Interview: Museums- direktorin A. Husslein

„Man muss sich um das Belvedere Sorgen machen“

„Man muss sich ums Bel- vedere Sorgen machen“

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profil: Ihr Vorgänger Gerbert Frodl hat im Ministerium ein Abschiedsessen gegeben, bei dem Sie nicht eingeladen waren. Treten Sie Ihr Amt im Streit an?
Husslein: Ich weiß nicht, wer da aller dabei war. Frodl hat Menschen eingeladen, die ihn beruflich begleitet haben. Das ist zur Kenntnis zu nehmen.
profil: Sie widersprachen Frodl öffentlich, nachdem er die „gute finanzielle Situation“ des Belvedere gelobt hatte. Muss man sich um das Museum Sorgen machen?
Husslein: Ja, muss man. Ich habe diesbezüglich Klarheit schaffen müssen. Tatsache ist, dass die Basisabgeltung viel zu niedrig ist. Wir sind bei Weitem das am niedrigsten dotierte Museum. Das Belvedere bekommt 4,4 Millionen Euro, das Museum Angewandter Kunst (MAK) hingegen 7,9 Millionen. Die Relationen stimmen nicht. Alleine die Gehälter hier betragen 5,2 Millionen Euro.
profil: Das Museum machte in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt 650.000 Euro Verlust. Wie wollen Sie das Haus in die Gewinnzone bringen?
Husslein: Ich werde neue Wege einschlagen, sowohl was die Ausstellungen als auch was das Marketing betrifft. Gewisse Teile der Sammlung etwa waren seit Jahren nicht zu sehen. Um das zu ändern, werde ich den ganzen Sammlungsbestand aus dem Unteren in das Obere Belvedere bringen und dort zeigen. Außerdem war das Untere Belvedere schlecht besucht. Die Leute rennen daran vorbei, die Touristen finden den Eingang nicht.
profil: Sie sagten in Interviews, dass Sie für 2007 rund 1,7 Millionen Euro mehr Subvention benötigen. Was passiert, wenn Sie die Erhöhung nicht bekommen?
Husslein: Ich bin in den vergangenen Monaten nicht dekorativ herumgesessen. Ich werde 1,7 Millionen Euro bekommen. Wenn das Geld nicht bewilligt wird, muss ich mir überlegen, was ich machen werde. Dann müsste ich zum Beispiel das Untere Belvedere sperren, beim Personal und den Ausstellungen sparen. Aber so weit denke ich nicht.
profil: Darüber hinaus fordern Sie für die Zeit ab 2008 gar eine Verdopplung der aktuellen Basisabgeltung auf 8,9 Millionen Euro. Woher soll das Geld dafür kommen?
Husslein: Ich bin keine Politikerin. Aber ich sehe überhaupt nicht ein, wieso das Technische Museum elf Millionen erhält, das Museum Moderner Kunst (Mumok) 7,3 Millionen und das Belvedere 4,4 Millionen. Man muss neu strukturieren, einen neuen Verteilungsschlüssel finden.
profil: Die politische Realität rechtfertigt Ihren Optimismus nicht. Auch andere Wiener Museen hoffen seit vielen Jahren auf eine Subventionserhöhung – bislang vergeblich.
Husslein: Die Basisabgeltung des Belvedere ist seit acht Jahren auf demselben Stand, und wir haben schon damals, bei der Ausgliederung 1999, viel zu wenig bekommen. Ich glaube schon, dass die Situation dem Ministerium klar ist. Was wird in Österreich wahrgenommen? Die Kultur. Der Prozentsatz, der dafür ausgegeben wird, ist lächerlich gering. Der Staat kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
profil: Sollte keine Anhebung der Basisabgeltung erfolgen: Ist das Haus dann noch zu führen?
