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Affäre. Die Beraterbranche ist nach den Millionenskandalen ins Zwielicht geraten

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Bei dem einen kostet ein Satz 272.700 Euro, beim anderen belief sich das Organisieren einer Pressekonferenz auf 96.000 Euro, und beim Dritten zahlte man für jede Beratungssekunde 1,39 Euro. Die Rede ist von den Herren Dietrich Birnbacher, Gernot Rumpold und Peter Hochegger, denen von ihren Auftraggebern – der Kärntner Landesholding, dem Eurofighter-Hersteller EADS und der Telekom Austria – entsprechende Honorare bezahlt wurden. Warum auch immer.

Ausgerechnet die Gilde der PR-Consultants, Strategieberater und Lobbyisten zählt, neben den Politikern, zu den großen Imageverlierern der jüngsten Skandalwelle. Unentwirrbar gehen Kommunikationsberatung, Untreue und freche Abzockerei in fast allen zur Untersuchung anstehenden Fällen ineinander über.

Für Beratung und „Kontakte ins Finanzministerium“ hat Walter Meischberger von der Telekom insgesamt 900.000 Euro bezogen. Nicht viel weniger, 700.000, soll es beim Berater Heinz Lederer gewesen sein, der dafür laut Peter Hochegger der Telekom die Schiene in die SPÖ legen sollte.

Wofür Alfons Mensdorff-Pouilly 1,1 Millionen Euro bezog, ist ebenso ungeklärt. Nichts Näheres weiß man auch über die 100.000 Euro für Ex-Innenminister Ernst Strasser, der sich nach seinem Abgang als Consultant herumtat und den Job auch als Europa-Parlamentarier auszuüben gedachte. Die Gage verpflichtete ihn bloß zur Teilnahme an vier Sitzungen im Jahr – die damit mit je 25.000 Euro abgegolten wurden.

Hubert Gorbach
(BZÖ), immerhin ein leibhaftiger Ex-Vizekanzler und ehemaliger Verkehrsminister, kassierte nach seinem Abgang in die nebelige Welt des Consulting von der Telekom ohne sichtbare Gegenleistung 265.000 Euro. Dafür muss ein österreichischer Durchschnittsverdiener zehn Jahre lang arbeiten.

Ex-Verkehrsminister Mathias Reichhold (FPÖ) bekam für ebenfalls nicht näher definierte Beratungsaktivitäten von der Telekom via Peter Hochegger 72.000 Euro – immerhin drei Jahresgehälter eines Durchschnitts-Österreichers. Was war die Leistung?

Aber auch abseits solcher Summen, deren düsterer Entstehungsgeschichte mittlerweile die Korruptionsstaatsanwaltschaft und ein Untersuchungsausschuss des Nationalrats nachgehen, fließt in der Branche viel Geld, sehr viel Geld sogar.

Peter Hochegger
kassierte ganz legal allein vom Wiener Flughafen Monat für Monat 20.000 Euro und beriet das Direktorium vor allem in der Disziplin „Abwehr interner Intrigen“. Zuletzt hatte sich die Gage für Hochegger auf 440.000 Euro summiert. Genützt hat es nichts: Hocheggers Auftraggeber, der rote Flughafen-Chef Herbert Kaufmann, musste im Dezember vergangenen Jahres gehen.

Auch andere hoch dotierte Projekte waren nicht eben Knüller. Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser hatte Hochegger 2001 eine Roadshow zum Preis von 2,4 Millionen Euro ausrichten lassen, in deren Rahmen der Minister bei zehn Veranstaltungen vor insgesamt 6200 Wirtschaftstreibenden mit kleinen oder mittleren Betrieben über die Bühne tänzelte. Ein Kontakt Grassers mit einem der Kleinunternehmer belief sich auf satte 380 Euro.

Die schwer marode AUA gab 2007 nicht weniger als zwölf Millionen Euro für Beratung aus – die Durchschnittskosten von 177 Ganzjahresbeschäftigten –, während gleichzeitig heftig Personal abgebaut wurde.

Im Februar 2010 kritisierte der Rechnungshof nach Prüfung der Autobahngesellschaft Asfinag nicht nur die externen Beratungskosten beim Bau der Nordautobahn A5 (zwölf Millionen Euro allein für die Ausschreibung), sondern auch deren Wirkungslosigkeit. So habe die Asfinag für die Abgeltung der landwirtschaftlichen Nutzflächen im niederösterreichischen Weinviertel mit 115 Millionen Euro das Doppelte der in den Gutachten errechneten Verkehrswerte bezahlt.

