profil traf Helmut Elsner hinter Gittern

„Man hat mich politischen Interessen geopfert"

Seine Suche nach den wahren Schuldigen

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Es ist unverhältnismäßig einfacher, in ein Gefängnis hineinzukommen als wieder heraus. Helmut Elsner weiß das nur zu gut. Als er 2003 im Alter von 68 Jahren als Vorstandsvorsitzender der damaligen Gewerkschaftsbank Bawag abdankte, hatte er all das, was den wohlverdienten Ruhestand erst zum solchen macht: glückliche Ehe, einflussreiche Freunde, Millionen auf der Kante, Ansehen, Freiheit.
Doch anstelle eines Lebens in Saus und Braus fristet der mittlerweile 73-jährige Pensionist heute, fünf Jahre später, ein Dasein hinter Schloss und Riegel. Das schöne Geld: auf unbestimmte Zeit behördlich eingefroren; die feine Gesellschaft: einem Alltag unter Mördern, Schlägern und Dieben gewichen; die Ehefrau: auf zwei halbstündige Gespräche die Woche hinter einer Glasscheibe reduziert; die Zukunft: düster.
Am 4. Juli dieses Jahres wurde Elsner für seine Rolle in der Affäre um die versandeten Karibik-Milliarden der Bawag wegen Betrugs, Untreue und Bilanzfälschung zu neun Jahren und sechs Monaten unbedingter Haft verurteilt.
Davor hatte er bereits zweieinhalb Jahre wegen Untreue in Zusammenhang mit dem ominösen „Plastiksackerl-Kredit“ an Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter ausgefasst.
Da keines der Urteile rechtskräftig ist, gilt Elsner formal nach wie vor als Untersuchungshäftling – und das seit mittlerweile rund 18 Monaten. Soll heißen: Die Kontakte nach außen sind streng limitiert und werden penibel überwacht.
profil ist es als einzigem Medium gelungen, Österreichs prominentesten Häftling in der Justizanstalt Wien-Josefstadt zu besuchen. Kein leichtes Unterfangen. Obwohl Elsner den Termin ausdrücklich wünschte, bedurfte es der Genehmigung durch Richterin Claudia Bandion-Ortner, Anstaltsleiterin Helene Pigl, Vollzugsdirektions-Abteilungsleiter Alfred Steinacher, vor allem aber durch Justizministerin Maria Berger persönlich.

Hinter Gittern. Das eineinhalbstündige Gespräch wurde in einem Behandlungsraum der anstaltseigenen Krankenstation unter den wachsamen Augen eines Offiziers der Justizwache aufgezeichnet. Die behördlichen Auflagen: kein Zellenbesuch, keine Fotos.
„Am Anfang war es hier fürchterlich. Die Öffentlichkeit war aufgrund der gewaltigen Medienkampagne gegen mich derart verhetzt, dass man mir auch hier im Hause mit Zurückhaltung begegnet ist. Das hat sich aber geändert, nachdem man gesehen hat, dass ich eben nicht das Monster bin, für das mich alle gehalten haben. Zum Teil habe ich später eine richtige Herzlichkeit verspürt.“
Die Justizanstalt Wien-Josefstadt, eröffnet 1839 unter Kaiser Franz Joseph I., ist eine graue Trutzburg im achten Wiener Gemeindebezirk. Auf dem Papier fasst der Komplex knapp 1000 Insassen, zuletzt waren es aber fast 1300, davon zwei Drittel Untersuchungshäftlinge. Matte Linoleumböden, kaltes Kunstlicht, schwere Stahltüren, ein schmuckloser Innenhof, enge Zellen. Krautsuppe und Wasser anstelle von Austern und Champagner. Nicht eben der Ort, an dem man seinen Lebensabend verbringen möchte. Die Justizwache berichtet, Elsner habe zunächst „ziemliche Probleme“ gehabt, mit dem Gefängnisalltag zurechtzukommen. Aber so erginge es nun einmal allen Neuankömmlingen.
Die lange Untersuchungshaft, mehr noch 117 aufreibende Verhandlungstage lassen niemanden unbeeindruckt, schon gar nicht einen herzkranken Bankier a. D. Elsner erscheint in Begleitung eines Sanitäters. Er trägt ein blaues Lacoste-Polo, karierte Hose, schwarze Socken, Gesundheitssandalen. An seinem Handgelenk eine schmucklose Swatch-Plastikuhr. Elsners Teint ist grau, er hat merklich zugenommen. Ein Sanitäter reicht Leitungswasser, Elsner befüllt die Gläser der Gäste wie selbstverständlich. Seine Stimme ist leicht belegt.
