Elfriede Hammerl

Lieber kein Geld

Lieber kein Geld

Drucken

Schriftgröße

Also, die österreichische Regierung ist bereit, 20 Millionen Euro in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen zu investieren. Die Bundesländer kriegen das Geld allerdings nur, wenn sie einen von Frauenministerin Bures und Familienministerin Kdolsky ausverhandelten Pakt akzeptieren. Er sieht unter anderem vor, dass in erster Linie Ganztagsplätze gefördert werden. Ganztagsplätze, das bedeutet entgegen beharrlich verbreiteten Schauerlegenden nicht, dass Kinder bei Tagesanbruch in Massenlagern deponiert werden müssen und erst nachts wieder abgeholt werden dürfen, sondern ganztägige Öffnungszeiten pädagogisch vertrauenswürdiger Einrichtungen, die nach Belieben in Anspruch genommen werden können. Halbtagsplatz dagegen heißt: Kaum ist das Kind im Kindergarten gelandet, muss es auch schon wieder geholt werden, und wenn es heimkommt, sollte schnell ein Mittagessen auf dem Tisch stehen. Für die Mütter bedeutet das, vor allem auf dem Land, wo die Anfahrtswege zu Kindergarten und eventuellem Arbeitsplatz lang sein können: Es geht sich nicht aus mit einer Berufstätigkeit, die das Ausmaß von zwei, drei schlecht bezahlten Vormittagsstunden übersteigt.

Nehmen wir zum Beispiel Oberösterreich: Rund 13.600 Personen sind einer aktuellen Wifo-Studie*) zufolge unfreiwillig teilzeitbeschäftigt, 81 Prozent davon sind Frauen. Sie können nicht Vollzeit arbeiten, weil sie Kinder haben und keine Möglichkeit, diese Kinder in einem Ganztagskindergarten oder einer Ganztagsschule unterzubringen. Auch Teilzeitstellen können sie bloß dann annehmen, wenn sie nicht am Nachmittag arbeiten müssen, denn Schulen und Halbtagskindergärten lassen zu Mittag die Rollbalken herunter. Diejenigen, die gerade keinen Job haben, kriegen Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nur, wenn sie für potenzielle Arbeitgeber mindestens zwanzig Wochenstunden verfügbar sind. Ist das mangels entsprechender Kinderbetreuungseinrichtungen nicht möglich, schauen sie durch die Finger. Trotzdem hat das Land Oberösterreich – wie alle anderen ÖVP-regierten Bundesländer plus Kärnten – die För-dergelder bereits stolz zurückgewiesen, denn die Förderkriterien gingen, so verlautete es aus dem Büro des zuständigen Landesrates, am Bedarf des Landes vorbei. Ganztagsbetreuung sei nicht erforderlich. Was der Bedarf stramm konservativer Familienpolitiker wäre, wissen wir: brave Vollzeitmuttis, die mit ihren Kleinen Kekse backen, Volkslieder singen und andere Betreuungspersonen (am besten die Oma) nur dann brauchen, wenn sie das Haus verlassen, um beim Putzen und Schmücken der Dorfkirche zu helfen. Nun ist gegen häusliches Keksebacken und Singen nichts einzuwenden (und auch freiwillige Kirchendienste sind absolut zulässig). Einzuwenden ist allerdings viel gegen die Vorstellung, man dürfe, ja müsse Mütter zwingen, daheimzubleiben, weil Kinder, die mit einer Kindergärtnerin singen statt mit der Mutter, unglückliche und vernachlässigte ­Kinder wären.

Was die Verfechter des Kinder-gehören-zur-Mutter-Modells betreiben, ist Realitätsverweigerung in mehrfacher Hinsicht. Die Realität schaut so aus: Auch Vollzeitmütter haben nicht unentwegt Zeit für ihren Nachwuchs. Teilzeit arbeitende Mütter kommen oft genauso wenig zum Keksebacken und Liedleinsingen wie Vollzeit arbeitende Mütter. Mütter wissen generell nicht automatisch am besten, wie Kinder zu fördern und zu fordern sind, während Kindergärtnerinnen eigens dazu ausgebildet werden. Darum sind Kindergärten und Ganztagsschulen auch keine Aufbewahranstalten, sondern dienen pädagogischen Zwe­cken. Und schließlich: Nicht nur wollen Frauen einem Beruf nachgehen, sie können es sich in der Regel gar nicht leisten, nichts zu verdienen. Die Versorgungsehe haut nicht hin. Erstens verdienen die Versorger meist nicht genug, zweitens sind ihre Arbeitsplätze nicht ­sicher, und drittens können sie durch Scheidung abhandenkommen oder bereits abhandengekommen sein.

Was also bezwecken Politiker, wenn sie stur behaupten, auf dem Land tickten die Uhren noch anders, da benötige man so was Neumodisches wie einen Kindergarten oder eine Ganztagsschule nicht? Wollen sie die Realität in die Knie zwingen? Das Volk nach ihren Wunschvorstellungen ummodeln, statt seinen Interessen zu dienen? Oder ist es ihnen schlicht und einfach wurscht, wie sich ihre Machtspiele auf wen auswirken? Nachsatz: Natürlich könnte man sich darüber aufregen, dass immer die Mütter beruflich zurückstecken, wenn es an Kindergärten fehlt. Aber auch ein Appell an die Verantwortlichkeit der Väter würde den Missstand der mangelnden Betreuungsplätze nicht aufheben.

Kleiner Themawechsel zum Schluss: Eine betagte Frau sei von ihrem Rottweiler angefallen worden, meldete der „Kurier“ am 28. März. Schon sah man vor sich eine gebrechliche Greisin im Kampf mit einem Riesenköter und fragte sich, warum sich eine hinfällige Neunzigjährige ausgerechnet einen Rottweiler zulegt. Wenige Zeilen später stellte sich heraus: die betagte Frau ist 67. Betagt mit 67, so schaut’s aus. Aua. Dazu (am 31. März) ein ganzseitiges Inserat der „Austrian“ im „Standard“: Heute werden wir 50. Falten haben bei uns aber trotzdem nur die Servietten. So was. Betagte 50 und nicht zerknittert? Gibt’s das?