Husslein: Ja. Ich sehe ein unglaubliches Potenzial im Belvedere. Man kann noch wesentlich mehr Besucher ansprechen und ökonomischer arbeiten. Außerdem hoffe ich, neue Sponsoren gewinnen zu können. Ich habe meine Fühler bereits ausgestreckt.
profil: Bei den Nationalratswahlen 1994 kandidierten Sie auf der ÖVP-Bundesliste, 1995 wurden Sie von der ÖVP ins ORF-Kuratorium entsandt. Helfen Ihnen die politischen Kontakte nun?
Husslein: Das ist ewig her. Dass ich über bessere Kontakte zur Politik als andere Direktoren verfügen würde, ist ein Irrtum der Medien. Ich habe viele Jahre nicht in Wien gearbeitet. Außerdem müssen wir erst sehen, welche Regierung gebildet wird.
profil: Welchen Kulturminister würden Sie sich wünschen?
Husslein: Ich wünsche jemanden, der eine hohe Sensibilität für die Kunst hat.
profil: Ministerin Elisabeth Gehrer hat Ihnen übel genommen, dass Sie diesen Wunsch auch nach der Nationalratswahl geäußert haben – und Ihnen deswegen sogar einen Blumenstrauß zurückgeschickt. Ist Ihr Verhältnis zur Ministerin zerrüttet?
Husslein: Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Die Frau Minister war nicht sehr begeistert darüber. Das steht ihr frei.
profil: Sie sagten zuletzt, das Untere Belvedere sei in einem „schrecklichen Zustand“ und für Ausstellungen mit ordentlichen Leihgaben „nicht verwendbar“. Was kostet die Renovierung, und wer soll diese bezahlen?
Husslein: Wir haben die Planungen vorgenommen und sind dabei, die Kosten zu eruieren. Das Ministerium hat uns aus einem Sondertopf bereits Mittel zugesagt. Die Baumaßnahmen betreffen vor allem die Orangerie, wo es keine Klimaanlage und kein Licht gibt. Das ist ein herrlicher, langer Raum, der sich für Ausstellungen anbietet. Ich habe vier Architekten zu einem Wettbewerb eingeladen, den Susanne Zottl gewonnen hat – mit einer fantastischen Idee: Sie hat einen White Cube hineingesetzt, aber noch Platz für einen Wandelgang gelassen, sodass der Blick in den wunderbaren Park frei bleibt.
profil: Müssen sich die Besucher des Belvedere auf eine halbjährige Baustellensituation gefasst machen?
Husslein: Nein, denn es gibt einen sehr engen, sehr ambitionierten Zeitplan. Ab Anfang Jänner werden in der Orangerie die Trennwände herausgenommen, und der White Cube wird hineingesetzt. Dann werden im Oberen Belvedere die Hauptwerke des Mittelalters – der Znaimer Altar etwa – installiert. Im Herbst eröffne ich das Untere Belvedere mit der Ausstellung „Wien–Paris. Van Gogh, Cézanne und Österreichs Moderne“.
profil: Die Österreichische Galerie Belvedere bespielt noch ein anderes Haus: das Atelier im Augarten, dessen gut gemachte Ausstellungen schlecht besucht sind. Ihr Vorgänger drohte wegen Finanzierungsproblemen mit der Schließung des Ateliers.
Husslein: Aufgeben werde ich das nicht so schnell, als Spielstätte für zeitgenössische Kunst will ich es auf jeden Fall behalten. Man muss die dortigen Ausstellungen aktiv bewerben, es genügt nicht, wenn man sie nur macht.
profil: Nicht aktiv bewerben müssen Sie Gustav Klimt. Fehlen dem Haus die „Adele“-Porträts und die drei Landschaftsbilder?
Husslein: Das waren fünf wunderbare Bilder. Das Haus verfügt aber noch immer über die bedeutendste Klimt-Sammlung weltweit – darunter Klimts Ikone „Der Kuss“.
profil: Wäre der Rückkauf der Bilder um 220 Millionen Euro gerechtfertigt gewesen?
