Luftfahrt: Harte Landung für die AUA

Luftfahrt. Verluste, Auslastungsprobleme und ein halbierter Aktienkurs.

Verluste und Auslastungs-probleme dramatisch

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So geschehen auch am Sonntag vorvergangener Woche. An diesem Abend dürfte das Licht wohl besonders lange gebrannt haben. Tags darauf musste der Vorstandsvorsitzende der AUA öffentlich präsentieren, was er die vergangenen Monate geleistet hatte. Die Bilanz seines Wirkens fiel eher ernüchternd aus. Bei einem leicht gestiegenen Umsatz hatte die börsenotierte Fluglinie im ersten Halbjahr 2005 einen Verlust von 106,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Bereinigt um „Sonderfaktoren“, blieb unter dem Strich immer noch ein Minus von 83,3 Millionen Euro – mehr als viermal so viel wie im ersten Halbjahr 2004. Die Kosten waren dramatisch gestiegen, Ticketpreise und Auslastung hingegen gesunken. Sørensen macht seinen Aktionären auch wenig Hoffnung für das gesamte Geschäftsjahr: „Wir sehen leider keine Möglichkeit, das im zweiten Halbjahr zu kompensieren, und gehen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen von einem Verlust für heuer aus“.

Düstere Prognosen. Glaubt man den Aktienanalysten, wird dieser kräftig ausfallen. Jens Zimmermann von der Bank Austria Creditanstalt prognostiziert ein Minus von 65 Millionen Euro. Gudrun Egger von der Erste Investmentbank rechnet mit einem Verlust von 66,1 Millionen Euro: „Die zweite Jahreshälfte wird sicher eine Herausforderung für das AUA-Management.“ Und Teresa Schinwald von der Raiffeisen Centrobank sieht das Defizit sogar bei 81,4 Millionen und meint: „Wir sehen leider nicht viel Raum für eine Verbesserung.“
Die Rahmenbedingungen sind zweifelsohne schwierig. Die Treibstoffkosten sind so hoch wie nie zuvor. Der Preis für eine Tonne Kerosin ist in den vergangenen zwölf Monaten um 200 Dollar auf rund 600 Dollar gestiegen. Sørensen erwartet für die AUA dadurch dieses Jahr Mehrbelastungen von über 100 Millionen Euro, die durch Treibstoffzuschläge, die seit Juli bis zu 37 Euro pro Ticket betragen, nicht einmal zur Hälfte abgefangen werden könnten. Billigfluglinien haben sich mittlerweile auch auf dem österreichischen Markt breit gemacht, immer weniger Kunden sind bereit, für ein Ticket mehrere hundert Euro zu bezahlen. Die Erträge pro Passagier und Kilometer sind im Lichte dieser Entwicklung seit 1990 um durchschnittlich ein Drittel auf zuletzt nur noch knapp über acht Cent gefallen. Terroranschläge wie jüngst in London und Ägypten sorgen zudem – zumindest vorübergehend – für sinkende Fluglust bei den Kunden.

Hausgemachte Probleme. Die AUA kämpft überdies auch noch mit vergleichsweise hohen Standortkosten am Heimatflughafen Wien. Die mit Jahresanfang vom Finanzministerium auf acht Euro pro Passagier fast verdoppelte Sicherheitsgebühr verursacht zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt eine weitere Belastung. Ein Versuch des Unternehmens, die Gebührenerhöhung durch eine Klage beim Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen, scheiterte aber vergangene Woche ebenso wie Sørensens Vorstoß, politische Hilfestellung von der Bundesregierung zu erbitten. Der Bundeskanzler ließ den AUA-Chef kalt abblitzen. Österreich ist kein Scheichtum, „dass den Ölpreis bestimmen kann“, teilte Wolfgang Schüssel kühl mit.