„Ich schlafe sehr viel, auch tagsüber. Die vergangenen Monate waren sehr anstrengend, ich bin nach wie vor völlig erschöpft. In der Früh bin ich der Erste, der in die Dusche kommt, dann mache ich mir mein Frühstück. Ich versuche, wenig zu essen, weil ich hier ja kaum Bewegung bekomme. Sonst passiert nicht viel. Ich lese und höre Musik, sehe aber von Nachrichten und Sport abgesehen kaum fern. Die Leute hier sind, wie gesagt, mittlerweile überwiegend freundlich. Ich werde von Häftlingen immer wieder um ein Autogramm gebeten. Andere fragen, ob ich nicht eine Million für sie hätte. Ich bin in einer Dreierzelle untergebracht, derzeit bin ich zum Glück alleine. In den vergangenen Monaten hatte ich zwölf Mitinsassen. Sehr unterschiedliche Leute, deren Schicksale teilweise schrecklich sind. Da sind junge Leute darunter, die keine Zukunft haben, wenn sie einmal rauskommen. Wenn man in Freiheit ist, kann man sich das gar nicht vorstellen.“
Zuletzt war Tierschützer Martin Balluch, Obmann des „Vereins gegen Tierfabriken“, Elsners Zellengenosse. Er musste 104 Tage in U-Haft darben, weil ihm die Justiz die „Bildung einer kriminellen Organisation“ anlastet. Vor wenigen Tagen wurde Balluch schließlich auf freien Fuß gesetzt – nicht zuletzt aufgrund des Engagements des grünen Sicherheitssprechers Peter Pilz.
„Martin Balluch ist ein bisschen ein Sonderling, aber ein hochintelligenter Mensch, sehr sensibel. Ich habe einmal den Arzt gerufen, weil ich befürchtet habe, der bringt sich womöglich in der Zelle um. Ich muss sagen, was die Polizei mit ihm aufgeführt hat, ist sagenhaft. Das war bei mir ja nicht anders. Aber er hatte das Glück, dass ein Peter Pilz für ihn interveniert hat. Für Helmut Elsner hat das niemand getan.“
Der frühere Bawag-Generaldirektor war am 14. September 2006 auf Betreiben der österreichischen Justiz vor seinem Alterssitz im südfranzösischen Mougins verhaftet worden. Wegen angeblicher „Fluchtgefahr“. Staatsanwalt Georg Krakow rechtfertigt das bis heute damit, Elsner habe eine Herzkrankheit vorgetäuscht, um einen Vernehmungstermin in Wien platzen zu lassen – obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt acht Einvernahmen über sich ergehen hatte lassen. Elsner wurde in Frankreich zunächst gegen eine Kaution von einer Million Euro – hinterlegt von seinem Freund Martin Schlaff – auf freien Fuß gesetzt, ehe ihn österreichische Beamte am 13. Februar 2007 von seinem Krankenbett in Marseille nach Wien ausflogen. Was Justizministerin Maria Berger und Staatsanwalt Krakow noch am gleichen Abend mit Champagner begossen – vor den Augen verdutzter Journalisten. Wenig später musste sich der angebliche Simulant in Österreich tatsächlich einer heiklen Bypassoperation unterziehen.
„Ich kann bis heute nicht glauben, was damals in Frankreich passiert ist. Zwei Tage vor meiner OP, ich war angeschlossen an Herzüberwachungsgeräte und hatte Infusionsnadeln in der Vene, stürmte auf einmal die französische Polizei ins Krankenzimmer und meinte, sie müsse mich jetzt sofort den österreichischen Kollegen übergeben. Daraufhin wurden mir die Geräte regelrecht vom Leib gerissen, ich wurde deportiert. Ich wollte mich dort operieren lassen und wäre gesund hier zum Prozessbeginn erschienen. Aber was soll man von einem Land erwarten, in dem die Justizministerin mit dem Staatsanwalt vor laufenden Fernsehkameras auf ihren Coup anstößt?“

Die Krankheit. Der Bawag-Prozess begann am 16. Juli 2007. Elsner wurde während des gesamten Verfahrens als Untersuchungshäftling vorgeführt. Als einziger der neun Angeklagten. Die wiederholten Enthaftungsanträge seiner Verteidiger wurden von Richterin Bandion-Ortner mit Hinweis auf „Fluchtgefahr“ abgeschmettert.
