Luftfahrt

Luftfahrt: Lauda gegen alle

Lauda gegen alle

Drucken

Schriftgröße

Er ist ganz der Alte. Grußlos setzt sich Niki Lauda an den für ihn vorbereiteten Tisch bei Do&Co in der Wiener Albertina. Ein paar Sekunden lang übt er Geduld und wartet das Abflauen des ersten Blitzlichtgewitters ab. Dann wendet er sich an die Kameraleute, die mitten in der großen Journalistenschar Stellung bezogen haben: „Wollts ihr da so stehen bleiben? Da sehen ja die Leute hinten nix mehr“, moniert er flapsig.

Die Location für seine Pressekonferenz ist nicht ganz zufällig gewählt. Do&Co-Chef Attila Dogudan zählt zu Laudas ältest gedienten Freunden. Er sorgt seit 1987 für das Bord-Catering der Lauda Air und hat sich über all die Jahre wohl schon damit abgefunden, dass sein Freund kaum jemals eine Zeche bezahlt hat. So dürfte am Ende des Tages auch diesmal das Buffet nicht zu Laudas Lasten gehen.

„Ich denke bereits seit einem Jahr über die neue Art des Fliegens nach“, beginnt Lauda, um drei Sätze später zur Sache zu kommen: „Ich habe persönlich die Mehrheit der Österreich-Tochter von Aero Lloyd übernommen.“ Viel Überredungskunst bedurfte es aufseiten der Verkäufer nicht. 49 Prozent gehören der insolventen deutschen Fluggesellschaft Aero Lloyd Flugreisen GmbH & Co. Luftverkehrs-KG. Deren Masseverwalter ist froh, eine Baustelle weniger am Hals zu haben. Und auch der bisherige Mehrheitseigentümer, der Filmproduzent Michael Wolkenstein („Opernball“), war für einen Ausstieg leicht zu gewinnen, wenngleich ihm das Unternehmen, wie er sagt, „sehr ans Herz gewachsen“ sei. „Ich hab halt auch den Vogel für die Fliegerei, besitze selber den Linienpilotenschein“, erklärt Wolkenstein. Lauda kennt er „seit ewigen Zeiten“. „Die Professionalität, mit der er an die Sache herangegangen ist, hat mich aber überzeugt, dass das nicht nur eine, Gott sei Dank, österreichische, sondern auch positive Lösung ist.“

Der Preis für die Übernahme von etwas über 75 Prozent ist geheim, dürfte angesichts der tristen Situation in der Luftfahrtbranche aber überschaubar sein. Deutlich mehr Geld werden die Startinvestitionen verschlingen. Flieger müssen geleast, eine Marke erfunden, Logos aufgepinselt, Personal akquiriert und noch einige Details zum Marketingkonzept ausgetüftelt werden. Lauda: „Daran wird noch gearbeitet“ (siehe Interview).

Vier Millionen Euro hat Lauda selbst als Kapitalbedarf definiert. Es handelt sich um Geld, das er, ganz gegen seinen sonstigen Hang zur Knausrigkeit, ausschließlich selber aufbringen will – keine Banken, keine Partner, fürs Erste jedenfalls.
Leisten kann sich der 54-jährige Wieder-Airliner das Investment allemal. Sein in der „Privatstiftung Lauda“ geparktes Vermögen – fast ausschließlich in Aktien und Anleihen investiert – wird auf rund 35 Millionen Euro geschätzt (siehe Kasten Seite 68). Was sind da schon vier Millionen, wenn man damit auch den Erzrivalen Austrian Airlines ärgern kann.

Alte Feinde. Die Rivalität hat eine lange Geschichte. Denn es ist bereits das dritte Mal, dass Lauda gegen die staatliche Fluggesellschaft in den Ring steigt (siehe Kasten Seite 65). Dass die ersten beiden Kapitel für ihn wenig ruhmreich endeten, wurmt ihn noch heute. Überbordende Verluste hatten den streitbaren Unternehmer 1997 in eine Allianz mit dem Erzrivalen Austrian Airlines gezwungen. 2000 schluckte diese die gesamte Lauda Air, der Gründer musste seinen Sessel räumen.
Das schreit förmlich nach Revanche.

Das Konzept einer Billig-Airline, mit dem Lauda ins Gefecht um Linien- und Charterpassagiere zieht, ist nicht neu, obwohl er selbst glauben machen will, es sei in Österreich einmalig. Gut ein Dutzend so genannter Low-Cost-Carrier sind heute in Europa aktiv, eine Hand voll fliegt auch Österreich an und befördert mittlerweile weit über eine Million Gäste pro Jahr (siehe Tabelle Seite 62). Austrian-Boss Vagn Sørensen: „Aero Lloyd gab’s ja auch bisher. Jetzt hat sie halt einen neuen Eigentümer.“ Sørensen hat auch einen pikanten Gegner aufzubieten: die von Lauda 1985 gegründete und heute zur Austrian-Gruppe gehörende Lauda Air. Auch die hatte der Dreifach-Weltmeister nach seinem Ausstieg aus der Formel 1 als Billiganbieter positioniert. Wenn er jetzt verspricht, seinen Passagieren besonders guten Bordservice bieten zu wollen, kann die Lauda Air auch hier dagegenhalten: ausgerechnet mit Bordcatering Marke Do&Co. Der beste Freund wird nun zum Konkurrenten. Mario Rehulka, einst Austria-Vorstand und Laudas Erzfeind, spart deshalb nicht mit Häme: „Ich frag mich nur, wer wird diesmal am Ende bezahlen.“