Vor allem bei den Privatisierungen in der Zeit der schwarz-blauen Regierung wurde der Euro bei Beratungskosten nicht zweimal umgedreht. 2007 befand der Rechnungshof, die ÖIAG habe um viel Geld eine Investmentbank mit der Analyse der Austria Tabak beauftragt, obwohl das Unternehmen „Präsentationsunterlagen und Analysen in guter Qualität“ vorgelegt habe. Der Verkauf der Austria Tabak gilt heute als Beispiel für besonders fahrlässige Verschleuderung öffentlichen Eigentums: Der ATW-Käufer, der britische Gallaher-Konzern, verscherbelte das Unternehmen schon wenig später mit beträchtlichem Gewinn an einen japanischen Tabakkonzern.

Auch in den Bundesländern wurde der Rechnungshof bei der Suche nach hohen Aufwendungen für externe Dienste fündig. So gab etwa die steirische Landesregierung zwischen 2005 und 2010 rund 23 Millionen Euro für solche Leistungen aus. Umfassend beraten ließen sich offenbar auch die Kärntner Krankenhaus-Gesellschaft Kabeg und das LKH Klagenfurt: Deren diesbezügliche Kosten stachen dem Rechnungshof 2008 ins Auge, weil sie jährlich um 25 Prozent gestiegen waren.

Ingrid Vogl, Präsidentin des PR-Verbands und derzeit Kommunikationschefin des Bildungsvolksbegehrens, liegt der Verfall der Sitten in ihrem Gewerbe schwer im Magen: „Wir sind auch alle baff, wenn wir von den Summen hören, die da unterwegs sind. Man kann sich nur wundern.“ Die meisten der rund 9000 österreichischen Berater und PR-Macher seien in Einpersonenunternehmen tätig, mit ­äußerst überschaubaren Honorarsätzen.

Auch Josef Kalina, früher Bundes­geschäftsführer der SPÖ und heute Gesellschafter bei Unique Relations (acht An­gestellte), sind solche Honorarhöhen „völlig unbekannt“. 350 Euro pro Stunde sei ein gängiger Richtsatz. Werde ein größerer Kunde über einen ganzen Monat betreut, belaufe sich das auf rund 6000 Euro. Millionenbeträge à la Hochegger & Meischberger kommen so nicht zusammen.

Thomas Hofer, früher profil-Innenpolitik-Redakteur und heute gefragter Politikberater, glaubt denn auch, dass der Großteil der Strategie- und PR-Berater das Dasein „mehr schlecht als recht“ fristet. Die von Hofer genannten Summen für das schon eher gehobene Segment – 300 Euro pro Beratungsstunde, 2000 bis 2500 für einen ganzen Tag – entsprechen nicht annähernd den im jüngsten Affären-Karussell genannten Beträgen.

An die von ausgegliederten Unternehmen wie ÖBB oder Asfinag aufgewendeten Summen reichen die Beraterbudgets der Ministerien nicht heran – in Einzelfällen flossen aber auch in der Politik beträchtliche Summen. So gab Finanzminister Karl-Heinz Grasser allein in den Jahren 2002 und 2003 flotte zehn Millionen für Beratungsleistungen bei der Buwog-Privatisierung, dem Verkauf des Bundesverlags und der Einrichtung der Bundesbeschaffungsgesellschaft aus.

Wie viel die gegenwärtige Regierung für derartige Zwecke aufwendet, lässt sich trotz hartnäckiger Anfragen des Grün-Abgeordneten Karl Öllinger nicht ganz klären: Bei ihren Antworten vermischen die Ressorts strategische Beratungskosten mit den Aufwendungen für wissenschaftliche Studien, was 2009 eine Gesamtsumme von überschaubaren 13,6 Millionen Euro ergab. Öllinger ärgert denn auch weniger die Höhe als die Systematik mancher „Beratungsprozesse“: „Bei Postenvergaben werden unter dem Titel ,Objektivierung‘ oft externe Gutachten eingeholt, die selbstverständlich das erwünschte Ergebnis liefern. Alles läuft wie ohnehin von Anfang an geplant, aber irgendjemand hat etliche Tausender dabei verdient.“