„Zuerst hat man behauptet, ich sei überhaupt nicht krank. Nachdem ich operiert worden war, konnte man das nicht mehr sagen. Dann hat man argumentiert, ich benützte die Krankheit, um mich dem Verfahren zu entziehen. Nachdem das Verfahren im Gange war, hat die Richterin zunächst gemeint: Na, jetzt warten wir einmal ab, da werden wir schon etwas machen. Am 23. Dezember 2007 war die bisher letzte Haftverhandlung. Da hat sie dann erklärt, ich könnte ja eine Krankheit erfinden, die schwer zu diagnostizieren wäre, und mit der würde ich mich dann ins Spital legen. Von Flucht ins Ausland war plötzlich keine Rede mehr. Die Performance von Frau Bandion-Ortner war absolut unfassbar. Aus meiner Sicht ist sie mit einem sehr einfach strukturierten Geist gesegnet. Sie hat ein sehr schlichtes Gemüt und merkwürdige Vorlieben. Wenn eine Frau ihre Hochzeit im großen Schwurgerichtssaal zelebriert, dort also, wo man früher Mörder zum Tod verurteilt hat, und am Tag nach unserem Urteil Klatschreporterinnen zum Frühstück empfängt und freudig lächelnd die Handschellen zeigt, dann frage ich mich: Was ist das für eine Familie?“
Elsners fortgesetzte U-Haft ist insofern bemerkenswert, als nunmehr acht der neun Beschuldigten unbedingte Haftstrafen ausgefasst haben. Elsners Nachfolger Johann Zwettler (fünf Jahre Haft), die früheren Vorstände Peter Nakowitz (vier Jahre), Josef Schwarzecker und Hubert Kreuch (je dreieinhalb Jahre), Spekulant Wolfgang Flöttl (zweieinhalb Jahre, davon zehn Monate unbedingt) sowie Ex-Aufsichtsratschef Günter Weninger (zweieinhalb Jahre, davon sechs Monate unbedingt) und Ex-Wirtschaftsprüfer Robert Reiter (drei Jahre Haft, davon ein Jahr unbedingt) müssen die Haft aber nicht antreten, weil sie nicht rechtskräftig verurteilt sind. Die Groteske dabei: Die ausstehende Rechtskraft ist auch genau der Grund, warum die Justiz Elsner mit Hinweis auf Fluchtgefahr weiter in U-Haft halten kann.
„Ich war in dem Prozess vom ersten Tag an benachteiligt. Die anderen waren in Freiheit und konnten ihre Aussagen abstimmen. Meine Frau hat die Herren in der Stadt getroffen, beim gemeinsamen Kaffeetrinken. Und der Flöttl hatte überhaupt unglaubliches Glück. Mit dieser Richterin und diesem Staatsanwalt. Der hat phasenweise agiert wie sein Verteidiger. Immer, wenn ein Dokument vorgelegt wurde, das mich entlasten sollte, hat Herr Krakow den Flöttl sofort in Schutz genommen.“

„Nicht schuldig“. Elsner hat sich am Beginn des Verfahrens in allen Anklagepunkten für „nicht schuldig“ bekannt. Bei dieser Haltung ist er bis heute geblieben. Ungeachtet der Beweislast, ungeachtet der Teilgeständnisse von Zwettler, Weninger und Flöttl, ungeachtet der Aussicht auf eine moderatere Haftstrafe.
