Lichterloh-Projekt Normalzeit
Christof Stein brennt. Der Außenminister der Kunsthandelsinstitution Lichterloh, zu der auch Dagmar Moser und Philipp-Markus Pernhaupt gehörten, kriegt sich vor Begeisterung über die Gigantomanie des Normalzeit-Projekts kaum mehr ein. Dabei ist der Antiquitätentandler (so seine Eigendefinition) von Kindesbeinen an Exzentrik gewöhnt baute doch sein Vater, ein in Wien an Intrigen gescheiterter Städtebauer, im Waldviertel bar jeder Ironie Landeplätze für UFOs. Wie schon so oft wollten sich die Lichterlohs auch im 20. Jahr ihres Bestehens nicht mit dem Verkauf von todschickem Originalmobiliar von Verner Panton, Joe Colombo, Josef Frank oder Arne Jacobsen an eine ebenso todschicke Klientel von Pedro Almodóvar bis Josef Hader und Robert Menasse begnügen. Denn nicht zuletzt sieht sich das Trio auch als Kulturgut-Polizei und Design-Ambulanz.
Lichterloh bewahrte Versatzstücke österreichischer Designgeschichte bereits mehrmals vor der Ignoranz der zuständigen Institutionen und der sprichwörtlichen Vernichtung: Wir verrichten eigentlich als Privatinitiative den Job, den das MAK in den letzten Jahren hätte erledigen sollen. Ihre letzte Rettungsaktion galt den legendären Wiener Würfeluhren, die seit den siebziger Jahren gegen funkbetriebene Ständeruhren sukzessive ausgetauscht wurden und im Wiener Arsenal in einem Lager nutzlos vor sich hin gammelten: Die MA 33, zuständig für öffentliche Beleuchtung und eben auch für unsere Uhren, zeigte sich extrem kooperativ und unterstützte uns in unserem Anliegen. In einem Rundumschlag erwarben die Möbelgaleristen die 28 verbliebenen Uhren. Einige von ihnen werden nun den Sammlungen von Institutionen wie dem MAK oder dem Technischen Museum einverleibt. Aber der Rest dieser Wahrzeichen von Kultcharakter (Stein) wird bearbeitet von Österreichs künstlerischer Elite: Elke Krystufek, Christian Eisenberger, Brigitte Kowanz und Franz Graf befinden sich unter dem avantgardistischen Dutzend, ihre Gedanken zum Thema Zeit und ihrer Gestaltungsphilosophie offenbarten sie profil in den folgenden Interviews. Anlass für das Projekt ist das 20-jährige Jubiläum der Wiener Designinstitution; die Ausstellung wird in Kombination mit einer öffentlich zugänglichen Geburtstagsparty am 17. Juni in der Expedithalle der Wiener Ankerbrot-Fabrik eröffnet und ist bis 26. Juni zugänglich.
Mit ihrer Intuitionskraft und Schnelligkeit haben Lichterloh schon öfter kulturhistorischen Raubbau verhindert: Sie bewahrten 2002 die Garderoben und Stühle, die der österreichische Architekt Roland Rainer für die Wiener Stadthalle entworfen hatte, vor der Mülldeponie. Einer der Garderobenständer kam bei Sothebys bereits vor mehreren Jahren für 5000 Euro unter den Hammer. Sie retteten die roten Lederrundbänke sowie Sessel und Tische von Josef Zotti, einem Designer aus den dreißiger Jahren, in letzter Sekunde aus dem Wiener Café Museum. Die Fetisch-Garnituren wären beinahe den ehrgeizigen Renovierungsarbeiten der neuen Besitzer zum Opfer gefallen, die das Lokal im ursprünglichen Adolf-Loos-Ambiente nachbauen ließen. Der Blausirene von Lichterloh ist auch das Überleben Tausender Negative aus dem legendären Fotostudio Simonis zu verdanken (profil 20/2010).
Institutionellen Dank für diesen Kulturgeist erwartet sich das Trio nicht; auch keine Subventionen. Deswegen musste Stein besonders lachen, als ihn aus dem Büro des Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny die bedauernde Absage ereilte, man könne das Projekt Normalzeit nicht finanziell unterstützen: Wir hatten nämlich nicht einmal angesucht.