Malaria, Gelbfieber und West-Nil-Virus

Malaria, Gelbfieber und West-Nil-Virus: Kommen Tropenkrankheiten nach Europa?

Kommen Tropenkrank- heiten nach Europa?

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Von Robert Buchacher

Heiß und feucht – das sind die Bedingungen, welche Stechmücken lieben, ob in Afrika oder sonst wo auf der Welt. Feuchtheiße Sommer kann es auch in Mitteleuropa geben, daher ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass die eine oder andere Stechmücke, die im Gepäck von Fernreisenden auf einem der heimischen Flughäfen landet, sich vorübergehend auch hierzulande wohl fühlt. Und wenn die Mücke Trägerin eines tropischen Krankheitserregers wie der Malaria ist, dann kann sie durchaus auch in unseren Breiten ihr Unwesen treiben und Menschen infizieren. Dergleichen geschieht zwar nicht jedes Jahr, aber es ist schon passiert.

Experten wie der Tropenmediziner Heinrich Stemberger, der in Wien ein privates Institut für Reise- und Tropenmedizin betreibt, sprechen in solchen Fällen von einer „Airport-Malaria“, die vor etwa 20 Jahren in Zürich sogar ein Todesopfer gefordert hat. Offensichtlich importierte Stechmücken hatten mehrere Lagerarbeiter im Bereich des Züricher Flughafens infiziert. Aber keiner der zurate gezogenen Mediziner tippte anfangs auf eine Tropenkrankheit. Erst eine genaue Abklärung des Todesfalls brachte dann die überraschende Erkenntnis. Und vereinzelte Malaria-Infektionen, so erinnert sich Stemberger, gab es vor Jahren auch im Raum Marseille.

„Könnten solche Tropenkrankheiten mit dem Klimawandel häufiger auftreten?“, fragen sich amerikanische Medien. Begründung: In einer globalisierten Welt mit immer intensiveren internationalen Handelsbeziehungen, regerem Flugverkehr, globaler Nahrungsmittelproduktion und klimatischen Veränderungen wachse die Sorge, dass neue oder auch alte Infektionen eingeschleppt werden. So vor allem in Städten wie New York oder Los Angeles, Metropolen mit besonders dichten internationalen Flugbewegungen.

Eine Anfang der Vorwoche veröffentlichte wissenschaftliche Studie gibt solchen Bedenken neue Nahrung. Der auf Tropenkrankheiten spezialisierte und für die Weltgesundheitsorganisation WHO tätige Pathologe Stephen Higgs von der University of Texas Medical Branch und der Molekularbiologe Ernest A. Gould vom Centre of Ecology & Hydrology (CEH) im eng­lischen Oxford glauben, einen solchen Trend bereits anhand verschiedener Beispiele festmachen zu können: Im September 2007 erkrankten im Raum Ferrara (Italien) 214 Personen an dem aus Asien importierten Chikungunya-Fieber, in vielen Ländern Europas trat in den vergangenen Jahren die Blauzungenkrankheit auf, von der Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen befallen werden und die es bis vor 30 Jahren nur in Afrika gab. Um über Fragen des Neu- oder Wiederauftretens von Infektionen und über deren genaue Ursachen zu diskutieren, trafen sich am vergangenen Wochenende in Wien Human- und Veterinärmediziner, Biologen, Ökologen und Umweltwissenschafter aus aller Welt zum „International Meeting on Emerging Diseases and Surveillance (IMED 2009)“.

Neuer Virentyp. Stutzig macht die Forscher etwa das Auftreten des West-Nil-Virus in den USA und eines neuen West-Nil-Virus-Typs in Europa – ein Faktum, das ebenfalls auf eine Wanderung tropischer Erreger nordwärts hindeute. Die Wissenschafter machen dafür nicht allein den Klimawandel verantwortlich, sondern eine ganze Reihe von Faktoren, unter denen auch der Ferntourismus oder der Import bestimmter Pflanzen eine nicht unerhebliche Rolle spielt. So werden beispielsweise mit eingeführten so genannten „Lucky Bamboos“, Bambuszweigen, die, ins Wasser gestellt, wieder austreiben, auch exotische Stechmücken importiert. Und die Ausbreitung des Chikungunya-Fiebers in Italien habe vor allem mit mangelnden gesundheitsbehördlichen Vorkehrungen zu tun, sagen die Studienautoren Higgs und Gould.

