Kandidatenmangel und fehlende Erfolge

Leerveranstaltung: Den Grünen droht der Abschied aus den Landtagen

Grüne. Den Grünen droht der Abschied aus den Landtagen

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Nicht jedem ist so eine lange Amtszeit beschieden wie Theodor Kery. 21 Jahre hatte er die Geschicke des Burgenlands gelenkt, oft autoritär, oft dafür von Parteifreunden kritisiert und dennoch von den Burgenländern geliebt: Viermal hatte der vergangene Woche Verstorbene die absolute Mehrheit für die SPÖ eingefahren. Als er sich 1982 nach deren Verlust aus der Politik verabschiedete, tat er dies „mehr segnend denn grollend“.

Manche Karrieren enden hingegen so schnell, dass weder für Segen noch Groll Zeit bleibt. Etwa jene des Quereinsteigers und Spitzenkandidaten der Grünen für die steirische Landtagswahl im kommenden Herbst: Jörg Martin Willnauer hatte kürzlich der Politik den Rücken gekehrt – mitten im Wahlkampf, fünf Monate vor dem Urnengang.

Willnauers Rückzug ist nur ein Symptom für die Probleme der Grünen in den Ländern. Außerhalb der Wiener Stadtgrenzen fehlt ihnen die großflächig organisierte Basis. Es mangelt an fähigen Kandidaten und eigenen Themen. Mit jedem verpassten Sitz in einer Landesregierung wächst der Frust unter den Anhängern. Blieben die Grünen nach den heurigen Wahlen im Burgenland, der Steiermark und in Wien weiterhin in Opposition gefangen, müssten sich die Ökos auf karge Jahre gefasst machen, meint der Politologe Peter Filzmaier: „In die Regierungen zu wollen, aber nicht einmal die Chance darauf zu haben, weil in den kommenden Jahren ja keine größeren Wahlen stattfinden, führt zu Motivationsproblemen.“ Und das wiederum zum möglichen unfreiwilligen Abschied aus manchen Landtagen bei den nächsten Urnengängen – dabei sitzen die Grünen erst seit 2004 in allen neun Länderparlamenten. Schon die Ergebnisse der vergangenen Landtagswahlen ließen manchen Grün-Funktionär erschaudern (siehe Grafiken).

Grünen-Chefin Eva Glawischnig steckt ihrer Partei dennoch ambitionierte Ziele: Die Grünen sollen in möglichst viele Landesregierungen einziehen, vor allem in der Steiermark hofft Glawischnig auf einen grünen Landesrat. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Schon gar nicht nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen.

Feine Klinge gegen Keule.
Nur fünf Monate nach seinem Wechsel in die Politik hatte der grüne Spitzenkandidat Willnauer schon wieder genug von ihr: Der Kabarettist wollte im Wahlkampf „die feine Klinge“ schwingen. Andere, Freund wie Feind, hatten hingegen schon die Keulen ausgepackt. Das war Willnauer, der lieber „authentisch“ bleiben wollte, zu viel: Er ging – und ließ eine ratlose Partei zurück. Landeschef Werner Kogler, der vor fünf Jahren nur widerwillig die steirischen Grünen übernommen hatte, startete abermals die Kandidatensuche – um sich nur wenige Tage später selbst zu finden. Als Notlösung will der Nationalratsabgeordnete sein Antreten freilich nicht sehen.

Fähige und zugleich willige Kandidaten sind jedenfalls rar. Allen Parteien fehlen die Jungtalente. Die Grünen haben die geringsten Personalreserven; ihnen mangelt es an entsprechenden Vorfeldorganisationen. Begabte Quereinsteiger winken regelmäßig ab. Besonders schwierig sei es, jemanden für eine Kandidatur auf Landesebene zu gewinnen, meint der Wiener Grün-Gemeinderat Christoph Chorherr: „Miese Nachrede, schlechte Bezahlung, weder Privatleben noch Jobsicherheit: Das tut sich doch keiner an.“ Quereinsteiger seien zwar ein gutes Signal, sie aber gleich zum Spitzenkandidaten zu küren sei eine „Trottelei“, sagt Chorherr: „Da gehören erfahrene Schlachtrösser wie Kogler hin.“

„Das haben wir gelernt“, meint dieser fast ein bisschen demütig.

Exotische Ansichten.
Zumindest in der Steiermark. Im Burgenland versucht sich Michel Reimon auf dem ersten Listenplatz der Grünen. Er gilt als bunter Hund: früher gern leger gekleidet, als Redakteur der ehemaligen SPÖ-Parteigazette „Burgenländische Freiheit“ sogar einigen Genossen nicht ganz geheuer, bis heute für exotische Ansichten gut. Zumindest ein bisschen Politik-Erfahrung bringt der 38-jährige Kommunikationsberater mit: Er arbeitete in den vergangenen Jahren als Pressesprecher des grünen Klubs. Das reichte der grünen Parteispitze als Qualifikation: Im Vorjahr rief sie Reimon an und fragte, ob er sich vorstellen könne, bei den Landtagswahlen zu kandidieren. Er konnte.

Zur Personalnot gesellen sich nun auch Probleme bei den grünen Kernthemen. Sie sind mittlerweile so gut abgehangen, dass sie auch SPÖ und ÖVP schmecken: Die Sozialdemokraten setzen zunehmend auf Umverteilung, die Volkspartei kaperte die Ökosteuer. „Die ÖVP plakatiert überall Umweltthemen, sie inseriert wie irre“, ärgert sich Parteichefin Glawischnig. „Wir werden zeigen, dass das schwarze Ökomäntelchen nur Fassade ist.“ Wie, das lässt sie offen.

Zweckoptimismus.
„Es kann uns nichts Besseres passieren, als dass die ehemaligen Großparteien unsere Themen übernehmen“, meint hingegen Reimon zuversichtlich. So viel Zweckoptimismus ist sogar in der Politik selten. Und laut dem Politologen Filzmaier auch nicht angebracht: „Die Themenübernahme durch andere bringt den Grünen gleich zwei Probleme: Jetzt müssen sie ihre Kernthemen teilen. Auf lange Sicht, und das ist viel schlimmer, kommt ihnen der rot-schwarze Reibebaum abhanden.“

Fehlt die gemeinsame Strategie nach außen, widmen sich die Grünen gern der zelebrierten Selbstzerfleischung, wie sie jahrelang in Wien oder zeitweise auch in Niederösterreich zu bestaunen war.

„Mir fällt vieles ein, was wir besser machen könnten“
, sagt der Wiener Grüne Chorherr. Details will er nicht nennen. Aber: Die Partei brauche Erfolge – und das nach Möglichkeit schnell –, sonst nehme der Frust überhand. Die Grünen müssten größere Gruppen wie die gut situierten Pensionisten umwerben, glaubt Filzmaier, das sei die einzige Chance auf ein deutliches Wählerplus. „Eine Stimme für die Grünen ist ein Luxusgut. Das machen nur diejenigen, die sich das leisten können. Derzeit sind das gut gebildete, besser verdienende Junge und einige Bürgerliche.“

Um auf die Regierungsbank zu kommen, werden frustrierte Bobos also nicht reichen. Weder auf der Kandidatenliste noch als Wähler.