Unverträglich

Fehde. Der Familienzwist von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl

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Christoph Leitl in adrett gebügelten Bundfaltenjeans und Strohhut vor einem manierlich gestutzten Rosenbusch; Christoph Leitl mit Ehefrau in der urtümlichen Bauernküche; Christoph Leitl, die Katze streichelnd, auf einer Bank vor seinem 300 Jahre alten Häuschen im oberösterreichischen Neumarkt im Mühlkreis. Ein Stillleben, wie es dem Selbstverständnis des Wirtschaftskammerpräsidenten besser kaum entsprechen könnte. Harmonie, Konsensbereitschaft und ein Blick fürs Detail: So könnte es im Lastenheft jedes Sozialpartners stehen, unter denen Leitl einer der wichtigsten überhaupt ist.

Doch die medial so offen zur Schau getragene Familienidylle trügt.

Ausgerechnet Leitls Mühlviertler Rückzugsort ist der Brennpunkt einer skurrilen Familienfehde, die sich mittlerweile über Jahrzehnte zieht. Entzündet hat sich der Konflikt am Erwerb jenes Gartengrundstücks, das Leitl in den Sommerporträts gerne sein "Kraftfeld“ nennt. Die Auseinandersetzung zwischen Leitl und seinem 90-jährigen Großonkel Helmut Leitl ist jedoch viel tiefer in der Familienchronik verwurzelt. An dem angriffigen Verwandten droht sogar Konsenspolitiker Christoph Leitl zu scheitern. Mit der Familienaffäre sind über die Jahre nicht nur Anwälte und Notare befasst worden - sondern kürzlich auch Heinz-Christian Strache.

Helmut Leitl hält sich in einem an Strache adressierten Schreiben denn auch nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf. "Beiliegend sehen Sie einen Kaufvertrag und einen Schuldschein des Christoph Leitl, derzeitiger Handelskammerpräsident (Christoph Leitl ist Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Anm.), daraus geht eine Steuerhinterziehung aus 700.000 Schilling hervor“, heißt es in dem Schreiben vom 16. Mai 2011, das den Eingangsstempel des Freiheitlichen Parlamentsklubs trägt. Darin schildert Helmut Leitl haarklein ein Immobiliengeschäft aus dem Jahr 1985, dessen Begleitumstände ihn anscheinend noch heute mit gerechtem Zorn erfüllen. Er und seine Ehefrau hätten Christoph Leitl vor mittlerweile 26 Jahren mehrere Grundstücke mit Wiese und Ackerland zu einem Gesamtpreis von 800.000 Schilling verkauft. "Christoph legte mir beim Notar einen fertigen Vertrag vor, der für eine Wiese einen Preis von 100.000 Schilling ausgewiesen hat und als bereits bezahlt bezeichnet hat“, führt der alte Leitl aus. Den Kaufvertrag über drei Grundstücke mit einer Gesamtgröße von exakt 2682 Quadratmetern zu einem "Pauschalkaufpreis von S 100.000“ hat Helmut Leitl seinem Schreiben beigefügt. Nicht nur habe sich der spätere Wirtschaftskammerpräsident bei dem Geschäft auf diese Weise wohl die Grunderwerbsteuer für die nicht im Kaufvertrag aufscheinenden 700.000 Schilling sparen wollen - er habe sich außerdem mit dem Begleichen der Schuld Zeit gelassen. Erst nach mehreren Mahnungen habe Christoph Leitl zwei Mona- te nach Vertragsunterzeichnung einen Schuld- schein unterfertigt. "Ich schulde Herrn Helmut Leitl und Frau Angela Leitl einen Betrag in Höhe von 800.000 Schilling“, heißt es in dem Papier, das Großonkel Leitl ebenfalls an Heinz-Christian Strache verschickt hat. Warum er sich nach so vielen Jahren Gehör verschafft, erklärt der für sein Alter bemerkenswert luzide Pensionist gegenüber profil damit, dass ein Teil der alten Schuld noch immer nicht beglichen sei.