„Mich hat ein lieber Freund besucht, ich will seinen Namen nicht nennen. Er hat hier zwei Stunden auf mich eingeredet, um mich zu einem Geständnis zu bewegen. Er meinte, ‚schuldig oder nicht, die werden dich sowieso verurteilen, also mach es dir nicht noch schwerer‘. Ich habe ihm geantwortet: Selbst wenn die mir schriftlich geben, dass ich freigesprochen werde, werde ich nicht gestehen, weil es nichts zu gestehen gibt. Natürlich wäre ich gern auf freiem Fuß, aber nicht um diesen Preis. Das klingt für Sie vielleicht nicht besonders klug, aber das ist nun einmal mein Naturell. Wenn ich das machte, würde ich mich so grämen, dass ich sowieso nicht lange überlebe. Ich will meine Selbstachtung nicht verlieren. Schauen Sie sich doch den Flöttl an. Es war zum Speiben, wie der herumgeschleimt hat. Er ist dort gesessen, hat sich an allen abgeputzt und der Frau Rat gesagt, wie charmant sie nicht sei. Und ihr ist das Herz aufgegangen.“
Die Debatte über Elsners strafrechtliche Verantwortung erscheint müßig eingedenk des mittlerweile ergangenen erstinstanzlichen Urteils – wenngleich der Ausgang des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof noch Überraschungen bergen könnte (siehe Kasten rechts).
Was bleibt, ist die Frage nach der politischen Verantwortung. Schließlich stand die Bawag sowohl während der Flöttl’schen Karibik-Spekulationen (1995 bis 2000) als auch zum Zeitpunkt des Auffliegens im Frühjahr 2006 im Einflussbereich des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, hatte also ein Naheverhältnis zur SPÖ. Elsner selbst war bis 2006 Parteimitglied, wenn auch nur auf dem Papier.
„Man hat mich politischen Interessen geopfert. 2006 war Wahlkampf, die ÖVP hat versucht, das Ganze als sozialdemokratischen Skandal hinzustellen und auf die Roten hingehaut. Der Gusenbauer hat öffentlich gemeint ‚lauter Verbrecher‘ und gefordert, dass die Handschellen klicken. Was für ein Glück für die SPÖ, dass sie den Nowotny hatte (Anm.: Ewald Nowotny, Elsners Nachnachfolger, seit 1. September Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank). Nicht nur, dass er ein Universitätsprofessor ist, der vom Bankgeschäft keine Ahnung hat. Er ist auch illoyal. Er hat in der Öffentlichkeit immer wieder beteuert, er hätte den Vorstandsvorsitz nie übernommen, hätte er von all dem vorher gewusst. Das ist eine Frechheit. Er ist von Günter Weninger bereits im November 2005 detailliert über die Flöttl-Geschichte informiert worden. Ich selbst habe ihn im Februar 2006 in meine Wohnung eingeladen, um ihm alles aus meiner Sicht zu schildern. Und ich erinnere mich gut an eine spätere Sitzung im ÖGB, an der Nowotny, Zwettler, Weninger, Verzetnitsch, die Lore Hostasch und ich teilnahmen. Da hat Nowotny wörtlich gemeint, ‚dir wird nichts passieren, mach dir keine Sorgen und genieß deine Pension in Frankreich‘. Und was ist passiert? Ende März stellt er sich in die Öffentlichkeit und erzählt, was sich Jahre zuvor in der Bank zugetragen hat. Und in einem Interview mit Ihrer Zeitung hat er später sogar wörtlich gemeint, er würde die Straßenseite wechseln, wenn er mich sieht. Es spielte plötzlich überhaupt keine Rolle mehr, dass die ganze Karibik-Sache längst verdaut war. Es ist offensichtlich, dass die Sache ein Gesicht brauchte, meines. Heute weiß ich, dass Nowotny den Auftrag hatte, dem Gusenbauer die Wahl zu retten. Und dafür musste ich eben als Sündenbock herhalten. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist Gusenbauers Verhalten. Er hat nicht ein einziges Mal bei mir angerufen. In meiner aktiven Zeit war er unzählige Male bei mir zum Frühstück, hat sich beraten lassen wegen seiner privaten Finanzen und was weiß ich. Mein Pech war, dass ich die Vorgänge in Österreich zunächst nicht wirklich ernst genommen habe, weil ich mir ja nichts vorzuwerfen hatte. Dazu kam, dass ich in Frankreich war. Ich habe die österreichischen Zeitungen nicht so intensiv gelesen, daher habe ich auf vieles gar nicht reagiert, falsch oder zu spät. Wäre ich in Wien gewesen, hätte ich mich sicherlich früher und deutlicher artikuliert. Aber irgendwann hat das eine Eigendynamik bekommen, die mich letztlich überrollt hat.“
Ein Sachverhalt konnte auch nach 117 Verhandlungstagen nicht geklärt werden – unter anderem auch deshalb, weil weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft allzu viel Energie auf dessen Aufklärung verwenden wollten: der Verbleib der Bawag-Milliarden. „Investmentberater“ Flöttl konnte glaubhaft machen, dass er die ihm übertragenen Bawag-Gelder, insgesamt 1,5 Milliarden Euro, samt und sonders verspekuliert hat. Belege dafür existieren freilich nicht. Flöttl konnte zwar hunderte Seiten so genannter Trading Sheets aufbieten, nicht aber die eigentliche Buchhaltung, die einem „Computerdefekt“ zum Opfer gefallen sein soll. Er war obendrein nicht gewillt, die Jahresabschlüsse seiner Hauptgesellschaft Ross Capital Markets mit Sitz auf Bermuda herauszurücken. Elsners Anwalt Wolfgang Schubert knüpfte daran den Verdacht, Flöttl habe der Bawag einseitig Verluste zugewiesen, während er oder andere Gewinne eingefahren hätten.