Aber dass dabei eventuell auch der Klimawandel eine Rolle spielen könnte, lässt sich an der Ausbreitung der Blauzungenkrankheit ablesen, die in Europa nie heimisch war. Die Erkrankung macht sich bei Wiederkäuern durch Fieber, Entzündungen und Schwellungen im Kopfbereich, Aborte sowie gelegentlich durch die namengebende Blaufärbung der Zunge bemerkbar und endet bei etwa zehn Prozent der Rinder und 40 Prozent der Schafe tödlich. Vor etwa 30 Jahren trat die Tierseuche erstmals auch in europäischen Mittelmeerländern auf. „Nachdem diese Ausbrüche durch verschiedene Serotypen verursacht wurden, kann man annehmen, dass die Krankheit immer wieder von Afrika auf Europa übersprang“, erklärt Norbert Nowotny, Virologe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Mitorganisator des internationalen Meetings am vergangenen Wochenende. „Mit ziemlicher Sicherheit sind die Träger des Krankheitserregers, die Culicoides-Stechmücken, als Folge der Klimaerwärmung weiter nordwärts gewandert.“

Im Jahr 2006 kam es dann in mehreren Ländern West- und Mitteleuropas zu einem größeren Ausbruch der Krankheit, für den ein bestimmter, in diesen Breitengraden bis dahin noch nie aufgetretener Serotyp verantwortlich war. Wie der Erreger dorthin gelangt ist, ist bis dato unbekannt. Erstmals traten dabei auch in Europa heimische Culicoides-Stechmücken als Überträger auf, die bis in den südskandinavischen Raum vorkommen.

Im Vorjahr ist die Seuche dann in Frankreich, Deutschland und in den Be­nelux-Ländern förmlich explodiert, mit zehntausenden infizierten Tieren, von denen vor allem viele Schafe verendet sind – ein großer wirtschaftlicher Schaden für die betroffenen Züchter. Österreich blieb von der Seuche weitgehend verschont. Inzwischen ist ein Impfstoff auf dem Markt, sodass eine behördlich verfügte Impfpflicht ein breites Überspringen der Seuche auf Österreich verhindern konnte. Bisher erkrankten hierzulande 19 Rinder im Bezirk Schärding und zwei im Bezirk Bregenz.

Ein anderer, ebenfalls aus Afrika auf Europa übergesprungener, auch für den Menschen bedeutsamer Erreger ist das West-Nil-Virus, das in den vergangenen Jahren wiederholt in Israel und seit 1999 massiv in Amerika aufgetreten ist. Im Jahr 2004 tauchte eine neue, bis dahin nur aus Afrika bekannte Variante des Virus zum ersten Mal in Europa, und zwar in Ungarn, auf, sehr wahrscheinlich eingeschleppt durch Zugvögel. Empfänglich für diesen Erreger sind vor allem Greifvögel, Pferde – und der Mensch. In Ungarn erkrankten aber bisher nur rund 20 Personen an einer leichten Hirnhautentzündung. Im Sommer 2008 sprang das Virus von Ungarn erstmals auch auf Ostösterreich über, wobei viele Habichte, aber bis dato noch kein Mensch betroffen waren.

