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Luftfahrt: A strike in the sky

A strike in the sky

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Die Dame hinter dem Schalter zuckt die Schultern. "Verspätungen ", meint sie, steht auf und streicht den Rock des knallroten AUA-Kostüms glatt, "gibt es keine nennenswerten. Ausfälle schon gar nicht." Dass die Anzeigetafel in der Abflughalle für die 17.20-Uhr-Maschine kurz vor 18 Uhr immer noch auf "Boarding " stand, sei "doch im Rahmen".

Kaum zehn Minuten später musste die adrette Blondine ihre Meinung ändern. Die Bordbesatzung von Austrian Airlines war Donnerstag, punkt 18 Uhr, in einen zweistündigen Warnstreik getreten. Bis 20 Uhr Uhr sollte die Tafel in der Abflughalle für nicht weniger als 18 AUA-Maschinen den Status "Boarding" anzeigen - wartende Passagiere mussten mit Kaffee und Kuchen vertröstet werden. Die rund 600 streikenden Piloten und Flugbegleiter zogen sich ins AUA-Betriebszentrum zurück.

"Die Stimmung in der AUA-Betriebsversammlung ist gekippt", erklärt Wolfgang Hable, AUA-Pilot, Gewerkschafter und Betriebsrat, die plötzliche Offensive, "die Kolleginnen und Kollegen wollen sich das einfach nicht gefallen lassen."

Der zweistündigen Arbeitsniederlegung waren Verhandlungen vorausgegangen, in denen der AUA-Vorstand die Piloten zu einem Gehaltsverzicht von 35 Prozent bewegen wollte. Die Gewerkschaft hatte den Verhandlungstisch ob dieses ihrer Ansicht nach "untragbaren Vorschlags" vorzeitig verlassen und den "Arbeitskampf" ausgerufen. "Wir waren und sind jederzeit für Gespräche bereit", beteuert AUA-Chef Vagn S¢rensen. "Diese Gesprächsbereitschaft haben wir gesehen", kontert Lauda- Betriebsrat Thomas Fischelmaier mit bissigem Unterton. "Wir haben dem Vorstand einen Gegenvorschlag unterbreitet, durch den der Flugbetrieb nachhaltig billiger wird. Mehr als das verträgt das Personal einfach nicht."

Schon der Beginn der Verhandlungen stand unter keinem guten Stern. "Der Vorstand hat uns anfangs völlig falsche Zahlen auf den Tisch gelegt", wettert Betriebsrat Hable. Einem von der Führung vorgelegten Businessplan zufolge sollte die Eigenkapitalquote ohne Sparmaßnahmen bis zum Jahr 2006 auf 4,6 Prozent sinken. Eine Größenordnung, bei der die Fluglinie sogar um ihre Lizenz bangen müsste. Zwei Stunden später revidierten die Vorstände die zu erwartende Quote auf 16,8 Prozent. Hable wütend: "Die bescheißen und betrügen uns, wo es nur geht."

Alleingang. Während an den Betriebsversammlungen noch Piloten, Kopiloten und Flugbegleiter aller drei Konzerngesellschaften AUA, Lauda Air und Tyrolean teilgenommen hatten, war der Warnstreik ein Alleingang der AUA-Leute. Sie wollen die vom Vorstand geplanten Abstriche bei den Pilotengehältern unter keinen Umständen akzeptieren.

Bis zu 13.012 Euro verdienen AUA-Piloten brutto im Monat, diverse Zulagen, Abfertigungs- und Pensionsansprüche noch nicht eingerechnet (siehe Grafik). "Das ist mehr, als der Markt derzeit verträgt", erklärt Vorstandschef S¢rensen. "Die von uns vorgeschlagenen 35 Prozent entsprechen dem Wettbewerbsnachteil des AUA-Flugbetriebs gegenüber anderen Gesellschaften. Diese Lücke müssen wir schließen."

Die Belegschaftsoffensive trifft die AUA-Gruppe in einer ohnehin schwierigen Phase. SARS, Irak-Krieg, Wirtschaftsflaute und der stärker werdende Druck der Billigairlines haben dem Unternehmen im ersten Halbjahr 2003 ein Umsatzminus von 8,7 Prozent und ein Vorsteuerergebnis von minus 28,7 Millionen Euro beschert. Die Aussichten auf eine Besserung sind dürftig.

Große Unterschiede. Streiks, vor allem wenn sie länger andauern, sorgen zwangsläufig für zusätzliche Verluste durch Flugausfälle, Umbuchungen und gegebenenfalls die Anmietung externer Maschinen und Crews. Ganz zu schweigen vom Imageschaden für die als zuverlässig geltende AUA.

Die Betriebsräte kratzt das vergleichsweise wenig. Sie wollen ihre Forderungen durchsetzen. "Die Belegschaft hat sich in einer Abstimmung voll hinter uns gestellt", erklärt Lauda-Funktionär Fischelmaier. Was durchaus verwundern mag. Schließ- lich geht es dem Management in erster Linie um die Kürzung der am höchsten dotierten AUA-Piloten. Deren Kollegen bei Lauda Air und Tyrolean verdienen um bis zu 45 Prozent weniger. Das sei auch der Grund, so AUA-Chef S¢rensen, "dass diese beiden Gesellschaften durchaus wettbewerbsfähig sind". Und das mag wohl auch der Grund sein, warum die AUA-Crew mit dem ersten Warnstreik allein vorgeprescht ist. Die Mannschaften von Lauda und Tyrolean wollten fürs Erste nicht mitziehen. Sollte es diese Woche ernst werden mit längeren Streiks, wollen aber auch sie sich auf die Seite ihrer AUA-Kollegen stellen.

Dass auch die Flugbegleiter, die mit Einstiegsgehältern von 1230 Euro brutto im Monat auskommen müssen, zumindest nach außen hinter der Forderung stehen, überrascht. "Viele von uns wollen ja gar nicht zu den Versammlungen gehen oder streiken", meint eine Stewardess, "aber der Betriebsrat setzt uns unter Druck." AUASprecher Hannes Davoras weiß um diese Praxis: "Ich kann den Kolleginnen und Kollegen nur raten, diesem Druck nicht nachzugeben und nur dann zu streiken, wenn sie selbst hinter der Sache stehen."

Ob, wann und in welchem Ausmaß es zu größeren Streiks kommt, vermögen nicht einmal die Betriebsräte genau vorherzusagen. "Die letzte Entscheidung", so Wolfgang Hable, "trifft die Belegschaft. Wenn in einer der weiteren Betriebsversammlungen die Stimmung abermals kippt und alle nach Streik rufen, werden wir Ernst machen."