am Markt sehr erfolgreichen Künstlern auch, potenzielle Käufer auf Wartelisten setzen lassen müssen. Außerdem, so Wahala, seien Vermittlungs- und Aufbauarbeit noch immer die zentralen Aufgaben der Galeriearbeit: So sei man etwa mit Rauch „gemeinsam erwachsen geworden“.

Der intensiven Betreuung von Sammlern können die Auktionshäuser wenig entgegensetzen. Dass ein willkürliches Programm eine Auktion nicht unbedingt zum Renner macht, erkannte auch Goodrow. „Man muss den Eindruck erwecken, dass alles richtig zusammenpasst.“ Und so werden munter Kontexte gebastelt, für die Ausstellungskuratoren selbst von milden Kritikern geprügelt werden würden: In zwei Wochen etwa werden in einer Auktion in New York Arbeiten von Maurizio Cattelan, John Currin und Marlene Dumas angeboten, deren Ansätze denkbar weit auseinander liegen. Dennoch werden im Begleittext „starke, unheimliche Ähnlichkeiten“ zwischen den drei Zeitgenossen reklamiert. Diese lägen – Überraschung! – in der Tatsache, dass alle drei figurativ arbeiten. Bei Schätzpreisen von bis zu 900.000 Dollar (rund 704.000 Euro) für einzelne Arbeiten lässt sich wohl auch derart Banales rechtfertigen.

Rekordergebnisse. Die Rechnung geht allerdings auf. Mit einem Auktionsergebnis von über 102 Millionen Dollar (rund 80 Millionen Euro) sprengte Christie’s im heurigen Mai alle Rekorde für zeitgenössische Kunst – für das traditionsreiche Haus das viertbeste Ergebnis in diesem Jahr, übertroffen nur noch von Versteigerungen chinesischer Keramik und Kunst. Gegen solch wahnwitzige Summen nimmt sich der Umsatz der gehypten Frieze Art Fair mit etwa 50 Millionen Euro fast kümmerlich aus.

Dennoch ist ein direkter Vergleich zwischen Auktionen und Messen kaum möglich: Wie die Messeleitung in London betonte, seien im Vorjahr etwa 83 Prozent des Publikums ohne Kaufabsicht gekommen. Mit scheinbar anspruchsvollen Rahmenprogrammen erweitern die Messen zusehends ihre Kernaufgaben: Man spricht wieder über die Kunst. Natürlich nur über die, die sich auch verkaufen lässt. Da ist das Auktionsgeschäft dann aber offener: Da geht es wenigstens um nichts anderes als Geld.