Wie in diesen Fällen dient das Beiziehen eines Beratungsinstituts dem Politiker dafür, sich von einem Teil seiner Verantwortung einfach freizukaufen: Er selbst hätte diese unpopuläre Maßnahme ja nicht gesetzt, aber wenn sie von einem unabhängigen Consulting-Spezialisten dringend vorgeschlagen werde …

Viele Aufträge werden überdies außer Haus vergeben, obwohl sie im Ressort selbst durchaus erledigt werden könnten. Versuche, diesen Zustand zu ändern, scheitern stets an mächtigen Interessengruppen. So schlug der damalige Finanzminister Wilhelm Molterer 2008 vor, die Ministerien sollten sich künftig in Rechtsfragen an die Finanzprokuratur des Bundes und nicht an teure Anwaltskanzleien wenden, weil sich das pro Jahr auf acht Millionen Euro belaufe. Schon wenige Wochen später wurde eine entsprechende Passage im zum Beschluss anstehenden Finanzprokuraturgesetz wieder entfernt: Es hatte wütende Proteste der mächtigen Advokaten-Lobby gehagelt.

Ganz korrekte Consulter wie Karl Krammer, ehedem Sprecher von Bundeskanzler Franz Vranitzky, nehmen denn auch keine Aufträge von Ministerien an: „Ich will mir nichts nachsagen lassen.“ Er schließt mit seinen Kunden gern längerfristige Verträge ab, abgerechnet wird dann per Beratertag, der sich auf etwa 2000 Euro beläuft. Wenn die Recherchen aufwändiger werden als ursprünglich absehbar, wird nachverhandelt.

Die aus der Politik kommenden Berater und PR-Leute haben ein etwas anderes Berufsbild als die alteingesessenen. „Das feine Abendessen mit dem Kunden, der Besuch im Rotweinkeller, das Vermitteln von Telefonnummern – das stirbt aus, weil die Leute merken, dass es nicht funktioniert“, meint Josef Kalina.

Ähnlich sieht das auch Heidi Glück, vormals Sprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und nun Besitzerin der Media Public Affairs Consulting: „Für einen Termin bei einem hohen Beamten oder vielleicht sogar einem Minister braucht man in Österreich keine Agentur.“ Den Unternehmen mangle es im Kontakt mit der Politik an etwas ganz anderem: „Sie können den Gesetzesmachern nicht hinreichend erklären, dass die von ihnen angestrebten Maßnahmen nicht nur ihrem Betrieb, sondern auch dem Gemeinwohl dienen. Dafür brauchen sie Beratung.“ Die Kosten pro Tag setzt Heidi Glück, je nach Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, zwischen 2500 und 5000 Euro an.

Im Zwielicht der jüngsten Affären könnten der Zunft jetzt schwere Zeiten bevorstehen – vor allem im Fall einer neuerlichen Wirtschaftskrise: Firmen sparen bevorzugt zuerst bei Werbe- und Beratungskosten, was die gesamte Kommunikationsbranche trifft. Der Siemens-Konzern etwa halbierte 2008 beim Ausbruch der letzten Krise seine Beraterkosten auf unter 300 Millionen – wenig für einen global agierenden Technologieriesen. Auch ÖBB-Chef Christian Kern kündigte bei seinem Amtsantritt im Vorjahr an, die externen Beratungskosten mindestens zu halbieren.

Solche Sparzwänge können durchaus auch Prominente treffen: Der schwer gebeutelte Peter Hochegger kündigte etwa im vergangenen März einem leibhaftigen Ex-Bundeskanzler. Alfred Gusenbauers hatte Hocheggers noch verbliebene Firma Sicon seit Mitte 2010 beraten. Vereinbartes Jahreshonorar: 100.000 Euro. Das kann sich Hochegger jetzt nicht mehr leisten.

Große der Branche, aber auch einige Newcomer – Wolfgang Rosams Change Communication, die Lobbygroup Public Interest, die Agentur Ecker & Partner, die Strategieberatung des früheren Geschäftsführers der Grünen, Lothar Lockl, Sophie Karmasins Meinungsforschungsinstitut und der Politologe Peter Filzmaier – haben sich als Leading Advisors zusammengetan, eine Art Gruppenpraxis in Sachen Kommunikation mit Full Service: Der Kunde kann sich strategisch beraten lassen, bekommt eine Umfrage und konkrete PR-Ideen aus einer Hand.

Noch bessere Konjunktur dürfte allerdings bald die vom Berater Alfred Autischer (Gaisberg Consulting) angebotene Litigation PR haben: Es handelt sich um „prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit“ für Angeklagte.