Husslein: Das finde ich nicht. Für das Geld würde ich zeitgenössische Kunst ankaufen. Zu einem früheren Zeitpunkt hätte man die Bilder durch Verhandlungen wahrscheinlich günstiger bekommen können. Aber man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.
profil: Abgeschlossen ist das Thema dennoch nicht. Klimts Porträt „Amalie Zuckerkandl“ wird von deren Erben beansprucht. Stehen dem Museum weitere Restitutionen bevor?
Husslein: Das wissen wir noch nicht. Das Haus wird sich jedenfalls ab sofort mit Provenienzforschung beschäftigen. Es ist wichtig, Ordnung und Transparenz zu schaffen. Ich will, dass jedes Bild – jedes Bild – ordentlich ausrecherchiert wird. Wir müssen die Verantwortung, die wir tragen, wahrnehmen.
profil: Mit 106 Millionen Euro war die „Goldene Adele“ das teuerste Bild der Welt – aber nur für kurze Zeit. Dreht der Kunstmarkt durch?
Husslein: Der Stellenwert der modernen und zeitgenössischen Kunst hat sich in den letzten Jahren vergrößert. Erstens wird deutlich mehr als früher darüber geschrieben und berichtet, zweitens ist der Kunst-markt durch den Aufstieg Chinas und Indiens sprungartig gewachsen. Manche Menschen verdienen ihr Geld extrem leicht und geben es aus, als wäre es Papier. Bilder, die vor sechs, sieben Jahren ein paar hunderttausend Doller gekostet haben, sind jetzt fünf, sechs, sieben Millionen wert.
profil: Sie haben im Belvedere ebenfalls eine Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst und wünschen sich das 20er-Haus als neue Ausstellungsfläche dafür: Können Sie sich das angesichts der finanziellen Situation leisten?
Husslein: Wo ein Wille, da ein Weg. Das 20er-Haus ist ein architektonisches Juwel, und wir müssen es als Plattform für Ausstellungen mit moderner Kunst einfach bekommen.
profil: Das Wirtschaftsministerium versprach für den nötigen Umbau vier Millionen Euro, nach den Plänen von Architekt Adolf Krischanitz jedoch bedarf es zwölf Millionen. Woher sollen die fehlenden acht Millionen kommen?
Husslein: Die werden wir auftreiben.
profil: Umbauarbeiten, Neuaufstellung der Sammlung, Restitutionsforschung, 20er- Haus – nehmen Sie sich zu viel vor?
Husslein: Wann, wenn nicht jetzt, sollte ich meine Ziele stecken? Ich habe in Salzburg das Museum der Moderne gebaut, und alle haben den Kopf geschüttelt. Ich frage mich manchmal selber, wie ich das geschafft habe. Aber ich habe es geschafft. Ich habe bei den Gesprächen im Ministerium gespürt, dass es von den Beamten Verständnis für das Belvedere gibt.
profil: Macht es Sinn, dass das Belvedere österreichische Kunst nach 1945 ausstellen will? Auch das Mumok, die Albertina, das MAK und die Kunsthalle arbeiten in diesem Segment.
Husslein: Die Kunsthalle sehe ich nicht als Konkurrenz. Warum aber das MAK Arbeiten von Arnulf Rainer kaufen muss, frage ich mich schon. Wenn man so eine fantastische Sammlung angewandter Kunst hat, sollte man meiner Meinung nach das Geld auch dafür ausgeben und die Sammlung in diese Richtung erweitern. Die Österreichische Galerie Belvedere ist die Institution für österreichische Kunst, und ich werde dieses Territorium verteidigen, ausbauen und vieles nachholen. Denn es gibt gravierende Lücken in unserer Sammlung.
profil: Wo fehlen Bestände?