Christoph Leitls Darstellung der Geschichte beginnt noch etwas früher - aber auch schon mit einem Familienstreit. 1970 wurde das von den gemeinsamen Ahnen gegründete Unternehmen nach internen Unstimmigkeiten aufgeteilt. Karl Leitl, Christoph Leitls Vater, übernahm die Leitl Ziegelwerke. Der Zweig von Helmut Leitl wiederum den Betonfertigteilhersteller Johann Obermayr. Beide Unternehmen gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Dem jungen Christoph Leitl gelang es nicht nur, die Leitl-Werke zu sanieren, er übernahm 1978 die Johann-Obermayr-Werke aus der Konkursmasse. Bald florierten die Geschäfte - Helmut Leitl fühlte sich über den Tisch gezogen und verlangte ein einst gewährtes Gesellschafterdarlehen in Höhe von 700.000 Schilling zurück. So wird die Geschichte von einem von Christoph Leitl beigezogenen PR-Berater erzählt. Christoph Leitl selbst sagt nur so viel: "Die Vorwürfe richten sich angesichts der Fakten von selbst.“

Um des Familienfriedens willen soll Christoph Leitl beim Kauf der Grundstücke auch eingewilligt haben, die 700.000 Schilling "Entschädigung“ zu zahlen. Zum Beweis seiner Version kann Christoph Leitl - ein ordentlicher Kaufmann! - selbst nach mehr als 25 Jahren noch schriftliche Belege liefern. Tatsächlich wurden laut einem profil vorliegenden Kontoauszug am 3. April 1986 unter dem Buchungstext "Scheck 858“ exakt 818.400 Schilling von Christoph Leitls Konto abgebucht. Bereits am 27. März - wohl bei Erhalt des Schecks - hat Helmut Leitl eine Quittung mit dem Text "818.400 Schilling heute erhalten und Kaufpreis damit zur Gänze erledigt“ unterzeichnet.

Erledigt war damit gar nichts, im Gegenteil. Seit Ende der achtziger Jahre herrscht ein reger Briefwechsel zwischen den beiden Nachbarn in Neumarkt im Mühlkreis. Einmal geht es um die Bepflanzung des Grundstücks, dann wieder um verschwundene Bücher aus der Familienbibliothek. Bereits im Jahr 1988 erinnert der alte Leitl seinen Großneffen an eine möglicherweise anfallende "Steuerstrafe“. "Du versuchst die Sache leider totzuschweigen, doch möchte ich Dich herzlichst bitten, mich nicht in Zeitnot zu bringen, die Medien sind gerade voll mit roten Affären“, heißt es in einem Schreiben bedrohlich. Das Verhältnis dürfte sich über die folgenden 20 Jahre nicht wesentlich verbessert haben. Im September 2007 fordert Helmut Leitl seinen Großneffen per Notariatsschreiben zur Zahlung einer angeblichen Restschuld aus dem Immobilienkauf des Jahrs 1985 in Höhe von 120.000 Schilling auf. Die Antwort: "Wie Helmut Leitl auf ATS 120.000, die ich ihm angeblich noch schuldig bin, kommt, ist mir rätselhaft. Ich habe 1985 von ihm und seiner Frau Angela ein Grundstück erworben und habe darüber hinaus einen persönlich höheren Preis zahlen müssen, um eine ‚Wiedergutmachung‘ für vermeintliches Unrecht, das Helmut Leitl vonseiten meiner Eferdinger Familie widerfahren ist, zu leisten. Den vereinbarten Kaufpreis in der Größenordnung von ATS 818.400 habe ich am 27. März 1986 bezahlt und von Helmut Leitl eine entsprechende Quittung erhalten; dadurch erübrigt sich eine weitergehende Diskussion“, schreibt Christoph Leitl am 26. September 2007.

Der Ton dürfte sich noch verschärft haben. Im April 2008 fühlt sich Christoph Leitl von Helmut Leitl bedroht. In Beantwortung eines Briefs seines Kontrahenten schreibt er: "Helmut hat Recht, dass ich bei der letzten Begegnung mit ihm emotional geworden bin, aber es ist mir das erste Mal passiert, dass mich jemand mit einer Vernaderung ‚an die rote Seite’ unter erpresserischen Druck bringen wollte. Ich bin Helmut dankbar, dass er in seinem letzten Schreiben diese Tatsache selbst bestätigt, weil es mir sonst wahrscheinlich nicht geglaubt worden wäre.“

Der Briefwechsel dürfte fortgesetzt werden. Demnächst will Christoph Leitl seinem Großonkel eine Unterlassungserklärung zukommen lassen.