Äußere Rahmenbedingungen, die schwer zu beeinflussen sind und andere Fluglinien in gleichem Ausmaß treffen. Der dreiköpfige Austrian-Airlines-Vorstand um Vagn Sørensen hat aber offenbar, anders als andere Airlines, zu spät auf die merklich schwächer werdende Nachfrage reagiert. Das führte zwangsläufig zu einer Reduktion der Auslastung von 71,1 auf 69,8 Prozent. Und leere Sitze sind teuer. „Ob das eine Fehleinschätzung war oder nicht, weiß ich nicht“, sagt Sørensen heute. Es sei vielen Fluglinien so ergangen. Im Gegensatz zu diesen hat die AUA ihre Kapazitäten, vor allem Richtung Osten, zuletzt aber sogar teilweise erweitert. Ein Fehler, wie Konkurrent Niki Lauda meint: „Die haben quasi über Nacht alle Ostdestinationen ausgebaut. Es braucht aber zwei bis drei Jahre, bis sich eine neue Linienstrecke rechnet. Das rächt sich jetzt natürlich.“ Zwar wurden die Kapazitäten mittlerweile angepasst, in der Zwischenzeit liefen freilich auf diesen Strecken Verluste an.

Auch bei den Treibstoffpreisen haben andere Airlines eine bessere Strategie gewählt. Die Deutsche Lufthansa etwa hat sich, wie auch einige Billigfluglinien, über so genannte Hedging-Geschäfte zumindest für einige Zeit gegen steigende Preise abgesichert. Sie haben bereits im Vorfeld Lieferkontrakte zu fixen Konditionen geschlossen und konnten so die enormen Preissteigerungen wenigstens teilweise abfedern. Die AUA hingegen hat auf derartige Absicherungen verzichtet, bekommt also jede Teuerung direkt und in vollem Umfang zu spüren. BA-CA-Experte Zimmermann zieht sogar eine direkte Parallele: „Seit die Treibstoffpreise Anfang 2004 so stark gestiegen sind, hat auch der Kurs der Aktie fast im gleichen Ausmaß nachgegeben.“ AUA-Boss Sørensen ist freilich überzeugt, die Chance auf den Abschluss solcher Verträge gar nicht gehabt zu haben. „Das erfordert eine ausgezeichnete Finanzlage und eine sehr gute Bilanz, weil man praktisch vorauszahlt“, sagt der AUA-Chef. „Das können sich Lufthansa oder einige Billigairlines wie Ryanair leisten. So eine finanzielle Basis hatten wir leider nie.“
Die Geduld der Aktionäre wird unterdessen auf eine harte Probe gestellt. Seit dem Frühsommer 2004 ist der Kurs der AUA-Aktie von über 13 auf zuletzt nur noch 6,50 Euro gefallen. In harter Währung ausgedrückt: Austrian Airlines haben binnen zwölf Monaten über 200 Millionen Euro Kapital der Anleger vernichtet. Und das ist nach Einschätzung von Analysten noch gar nicht alles: Sie sehen das Kursziel derzeit bei 5,50 bis allenfalls sechs Euro. Eine Dividende dürfte es weder heuer noch im kommenden Jahr geben. Dem Vernehmen nach sollen sich einzelne Mitglieder des Aufsichtsrates mittlerweile Sorgen um die Zukunft des Unternehmens machen.

Die AUA steht zu 40 Prozent im Eigentum der Verstaatlichtenholding ÖIAG, eine Gruppe institutioneller Investoren um Bank Austria Creditanstalt und Raiffeisen Zentralbank hält gut zehn Prozent, 1,5 Prozent stehen im Eigentum der französischen Air France, der Rest der Aktien befindet sich in Streubesitz.
Aufsichtsratspräsident und ÖIAG-Vorstand Rainer Wieltsch ist Fragen nach Sørensens beruflicher Zukunft – sein Vertrag endet im September 2006 – bisher konsequent aus dem Weg gegangen. Dennoch soll das Gerangel um den besten Platz im Hause bereits voll im Gange sein. Vor allem Vertriebschef Josef Burger werden Ambitionen auf den Vorstandsvorsitz nachgesagt. Der ehemalige Tyrolean-Manager war, wie Sørensen und Finanzchef Thomas Kleibl, im Oktober 2001 bestellt worden. Und er steht bei den Eigentümervertretern im Ruf, der Mann fürs Grobe zu sein. So wurde er im letztjährigen Arbeitskonflikt mit den Piloten als Chefverhandler vorgeschickt, während sich Sørensen eher im Hintergrund hielt.

Vagn Sørensen selbst pariert Fragen nach seiner weiteren Karriereplanung höflich, aber bestimmt: „Das war für mich bisher kein Thema.“

Von Martin Himmelbauer