Faktor Mensch. Die Wanderungsbewegungen von Krankheiten aber allein dem Klimawandel anzulasten hält der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch für „falsch“. Der Professor am Institut für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien tippt allerdings durchaus auf den Faktor Mensch und die durch ihn herbeigeführten Veränderungen auf dem Planeten. Dazu zählt er in dieser Reihenfolge: Brandrodung von Regenwäldern, Verslumung von Großstädten oder agrarische Monokulturen. Einfluss auf die Lebens- und Verbreitungsbedingungen von Krankheitserregern hätten auch großflächige bauliche Eingriffe in die Natur wie der Bau des 3-Schluchten-Damms in China oder die geplante Errichtung riesiger Stauseen in der Türkei, so Kollaritsch.

Als Beispiel nennt der Forscher das in Südamerika und Afrika heimische Gelbfieber, eine klassische Tropenkrankheit, die einen bestimmten Zyklus in tief im Dschungel lebenden Simian-Affenpopulationen zeigt. „In dem Moment, wo wir den Affen die Lebensgrundlage entziehen, indem wir durch Abholzung des Regen­waldes ihr Habitat zerstören, kommen die Affen in die Umgebung des Menschen“, erklärt Kollaritsch. Von bestimmten Stechmücken wird die Krankheit auf den Menschen übertragen. In Paraguay zum Beispiel gab es hundert Jahre lang kein Gelbfieber, jetzt ist die Krankheit wieder da. Gelbfieber gehört allerdings zu den Tropenkrankheiten, gegen die man sich durch eine Impfung schützen kann.

Anders ist das bei der Bilharziose, einer in Ägypten grassierenden Volkskrankheit, gegen die es keine Impfung gibt. Kollaritsch nennt sie als Beispiel für einen Erreger, der so spezifische Bedingungen benötigt, dass er auch durch den Klimawandel nicht auf Europa übertragbar ist. Zur Verbreitung dieser Tropenkrankheit bedarf es infizierter Menschen. Sie tragen Eier des Erregers im Venengeflecht ihrer Blase und scheiden sie mit dem Urin aus, sodass diese beispielsweise in den Nil gelangen. Dort bedürfen die Eier für ihre Entwicklung ins Larvenstadium einer Zwischenwirtsschnecke, die ihrerseits wiederum als Habitat eine bestimmte Ufervegetation benötigt. Die Larven wandern ins Wasser und können dort Badende infizieren. Selbst nach Europa reisende infizierte Menschen würden die Krankheit hier nicht übertragen können, weil die komplexen Bedingungen dafür fehlen.

Für die Tropenkrankheit schlechthin halten die meisten Menschen die Malaria – fälschlicherweise. Denn „mal aria“ heißt im Italienischen nichts anderes als „schlechte Luft“. Der Begriff stammt aus Süditalien, wo es nicht nur übel riechende Sümpfe mit Millionen von Stechmücken, sondern auch das nach den lokalen Sümpfen bezeichnete „Sumpffieber“ gab. Vom Mittelalter bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die Malaria auch in Europa heimisch, berühmte Malaria-Patienten waren Friedrich Schiller und Oliver Cromwell. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs trat die Krankheit auch in Österreich auf, und zwar unter Angehörigen des Afrikakorps, die in Auffanglagern in der Steiermark und in der Lobau bei Wien untergebracht waren.

Müssen wir uns vor neuen Infektionen fürchten? Tropenmediziner Kollaritsch sieht für unsere Breiten keine Gefahr neuer Tropenkrankheiten, wohl aber die Gefahr des Neuauftretens alter Krankheiten, wie etwa der Tuberkulose oder von Staphylokokken-Infektionen, deren Erreger durch den unkritischen Gebrauch von Antibiotika resistent geworden sind. Sein Kollege Stemberger fürchtet am ehesten eine Gelbfieber-Epidemie in großen Städten Kaliforniens oder Floridas, „für die wir nicht genügend Impfstoff zur Verfügung hätten. In den letzten Jahren hat kein einziger Europäer Gelbfieber überlebt.“ Aber erfahrungsgemäß würden sich die Österreicher in erster Linie vor giftigen Tieren fürchten, so Stemberger, „vor den wirklichen Gefahren fürchten sie sich nicht“.