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Mama Gusi

Mama Gusi

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Als die junge ÖVP-Abgeordnete Silvia Fuhrmann ihren Wurstsemmel-Sager1) losließ, gab es viel Empörung. Die einen empörten sich über die abgehobene Kaltschnäuzigkeit des Ausspruchs – die anderen jedoch über die PensionistInnen, deren gekürzte Pensionen die Debatte überhaupt provoziert hatten. Wieder einmal wurde dabei eine ganze Generation pauschal verunglimpft.

Das ist nicht neu. Gerade deswegen muss man sich fragen, welche Art von Stellvertreterkrieg hier angezettelt werden soll. Die Konstruktion des Feindbildes böse Alte erfolgt immer nach demselben Schema: Die Alten haben das Geld und die Macht und lassen die Jungen für sich arbeiten. Deswegen sind die Alten schuld, wenn es den Jungen schlecht geht.

Besonders deutlich fand sich dieses Muster in zwei Gastkommentaren im „Standard“. In dem einen schrieb der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal von über 60-Jährigen, die nicht daran dächten, ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen, anstatt der jüngeren Generation auf der Tasche zu liegen.2) Er entwarf das Bild einer geriatrisierten Gesellschaft, in der die immer zahlreicheren und daher immer mächtigeren Alten eine immer geringere Anzahl an Jungen kontrollieren, und behauptete schließlich: Tausende (!) der besten jungen Köpfe wandern pro Jahr gegen den Westen ab und kommen nicht mehr zurück, weil die Gesellschaft gewaltige Mittel statt in Ausbildung und Forschung in die großteils noch recht jungen Pensionisten steckt.

Der andere Gastkommentator, Ernst Tatzer, Kinder- und Jugendpsychiater, führte indirekt die steigende Zahl an obdachlosen Jugendlichen in Österreich darauf zurück, dass die Alten alle gesellschaftliche Aufmerksamkeit für sich beanspruchten: Als Mama Gusenbauer plötzlich zwei ganze Euro pro Monat weniger in ihrem Börsel vorfand, war der Aufschrei groß! (…) Die Tatsache aber, dass etwa durch das neue Kindschaftsrecht 2001 alle über 18-Jährigen automatisch ein Jahr früher aus der Verpflichtung zu Leistungen der Jugendwohlfahrt herausgefallen sind, war bisher nicht einmal eine parlamentarische Anfrage wert.3)

Es stimmt, die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters hat negative Folgen, die viel zu wenig Beachtung finden. Aber ausgerechnet Mama Gusenbauer dafür zu prügeln – oder andere MindestrentnerInnen, die ein Leben lang für wenig Geld schwer geschuftet haben –, das ist nur deshalb nicht lachhaft, weil es so traurig ist.

Und dass Wissenschaft und Forschung ausgehungert werden, weil gierige AusgleichszulagenbezieherInnen Monat für Monat den Gegenwert von vierzig Wurstsemmeln (nach Fuhrmann’scher Rechnung) auf der Kralle sehen wollen, statt sich diskret zu entsorgen, das ist ebenfalls eine mehr als skurrile Logik. Jung gegen Alt. Alt gegen Jung. Das impliziert die Existenz homogener Jahrgangsgruppen. Alle über sechzig: reich und ausbeuterisch. Alle unter fünfunddreißig: egoistisch und hedonistisch. Oder wie?

Können wir bitte vielleicht einmal auf dem Boden der Tatsachen bleiben? Die schauen nämlich ganz anders aus. Weder lassen die Jungen allesamt unentwegt auf Partys die Sau raus, noch wälzen sich die Alten mehrheitlich im luxuriösen Faulbett. Die Jungen müssen sich auf einem unsicheren Arbeitsmarkt behaupten, wissen nicht, was die Zukunft bringt, und finden keine Rahmenbedingungen vor, die sie ermutigen, Kinder in die Welt zu setzen. Die Alten haben gearbeitet und mitgezahlt fürs soziale Netz, werden vom Arbeitsmarkt verstoßen, auch wenn sie bleiben wollen, und müssen so oder so mit immer weniger Geld auskommen.

Was passiert, wenn man verunsicherte Jüngere und keineswegs auf Rosen gebettete Ältere aufeinander hetzt? Der soziale Ausgleich? Das Erblühen von Wissenschaft und Forschung? Nein, und es gibt auch keine wunderbare Vermehrung von leicht erschwinglichem Wohnraum.

Aber das Graben von Generationenklüften bzw. das Hineinstarren lenkt ab von den wirklichen Gegensätzen. Zum Beispiel von der Kluft zwischen (pensionierten) ArbeitnehmerInnen, die trotz lebenslangem Bemühen nie aus dem Schneider sind, und Vermögenden, deren Reichtum sich von selber vermehrt.

Und außerdem ist es viel leichter, Rentnerinnen vom Schlag der Mama Gusenbauer zu watschen, als sich mit den tatsächlich Mächtigen anzulegen, die vom wirtschaftlichen Ungleichgewicht ja nicht deswegen profitieren, weil sie durch Fairness und Zartgefühl in ihre Positionen gelangt sind.
Ein Krieg Jung gegen Alt – und umgekehrt – schafft keine gerechteren Verhältnisse, sondern zerstört nur das so- ziale Netz, dessen immer größere Löcher im Interesse der wirklichen Abzocker sind.
Schön blöd von uns, wenn wir uns in diesen Krieg hineinhetzen lassen.

Themawechsel: In einer Schule im bayerischen Schwabmünster bei Augsburg bekommen Mädchen mit nabelfreien Tops neuerdings vom Herrn Direktor ein übergroßes T-Shirt verpasst. (Das Büßerhemd müssen sie dann anderntags gewaschen und gebügelt zurückbringen.) Es stehe doch wohl fest, so der Direktor, dass die Konzentration gegen null gehe, wenn ein halb nacktes Mädchen vor einem sitze. Vor einem – was? Richtig: Knaben. (Direktor?)
Was aber, wenn das Büßerhemd ebenfalls ablenkt, weil die Knaben (der Direktor) jetzt die ganze Zeit darüber nachdenken müssen, wie es unter dem Büßerhemd wohl ausschaut? Daher logische Konsequenz: Schulverbot für Mädchen. Oder?