Husslein: Nicht alle Direktoren des Belvedere nach 1945 beschäftigten sich umfassend mit zeitgenössischer Kunst. Das 20er-Haus und das Museum Moderner Kunst waren diesbezüglich wesentlich aktiver, weswegen sich heute wichtige Werke neuer österreichischer Kunst im Mumok befinden. Uns fehlen die sechziger, siebziger und achtziger Jahre.
profil: SPÖ und Grüne forderten aufgrund vieler Parallelen in den Sammlungsbeständen immer wieder eine Neuordnung der Wiener Museumslandschaft. Zu Recht?
Husslein: Es ist tatsächlich nicht wahnsinnig sinnvoll, dass es in drei Museen ähnliche Sammlungsschwerpunkte gibt. Aber es ist ebenfalls problematisch, einem Museum einen Teil seiner Sammlung wegzunehmen. Dass der Wiener Aktionismus im Mumok vertreten ist, finde ich ganz richtig, denn der Aktionismus ist eine internationale Kunstrichtung des 20. Jahrhunderts. Aber es sollte natürlich auch etwas davon in der Österreichischen Galerie Belvedere vertreten sein. Da bin ich gefordert.
profil: Wie hoch ist das Ankaufsbudget des Belvedere?
Husslein: Wir haben gar keines! Geld für Neuerwerbungen war der erste Budgetposten, der aufgrund der finanziellen Situation gestrichen wurde. Wir haben bloß 35.000 Euro aus der Galerienförderung. Junge Kunst muss man aber rechtzeitig kaufen. Also werde ich erfinderisch sein müssen. Ich werde versuchen, Sponsorengelder aufzutreiben, Privatsammlungen anzuzapfen und Dauerleihgaben zu erhalten.
profil: Was bedeutet das Ankaufsbudget des Belvedere für die „Kulturnation Österreich“?
Husslein: Das ist beschämend.
profil: Ihr Vorgänger nahm mit den Worten Abschied: „Ich bin ein Museumsmann, den es in dieser Form nicht mehr gibt.“ Worin unterscheiden Sie sich?
Husslein: Ich unterscheide mich darin, dass ich eine starke wirtschaftliche Kompetenz mitbringe und mein Handwerk in amerikanischen Museen wie dem Guggenheim gelernt habe, das überhaupt keine staatliche Unterstützung erhält. Es ist heutzutage notwendig, neben der wissenschaftlichen Kompetenz auch über Marketingkenntnisse zu verfügen.
profil: Wie hoch ist Ihr Gehalt?
Husslein: Ich weiß es gar nicht. Ich müsste Sie anlügen.
profil: Sie arbeiten, ohne zu wissen, was Sie dafür bekommen?
Husslein: Mein Gehalt dürfte sich in derselben Größenordnung wie jenes meines Vorgängers bewegen. Ich erhalte aber auch eine Erfolgsprämie. Der Erfolg wird an der Höhe der Besucherzahlen, der Sponsorengelder und der Schenkungen gemessen. Das ist eine Herausforderung, die ich gerne annehme.
profil: Wer beurteilt, wie erfolgreich Sie sind?
Husslein: Das Kuratorium des Belvedere.
profil: In einer Laudatio auf den Salzburger Galeristen Thaddaeus Ropac würdigten Sie seine „bedingungslose Identifizierung“ mit der Kunst. Worauf sind Sie bei sich selber stolz?
Husslein: Je älter ich geworden bin, desto deutlicher habe ich gemerkt, wie schwierig es ist, der neuen Kunst Raum zu verschaffen. Es braucht oft sehr lange, bis ein österreichischer Künstler eine Ausstellungsmöglichkeit in einem Museum bekommt. Ich bin stolz darauf, dass ich mich als Chefin des Salzburger Museums der Moderne oft getraut habe, junge Künstler zu zeigen, nachdem ich sie in einer Galerie gesehen und gut gefunden habe. Wenn ich von etwas überzeugt bin, lass ich mich von nichts irritieren.

Interview: Nina Schedlmayer, Peter Schneeberger