Auffallend sind dabei vor allem die engen Geschäftsbeziehungen zur Privatbank von Julius Meinl V. Just zu der Zeit, als die Bawag-Milliarden versickerten, ließ Flöttl über mehrere Geschäftskonten Millionendeals in der Karibik ablaufen (profil berichtete ausführlich). Und ganz en passant promenierten Flöttl, Meinl und Karl-Heinz Grasser (damals Finanzminister, heute Meinls Partner) 2005 in der nördlichen Adria zwanglos über die Planken von Meinls Luxusyacht.
„Ich kann beim besten Willen nicht sagen, was hinter dieser Geschichte steckt. Ich weiß aber, dass man nur dann gemeinsam Urlaub auf einem Boot macht, wenn man sehr eng miteinander ist. Da ist nicht viel Platz, egal wie groß das Boot ist. Ich erinnere mich auch daran, dass Flöttl 2001 in der Bank angerufen hat. Er sagte: ‚Wie geht’s?‘ Und: ‚Hoffentlich erfährt der Vater nichts.‘ Seine Hauptsorge war ja, dass seine Familie von der ganzen Karibik-Sache erfährt. Und dann hat er plötzlich beiläufig von Geschäften mit der Meinl Bank erzählt und gefragt, ob wir da nicht eintreten wollten. Ich habe das nicht einmal an den Vorstand herangetragen, weil das ein kompletter Blödsinn war. Ich war damals allerdings der Meinung, die Herren seien verfeindet. Jetzt stellt sich heraus, dass das doch nicht so war. Nach all dem, was da passiert ist, bin ich mir wirklich nicht mehr sicher, ob Flöttl nicht doch etwas zur Seite geräumt hat. Auch wenn ich das nicht beweisen kann. Ich habe dem Staatsanwalt ja mehrfach empfohlen, eine Forensic Company damit zu beauftragen, den Verbleib des Geldes zu rekonstruieren. Er meinte nur, ‚das brauchen wir nicht‘.
Selbst wenn es lockere Besuchsregeln gäbe: Der Gästeandrang wäre wohl enden wollend. Viele Freunde sind ihm offenbar nicht geblieben.
„Martin Schlaff ist ein Freund. Er hat mir und meiner Familie sehr geholfen. Sonst ist da nicht mehr viel. Die ganze Angelegenheit ist für uns emotional, aber auch finanziell extrem belastend. Es sind ja weiterhin all meine Konten gesperrt. Ich bin der einzige Angeklagte, bei dem man das gemacht hat, ist das nicht unglaublich? Meine Frau muss da draußen ganz allein mit dieser furchtbaren Situation zurechtkommen. Beim Gedanken daran empfinde ich nichts als Ohnmacht. Der Kollege Stadler, der mir bitte schön den Job in der Investkredit zu verdanken hat, hat mir zum Beispiel ein Buch hereingeschickt mit einem Begleitbrief, wie leid ihm das alles tue und so weiter. Unterschrieben war er mit ‚Ihr sehr ergebener Wilfried Stadler‘. Schönen Dank, aber draußen bekommt er den Mund nicht auf. Wie so viele andere auch. Ich hätte mich an deren Stelle zu Wort gemeldet, um auf das Unrecht hinzuweisen. Aber da ist nichts. Ich bin überzeugt, wenn ich am Ende draußen bin, und irgendwann muss man mich ja in die Freiheit entlassen, sind sie alle wieder da.“

Von Michael Nikbakhsh
und Christian Rainer