Putsch im Pyjama

Machtergreifung im Pyjama: Hatten USA bei Putsch in Honduras ihre Finger im Spiel?

Hatten USA in Honduras ihre Finger im Spiel?

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Von Andreas Fink

Einer wusste sofort, was Sache ist in Honduras: Hugo Chávez, der Comandante von Venezuela. Während sein in der Nacht zuvor aus dem Präsidentenpalast entführter und in Costa Rica abgeladener Amtskollege Manuel „Mel“ Zelaya noch dabei war, im Pyjama eine erste Pressekonferenz zu geben, benannte Chávez bereits die wahren Hintermänner des Putsches: das Imperium, die USA, die CIA.

Die üblichen Verdächtigen

Besonders originell war das nicht. Zu logisch schien der Plot: Linker Präsident wird von rechten Militärs beseitigt, die mit US-Unternehmen verbandelte Oligarchie übernimmt die Kontrolle. Und außerdem: Hat es in Honduras mit seinen gezählten 125 Staatsstreichen in den vergangenen 150 Jahren in den letzten Jahrzehnten je einen Putsch gegeben, bei dem die CIA nicht im Spiel war? „Fueron ellos“ – „sie waren’s“ –, lautete die allgemeine Ansicht südlich von Texas. Bis Barack Obama sprach.

Seitdem scheint alles anders. Die USA verurteilen die Vorgänge, boykottieren die neue Regierung des reaktionären Millionärs Roberto Micheletti und stellen gar die Militärhilfe ein. „Obama führt die internationale Reaktion auf den Coup in Honduras“, titelte die angesehene brasilianische Zeitung „Estado de São Paulo“.

Konflikt. Hugo Chávez kann das gar nicht gefallen. Es war alles so schön angerichtet: ein Staatsstreich gegen einen Verbündeten aus seinem US-kritischen Wirtschaftsbündnis ALBA, gegen ein gewähltes Staatsoberhaupt. Nur zu gern hätte der Venezolaner – der daheim gerade dabei ist, die Opposition zu entmachten – international den Verteidiger der Demokratie gegeben.

Und nun das: eine US-Regierung, die ihm die Show stiehlt. Selbst Manuel Zelaya hatte kurz vor seiner Entführung der spanischen Zeitung „El País“ gesagt, die USA hätten sich „ganz klar auf die Seite der gewählten Regierung von Honduras“ gestellt. Er berichtete, der Umsturz sei eigentlich für den Donnerstagabend geplant gewesen – das Datum einer später im Parlament präsentierten gefälschten Rücktrittserklärung stützt diese Version. Aber ein Anruf aus der US-Botschaft habe die Aktion verhindert: „Hätten die USA zugestimmt, dann hätte es den Putsch gegeben.“

Tags darauf gab es den Putsch. Haben die USA also doch zugestimmt?

Nein, natürlich nicht, versichert Washington: US-Botschafter Hugo Llorens habe wochenlang versucht, den aufkeimenden Konflikt zu entschärfen.

Ja, natürlich, behauptet Hugo Chávez, während „unabhängige“ Medien seines Landes darauf hinweisen, dass Llorens 2002 im US-Sicherheitsrat Direktor für die Andenländer war: damals, als Venezuelas Oligarchie gegen Chávez putschte. Entweder sei Zelayas Entführung ein „Manöver der Falken“ hinter dem Rücken von Obama gewesen, mutmaßt das venezolanische Wochenblatt „Semana“ oder ein „Doppelspiel Obamas“.

Tatsächlich häufen sich die Zweifel am Unwissen Washingtons. Zu eng sind seit jeher die Verbindungen. Honduras’ Generalstabschef Romeo Vásquez, dessen Entlassung durch Zelaya der Auslöser des Umsturzes war, wurde einst von der CIA ausgebildet, ebenso Luftwaffenchef Luis Javier Prince Suazo.

Verbalakrobatik. Die Soto Cano Airbase, auf der 600 US-Militärs nun Daumen drehen, wurde unter der Reagan-Regierung angelegt. Von hier aus dirigierte Oliver North den schmutzigen Krieg der Contras gegen die Sandinisten in Nicaragua und die FMLN-Guerilla in El Salvador. In Honduras bildete die CIA das berüchtigte Bataillon 316 aus, das in den achtziger Jahren hunderte als Linke verdächtigte Bürger folterte und verschwinden ließ.

Manuel Zelaya wollte den US-Stützpunkt zum Zivilflugplatz machen, den Drogenkonsum legalisieren und eine neue Verfassung verabschieden, die Ressourcen und Bodenschätze unter staatliche Kontrolle stellt. Drei gute Gründe für Washington, ihn nicht in alle Ewigkeit zu unterstützen. Anders als alle Europäer und Lateinamerikaner nannte US-Außenministerin Hillary Clinton die nächtliche Abschiebung Zelayas „eine Aktion, die zu einem Putsch führen könne“, und mogelte sich so um das P-Wort herum, das die USA gesetzlich verpflichten würde, den Botschafter abzuziehen.

Offenbar reicht Obamas Solidarität aber nur bis zu den Präsidentenwahlen im Oktober. John D. Negroponte, einst Bushs Geheimdienstkoordinator, erklärt Clintons Verbalakrobatik so: „Sie will noch einen Hebel haben, um Zelaya zu bewegen, sein Referendum abzusagen.“

Negroponte kennt Honduras. Er war unter Ronald Reagan dort US-Botschafter.