Leitartikel: Christian Rainer

Lila light

Lila light

Drucken

Schriftgröße

Josef Cap läuft. Entweder er trainiert für einen Marathon, oder er läuft durchs Land, um den Menschen zu erklären, was für eine Lichtfigur Heinz-Christian Strache ist. Wie man sich doch täusche, wenn man den FPÖ-Chef für einen dumpfen, xenophoben Ewiggestrigen halte, erklärt der SPÖ-Klubobmann jedem, der sich ihm in den Weg stellt – und ganz besonders uns Journalisten.

Da hat ein alter Rebell Gefallen gefunden an einem jungen Rebellen. Smarter Laufsportler hier, smarter Wehr­sportler da. Rebell bleibt Rebell. Ist ja egal, ob es gegen einen schießwütigen burgenländischen Landeshauptmann geht wie einst bei Cap oder gegen alles, was recht- und heimatlos ist – entwurzelte Großdeutsche mal ausgenommen –, wie bei Strache. Was soll’s. Und recht hat er, der Cap. Strache ist ja nicht dumpf, sondern durchtrieben, nicht xenophob, sondern verhetzend, er ist kein Ewiggestriger mehr im Heute, sondern heute nur mehr gestrig in den Reflexen auf die eigene Vergangenheit. Strache ist zu allem fähig und daher für die Sozialdemokraten zu nichts zu gebrauchen. Cap hin, Seppl her.

Das galt bis vor einigen Tagen. Eine Koalition mit den Freiheitlichen ist zwar nicht durch das Parteiprogramm unterbunden. Aber Gusenbauer würde das nicht zulassen, meinte man. In guter Tradition steht nämlich der Parteichef dafür, wo die Grenzen des Anstands zu finden sind, wenn sich die SPÖ einen Regierungspartner sucht. Kreisky hatte die Grenzen einst weit gezogen, als er sich des Waffen-SS-Mannes Friedrich Peter bediente, um zu regieren. Doch Franz Vranitzky setzte um einiges später eine deutlich erkennbare Markierung, als er die Koalition mit der FPÖ aufkündigte, bloß weil diese mit Haider einen neuen Obmann bekommen hatte (und er nahm dabei den Verlust von zehn Mandaten in Kauf). Die FPÖ nannte das Ausgrenzung, die Sozialdemokratie subsumierte es unter Anstand. Mit Alfred Gusenbauer schien da eine Kontinuität gewahrt. Er war ja als Gegenthese zu Karl Schlögl Parteichef geworden, der gerne mit der FPÖ regiert hätte, und er war über Jahre auch die Gegenthese zu Wolfgang Schüssel und seinem schwarz-blauen Experiment.

Die Vermutung, die SPÖ würde Schüssels Tabubruch nicht nachmachen, beruhte somit vor allem auf dem Vertrauen in Gusenbauers Charakter. So formulierte profil es, so schrieb es Hans Rauscher im „Standard“, so versicherten es Gusenbauers Freunde wie André Heller (wie kommentiert er eigentlich den Schulterschluss mit der „Krone“?) oder Harald Krassnitzer. Und jetzt?

Jetzt hat Gusenbauer den Anstand ausgegrenzt und den Verstand und die Verlässlichkeit (und Parteichef ist er obendrein nicht mehr).
Mit welcher Berechtigung sollen wir nun auf seinen Widerstand gegen die FPÖ vertrauen, wo er sich in eine Koalition mit genau der Zeitung begeben hat, die von der SPÖ über Jahre als ein zentrales Organ jener Freiheitlichen Partei kritisiert worden ist? Entspricht es einem allgemeingültigen Verständnis von demokratischen Abläufen, wenn Österreichs Politik gegenüber Europa in einem Brief an eine Zeitung neu definiert wird? Und ist diese neue Politik ein Zeugnis von ideologischer Kontinuität und internationaler Verlässlichkeit, stimmt also noch, was Armin Thurnher eben im „Falter“ geschrieben hat, dass „Gusenbauer Kanzlerformat hat, und zwar dort, wo es Österreich wirklich braucht, außenpolitisch und in Europa“?

Hinzu kommt: Der neue Parteichef heißt Werner ­Faymann, vielleicht auch schon bald der neue Kanzler. Er bemühte sich vergangene Woche, jede Möglichkeit einer Koalition mit „dieser Strache-FP֓ auszuschließen. Aber was ist mit einer „anderen Strache-FP֓? Wir wissen zu wenig über Faymann, um seine innere Distanz zu einer lila Koalition ermessen zu ­können. Daraus lässt sich wohl schließen: Eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ ist ab sofort in Reichweite, und schon durch die bloße Möglichkeit bricht die Sozialdemokratie mit einer Tradition und einer Haltung, die über Jahrzehnte hochgehalten worden sind. Und die Möglichkeit kann nach Neuwahlen sehr schnell Realität werden, etwa als Lila light in Form einer roten Minderheitsregierung mit blauer Duldung.
Bei einer von der FPÖ geduldeten Minderheitsregierung könnte sich Alfred Gusenbauer (so er dann noch Kanzler ist) auf sein großes Vorbild Bruno Kreisky berufen. Außer natürlich die Sozialdemokraten werden Zweite. Oder Dritte.