Schwere Zeiten. Es darf bezweifelt werden, dass Niki Lauda mit seiner neuen Linie das Fluggeschäft revolutionieren wird. Wenig ausgegoren klingt die Ankündigung vom „Flugerlebnis, das die Gäste zu Wiederholungstätern machen soll“. Leichter gesagt als getan. Sollten etwa Bordkapellen und Unterhaltungsshows à la „Traumschiff“ die Passagiere von den Sitzen reißen? Lauda winkt ab: „Das wären ja Leute, die Platz brauchen und nichts dafür zahlen.“

Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren schon besser. Die Luftfahrtbranche steckt in der härtesten Krise ihrer Geschichte. Fast alle Gesellschaften schreiben Verluste, einige Airlines landeten wie Aero Lloyd vor dem Konkursrichter. Vergangene Woche erst mussten auch die Austrian Airlines für die ersten neun Monate einen Verlust vor Steuern von 19 Millionen Euro vermelden. Und in seiner Lauda-Air-Zeit hat er zwar gezeigt, dass er ein Marketinggenie ist, die roten Zahlen blieben aber seine steten Begleiter.

Denkbar schwierige Vorzeichen also. Doch Lauda hat einen Trumpf im Ärmel: seine Popularität. Jeder kennt Lauda und ist stolz darauf, dass ein Österreicher als Dreifach-Weltmeister in die Geschichte der Formel 1eingegangen ist. Wer ihn persönlich kennt, ist auch darauf stolz. Viele nennen ihn schon nach einem zufälligen gemeinsamen Abend in einer Bar „ihren Freund“. Auch sonst auf kritische Distanz bedachte Journalisten, denen er irgendwann das persönliche Du angeboten hat, rufen ihm ebendieses bei Pressekonferenzen mit geblähtem Brüstel entgegen. Nix mit dem förmlich distanzierten „Herr Lauda“, sondern, „du, Niki“.

Ähnlich wie bei Hermann Maier leidet halb Österreich mit ihm, wenn er in Schwierigkeiten gerät, und jubelt kollektiv, wenn er Erfolge feiert. „Es gibt genug Verrückte“, witzelt ein Pilot, „die mitfliegen werden, nur weil der Jet Niki Lauda gehört und er vielleicht sogar im Cockpit sitzt.“

Kostendrücker. Schon bisher gingen jährlich über eine halbe Million Passagiere bei Aero Lloyd an Bord. Laudas Popularität wird dazu beitragen, dass die Zahl eher steigt als sinkt. Wenn die Linie auch nicht Lauda Air heißen kann, weil die Namensrechte heute Eigentum von Austrian Airlines sind. Sie wird auch nicht „Lloyda Air“ oder „Niki Air“ heißen, weil es, so Lauda, „einfach blöd klingt“.

Als Sparmeister par excellence hat Lauda zudem gelernt, die Kostenschraube bis zum Anschlag zuzudrehen. „Der ist nicht einmal zu seinen Kindern großzügig“, weiß ein Sponsor. So wird er auch beim Personal sparen. Der Markt macht es möglich. Überkapazitäten zwingen Fluglinien zum Mitarbeiterabbau. Piloten und Flugbegleiter sind auf Jobsuche, weil sie bereits arbeitslos sind oder fürchten, es bald zu sein.
Schon bei der Lauda Air hatte der ausgebildete Pilot seine Kollegen kurz gehalten. Fast 50 Prozent lag das Durchschnittsgehalt seiner Crews einst unter dem Austrian-Niveau. Jetzt will er ähnliche Bedingungen schaffen. Ziel: um 30 Prozent unter dem Lohnniveau der profitablen Billiglinie Ryanair zu liegen.

Die Leasingraten für zwei Airbus-Maschinen im Winter und vier im Sommer, die er sich aus dem Aero-Lloyd-Bestand holt, will Lauda von derzeit 250.000 auf 200.000 Euro monatlich drücken. Mit gar nicht so schlechten Chancen: Die Bayerische Landesbank, 66-Prozent-Eigentümer der deutschen Aero Lloyd und Leasinggeber, wird froh sein, die Dinger loszuwerden. Weltweit stehen derzeit 2100 Jets still, und stehende Maschinen kosten Geld.

Rachefeldzug. Dass Lauda bereits zwei Jahrzehnte im Flugbusiness hinter sich hat, bringt ebenfalls Vorteile. Er kennt die Bosse der großen Reiseveranstalter wie Tui oder Thomas Cook allesamt persönlich und hat in den vergangenen Tagen die ersten Kontingente mit ihnen ausverhandelt.

Otmar Lenz, einst Co-Vorstand bei Lauda Air und heute Geschäftsführer der kleinen österreichischen Fluglinie Styrian Airways, traut Lauda einiges zu: „Im Kostenmanagement war er immer gut. Jetzt darf er nur nicht zu schnell wachsen.“ Auch Laudas Nachfolger im Lauda-Air-Vorstand, Ferdinand Schmidt, heute Vorstand bei den Österreichischen Bundesbahnen, sieht Potenzial: „Andere Fluglinien verlangen 5,50 Euro für eine Wurstsemmel an Bord. Da kann er mit gutem Catering sicher wieder punkten.“

Lauda will es dem Austrian-Management, den Kritikern und Vorständen von damals und auch den Politikern in jedem Fall noch einmal zeigen. Seine Glaubwürdigkeit schwindet erdrutschartig, wenn er in Interviews zu erklären versucht, er hätte „keine Rachegelüste“.

Entgegenkommen dürfte ihm auch, dass er – anders als bei seinen ersten beiden Startversuchen – keine Schulden am Hals und jede Menge Kohle auf der hohen Kante hat. Dass er im Bedarfsfall auf das eigene Vermögen zurückgreift, ist bei Lauda freilich auszuschließen.