Leo Windtner: Neuer Präsident des ÖFB

Leo Windtner - Neuer Präsident des ÖFB: Einer der mächtigsten Oberösterreicher

Einer der mächtigsten Oberösterreicher

Drucken

Schriftgröße

Von Rosemarie Schwaiger

Erinnerung ist keine exakte Wissenschaft. Oft genug hängt es von der Tagesverfassung ab, wie man die eigene Vergangenheit einordnet. Am Mittwoch der Vorwoche sitzt Leo Windtner, Vorstandsvorsitzender des oberösterreichischen Landesenergieversorgers EAG, in seinem Büro, schaut in den grauen Linzer Himmel und spricht über seine Zeit als aktiver Fußballer. „Ich würde sagen, ich war ein mittelmäßiger Spieler. Mehr der Kämpfertyp“, erzählt Windtner. Einen Tag später, am Donnerstag, ist der Himmel über Linz noch immer grau, aber die Erinnerung deutlich rosiger geworden. Gegen Mittag greift der Generaldirektor zum Telefon, um seine Aussagen zu korrigieren. Er sei da wohl in eigener Sache zu bescheiden gewesen, meint Windtner. „Eigentlich war ich ein solider, guter Fußballer. Immerhin war ich fast zehn Jahre lang der Kapitän von Union St. Florian. Das heißt ja schon was.“

Variante zwei stimmt vielleicht wirklich, und außerdem passt sie derzeit viel besser. Windtner wird demnächst Präsident des Österreichischen Fußball-Bunds. Eine halbwegs glorreiche Vergangenheit als Kicker ist da kein Fehler. Friedrich Stickler, der Vorgänger im Amt, hatte zum Fußball bekanntlich eine eher theoretische Beziehung. Der neue Präsident weiß aus eigenem Erleben, wie man eine Blutgrätsche günstig platziert. In einem Verein wie dem ÖFB kann das nützlich sein.

Den Ausschlag für seine Ernennung dürften aber andere Qualitäten gegeben haben. Windtner selbst gibt zu Protokoll, dass sein Hearing wohl besser ausgefallen sei als jenes des Mitbewerbers Günter Kaltenbrunner. Vielleicht habe seine Arbeit als Chef des oberösterreichischen Landesverbands überzeugt. „Und der wirtschaftliche Erfolg wird auch eine Rolle gespielt haben.“

Man kann Windtners Erfolg in Zahlen messen – oder einfach sein Büro besichtigen. Der Generaldirektor residiert im 18. Stock des nagelneuen EAG-Unternehmenssitzes mit Blick über Linz. Am Horizont rechts vom Schreibtisch qualmt die Voest, geradeaus ist der Pöstlingberg, links davon das Fußballstadion. Wer von hier oben auf die Stadt schaut, darf sich täglich zu Dienstbeginn darüber freuen, es geschafft zu haben. Leo Windtner ist der Sohn eines Arbeiters, der in der Glockengießerei des Stiftes St. Florian werkte. Bis hier herauf war es nicht nur in Höhenmetern ein weiter Weg.

Gut für das Land. Der 58-Jährige erzählt stolz, wie er aus dem regionalen Strom­versorger OKA den europäischen Infrastrukturkonzern EAG gemacht hat. Mit ähnlichen Worten steht das auch im Geschäftsbericht 2007/08, der lauter Rekordergebnisse ausweist. Rund 7000 Mitarbeiter hat die EAG derzeit, mehr als die Hälfte außerhalb Österreichs. Der Umsatz lag zuletzt bei 1,5 Milliarden Euro.

Als Chef des Landesenergieversorgers gehört Windtner zur Machttroika Oberösterreichs. Nummer eins ist Landeshauptmann Josef Pühringer, Nummer zwei Raiffeisenbanker Ludwig Scharinger, Nummer drei Leo Windtner. Die drei Herren verbindet – neben dem Parteibuch der ÖVP – das Selbstbewusstsein, am allerbesten zu wissen, was für das Land gut ist. Man hilft einander, wenn Not am Mann ist: Einst war die Müllverbrennungsanlage Wels schwer defizitär, und die EAG übernahm den maroden Betrieb. Landeshauptmann Pühringer, nebenbei Sportreferent, kann sich auf großzügiges Sponsoring der Leibesübungen durch die Energie-AG-Tochter AVE verlassen. Als der geplante Börsengang der EAG im Vorjahr wegen des Widerstands der SPÖ abgesagt werden musste, sprang Raiffeisen ein und beteiligte sich im Rahmen einer privaten Investorengruppe mit 13,5 Prozent am Energieunternehmen. Pühringer bekam auf diese Art Geld für das Landesbudget, die EAG wurde vor feindlichen Übernahmeversuchen geschützt.

Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dass Windtners Bestellung zum ÖFB-Präsidenten von vielen Beobachtern nicht nur dessen persönlichen und fachlichen Qualitäten zugeschrieben wird. Ludwig Scharinger habe sich im Machtkampf gegen seinen niederösterreichischen Raiffeisenkollegen Christian Konrad durchgesetzt, der für Günter Kaltenbrunner lobbyiert habe, wird erzählt. Doch in diesem Fall hatte das Oberösterreicher-Netzwerk ausnahmsweise Pause. Leo Windtner schwört, dass er mit Ludwig Scharinger über seine ÖFB-Aktivitäten nicht einmal geredet habe. „Dafür hätte sich der Ludwig bestimmt nicht auf die Schienen geworfen“, meint er trocken. Trotz ihrer engen beruflichen Verflechtungen gelten Scharinger und Windtner nicht als ganz dicke Freunde. Den RLB-Boss soll unter anderem maßlos geärgert haben, dass der Mitbewerber Oberbank die neue Unternehmenszentrale der Energie AG kaufen und weitervermieten durfte. Der so genannte Power Tower, zweithöchstes Gebäude in Linz, hätte sich als Prestigeprojekt für Raiffeisen ebenfalls gut gemacht. Windtner wiederum war Anfang vergangenen Jahres nicht erfreut, als er die neue Eigentümerstruktur seines Unternehmens erst am Tag der offiziellen Bekanntgabe erfuhr. Pühringer und Scharinger hatten den Generaldirektor bis zuletzt über „Plan B“ nach der Absage des Börsengangs im Unklaren gelassen. Rivalitäten und Eifersüchteleien gibt es eben auch unter sehr guten Geschäftspartnern.

Treibende Kraft hinter Windtners ÖFB-Aufstieg dürfte ein anderer Parteifreund gewesen sein: Karlheinz Kopf, Klubchef der ÖVP im Parlament und früher ÖFB-Landespräsident in Vorarlberg. Kopf will sich dazu nicht äußern, gibt aber zu, dass er die Zusammenarbeit mit seinem oberösterreichischen Kollegen in guter Erinnerung hat: „Wir haben damals im ÖFB viel weitergebracht.“

Selbstdarstellung. Geholfen hat Windtner wohl auch sein Temperament. Nach dem zögerlichen, übervorsichtigen Friedrich Stickler herrschte im ÖFB wieder einmal Bedarf an etwas zupackenderem Personal. Der Innviertler wird diesen Wunsch erfüllen. Er gilt als dynamisch, ehrgeizig und konsequent; als Macher, der seine Ziele für gewöhnlich erreicht. Trotzdem ist er auch bei politischen Gegnern erstaunlich beliebt. „Windtner scheut sich nicht, unbequeme Entscheidungen zu treffen“, sagt etwa die grüne Nationalratsabgeordnete und EAG-Aufsichtsrätin Ruperta Lichtenecker. „Und er hat es immer geschafft, die Belegschaft bei allen Maßnahmen mit ins Boot zu holen. Das war oft nicht leicht, das Unternehmen ist in den letzten Jahren stark gewachsen.“ Ein ehemaliger Geschäftspartner lobt Windtners direkte Art. „Man weiß bei ihm immer, wie man dran ist. Intrigant ist er überhaupt nicht.“

Aufgefallen ist den Beobachtern allerdings ein gewisser Hang zur Selbstdarstellung, der sich im Fußball wohl besser ausleben lassen wird als im Strombusiness, dem Windtner fast sein gesamtes bisheriges Berufsleben widmete. Davor studierte er Welthandel, verbrachte ein Jahr bei einem Tiefbaukonzern in Namibia und schrieb 1977 seine Dissertation zum Thema „Die Chancen der österreichischen Volkswirtschaft im Geschäft mit den Oststaaten“. Ein Jahr später ging er als Abteilungsleiter für Immobilien und Umwelt zur OKA, der heutigen Energie AG. Seit 1994 ist er Generaldirektor. Zwischen 1985 und 1995 war Windtner auch noch Bürgermeister von St. Florian.

Die Energie AG ist unter Windtners Regie kräftig gewachsen und hat ihr ursprüngliches Geschäftsfeld durch die Akquisition zahlreicher Entsorgungsbetriebe vor allem in Tschechien und Ungarn erweitert. Der Chef hatte dabei wohl die Ergebnisse seiner Dissertation im Kopf. Angesichts der Wirtschaftskrise muss er nun allerdings auf die Bremse steigen. Das Müllgeschäft ist krisenanfällig; für heuer wird ein Umsatzrückgang bis zu 25 Prozent erwartet.

Um den Vorwurf zu entkräften, der Generaldirektor amüsiere sich ausgerechnet in der Wirtschaftsflaute mit dem Fußballnationalteam, kündigte Windtner an, dafür seine anderen Ehrenämter auf Eis zu legen. Penibel hat er ausgerechnet, wie viel Zeit frei wird, wenn er nicht mehr Präsident der Union St. Florian ist und seine Funktionen im Skipool sowie in der Bundessportorganisation aufgibt. „Damit spare ich mir 60, 70 Termine im Jahr. Das müsste sich ausgehen.“ Obmann der St. Florianer Sängerknaben will Windtner aber bleiben. Ein bisschen Kultur hat noch keinem Fußballfunktionär geschadet.