Landesverräter und Nazi-Sympathisanten

Landesverräter und Nazi-Sympathisanten

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Wer gemeint hatte, dass mit Jörg Haiders Forderung, SP-Spitzenkandidat Hannes Swoboda wegen „Landesverrats“ das aktive wie passive Wahlrecht abzuerkennen, der intellektuelle Tiefpunkt des EU-Wahlkampfs erreicht sein müsste, der wurde eines Schlechteren belehrt.

Erst befürwortete Vizekanzler Hubert Gorbach vergangene Woche den von Jörg Haider nachgereichten Vorschlag, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um das Verhalten Swobodas sowie der SPÖ zu Zeiten der Sanktionen zu untersuchen. (Dass ein U-Ausschuss zu diesem Thema nach – ausnahmsweise praktisch einhelliger – Meinung der führenden Verfassungsjuristen rein technisch überhaupt nicht zulässig ist, beeindruckte Gorbach in diesem Zusammenhang nicht merklich.)

Dann unterstellte FP-Klubobmann Herbert Scheibner EU-Kommissar Franz Fischler, sich „in die Gruppe der Österreich-Vernaderer einreihen“ zu wollen, weil dieser sich erfrecht hatte, darauf hinzuweisen, dass Europa einen EU-Wahlkampf, wie er derzeit in Österreich geführt wird, wirklich nicht verdient hat.

Und dann kam der Freitag und mit ihm Josef Broukal. Gegen Ende einer über weite Strecken durchaus sachlich geführten Parlamentsdebatte zu EU-Themen trat der eben erst zum stellvertretenden Obmann im SP-Parlamentsklub ernannte Broukal ans Rednerpult, wo ihn der ÖVP-Abgeordnete Erwin Rasinger durch einen Zwischenruf („Sind Sie jetzt für die Sanktionen oder dagegen? Sind Sie jetzt für das Champagner-Trinken von Gusenbauer oder dagegen?“) völlig aus der Fassung brachte.

„Also ich sage Ihnen ganz ehrlich“, replizierte Broukal sichtlich echauffiert. „Wenn ich an einem 5. Mai [sic!] entscheiden muss, ob ich mit einer Bande Neonazis vor den Heldenplatz in Wien ziehe oder mit einem französischen Politiker für die endgültige Befreiung Europas vom Nationalsozialismus mit Champagner anstoße, dann sage ich Ihnen: Her mit dem Champagnerglas! Es ist Ihnen unbenommen, den Nationalsozialisten nachzutrauern, aber es ist unser Privileg, die Befreiung Europas auch heute noch als denkwürdiges Ereignis zu feiern!“

Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ reagierten auf die pauschale Unterstellung, „den Nationalsozialisten nachzutrauern“, verständlicherweise empört. Wegen des folgenden Tohuwabohus musste die Parlamentssitzung erst unterbrochen, dann vorzeitig beendet werden. Zuvor hatte Broukal noch Gelegenheit, sich zu entschuldigen. Was freilich nichts daran änderte, dass er von ÖVP und FPÖ ebenso umgehend wie energisch zum Rücktritt aufgefordert wurde.

Tatsächlich stellt es eine enorme Entgleisung dar, der versammelten Parlamentsriege von ÖVP und FPÖ zu unterstellen, „den Nationalsozialisten nachzutrauern“. Mit voller Berechtigung darf und soll verurteilt werden, dass die FPÖ eine rechtspopulistische Partei mit oftmals extremistischer Ausdrucksweise ist; dass in den Äußerungen von Repräsentanten der FPÖ häufig nationalistische Untertöne zu erkennen sind, die fallweise typisch nationalsozialistischen Ausdrücken nahe kommen. Ebenso fraglos ist schärfste Kritik daran zulässig, dass die ÖVP mit einer solchen Partei – bereits zum zweiten Mal – eine Regierungskoalition gebildet hat.
Keineswegs akzeptabel ist es freilich, die Abgeordneten dieser beiden Parteien pauschal als Nazi-Sympathisanten zu bezeichnen.

Dass Josef Broukal darüber verärgert ist, dass sein Parteikollege Hannes Swoboda als Landesverräter verunglimpft wird, ist ebenso nachvollziehbar wie sein Grimm darüber, dass die beiden Regierungsparteien seinem Parteichef hämisch und beständig den Pariser Champagnerschluck des Jahres 2000 vorhalten.

Das ist aber keine Rechtfertigung dafür, die Regierungsfraktionen samt und sonders als verkappte Nazis zu titulieren. Solches ist nicht nur eine Gemeinheit, sondern dokumentiert auch, dass Broukal ein politischer Amateur ist, der eine der simpelsten Grundregeln seines nunmehrigen Gewerbes nicht beherrscht: dass Politiker nicht einfach alles sagen dürfen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Schon gar nicht, wenn Fernsehkameras im Raum sind.

Broukal hat ÖVP und FPÖ damit jedenfalls ein potenzielles Thema für die letzte Woche des EU-Wahlkampfs geliefert: Für die SPÖ sind alle, die keine Sozialisten sind, automatisch Nazis.

Der politische Quereinsteiger und ehemalige ORF-Moderator hat solcherart nicht nur maßgeblich dazu beigetragen, dass der aktuelle Wahlkampf als einer der untergriffigsten, unsachlichsten und dümmsten in die politische Geschichte des Landes eingehen wird. Er hat mit ziemlicher Sicherheit auch den Mobilisierungsgrad von ÖVP- und FPÖ-Sympathisanten gesteigert. Sollte die SPÖ am kommenden Sonntag unter ihren Erwartungen abschneiden, wird parteiintern dafür dann – zu Recht – wohl auch Broukal mitverantwortlich gemacht werden.