Manager-Gehälter: Offene Rechnungen

Zoff um die Offenlegung von Managergagen

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Auf die Frage nach seinem Gehalt war Nikolaus von Bomhard offensichtlich nicht vorbereitet gewesen. Sonst hätte der Vorstandsvorsitzende des Versicherungskonzerns Münchner Rück wohl kaum seine Kinder ins Spiel gebracht. Also sagte von Bomhard anlässlich der Präsentation des Jahresergebnisses 2004 am Dienstag vorvergangener Woche vor Journalisten in München: „Wenn Sie Ihre Kinder auf der Straße haben und jedes halbe Jahr Ihre Gehälter veröffentlicht werden, könnten einige Individuen auf dumme Ideen kommen. Stichwort Entführungen.“

Nur wenige Tage zuvor hatte die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries der Öffentlichkeit einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der nach dem Vorbild der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Schwedens die Offenlegung von Managergehältern auch in deutschen börsenotierten Gesellschaften erzwingen soll. Von Bomhard findet an diesem Unterfangen nichts Begrüßenswertes: „Dieses Gesetz verletzt Persönlichkeitsrechte und ist verfassungsrechtlich bedenklich.“

Spätestens mit den Feststellungen des einflussreichen Managers ist in Deutschland ein Konflikt um die Gagen von Topmanagern ausgebrochen. Ein Konflikt, der alsbald auch auf Österreich übergreifen dürfte. Denn da wie dort scheint unter den Betroffenen keine gesteigerte Sehnsucht nach allzu großer Publizität zu bestehen. Da wie auch dort haben sich die an der Börse gehandelten Gesellschaften zwar bereits vor Jahren bestimmte freiwillige Wohlverhaltensregeln auferlegt. Im Branchenjargon werden diese Bestimmungen unter dem Begriff Corporate Governance zusammengefasst. Tatsächlich aber ist es letzten Endes in den meisten Fällen bei Lippenbekenntnissen der Führungskräfte geblieben.

Demnach haben bis heute lediglich 42 Prozent der in den deutschen Börsenindices DAX und MDAX gelisteten Unternehmen die Gehälter ihrer Vorstände detailliert offen gelegt. In Österreich sind der Empfehlung von allen 19 ATX-Gesellschaften lediglich acht gefolgt. Alle anderen bescheiden sich damit, die Gesamtsumme aller Vorstandsbezüge zu veröffentlichen. So wie die Telekom Austria. „Der Aktionär gewinnt keine zusätzliche Erkenntnis, wenn er das Gehalt jedes einzelnen Vorstandsmitglieds erfährt“, so Vorstandsvorsitzender Heinz Sundt. Auch Karl Stoss, Chef der Wiener Versicherungsgruppe Generali Holding, vermag der Idee eher wenig abzugewinnen: „Die Ausweisung individualisierter Vorstandsbezüge bedient lediglich die menschliche Neugierde.“

Fat Cats. Neugierde, Missgunst, Intimsphäre, Persönlichkeitsrechte. Die Liste der vorgebrachten Argumente ist lang, nicht alle sind unplausibel.

In den USA etwa werden Manager mit überdurchschnittlichen Gagen inzwischen nur allzu gern als „Fat Cats“ („Bonzen“) tituliert. Richard Grasso, dem Ex-Chef der New York Stock Exchange, der größten Aktienbörse der USA, etwa hatte der Aufsichtsrat eine Gage von bis zu 30 Millionen Dollar im Jahr gegönnt sowie „Zusatzleistungen“ wie etwa eine Betriebsrente, deren kumulierter Wert – je nach Berechnungsmethode – bis zu 126 Millionen Dollar betragen hätte. Weiters erhielt Grasso 40 Millionen für „besondere Leistungen“ um die Wiederaufnahme des Börsebetriebes nach dem 11. September 2001. Der Sturm der Entrüstung flaute selbst dann nicht ab, als Grasso „freiwillig“ auf Gehaltsansprüche über 48 Millionen Dollar verzichtete. Der Börse-Chef musste schließlich zurücktreten. Michael Eisner strich als Disney-Chef in einem Jahr umgerechnet gut 145 Millionen Euro ein, die geschasste Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina kassierte trotz verfehlter Geschäftsziele 21,1 Millionen Dollar Abfindung.

Auch deutsche Kollegen mussten leidvoll erfahren, wie die öffentliche Meinung nur allzu rasch kippen kann. So haben sich die – detailliert nicht ausgewiesenen – Gagen des DaimlerChrysler-Managements in den vergangenen fünf Jahren verfünffacht – trotz magerer Ergebnisse, trotz herber Kursverluste. Was den Vorsitzenden der deutschen Corporate-Governance-Kommission, Gerhard Cromme, jüngst zu einer handfesten Schelte veranlasste: „Diese Gagen sind durch objektive Kriterien nur noch schwer zu rechtfertigen.“ Eine Feststellung, die nach Meinung von Kritikern taxfrei auch auf Deutschlands bestbezahlten Manager Josef Ackermann zutrifft. Erst hatte der Chef der Deutschen Bank monatelang auf der Anklagebank des Düsseldorfer Landgerichts ausharren müssen, weil er als Mannesmann-Aufsichtsrat millionenschwere Abfindungen für den geschiedenen Vorstandschef Klaus Esser gebilligt hatte. (Ackermann wurde ebenso wie Esser und die übrigen Angeklagten im vergangenen Juli letztlich freigesprochen.) Für 2003 strich Ackermann als Deutsche-Bank-Chef insgesamt elf Millionen Euro ein – 2004 dürften es nicht viel weniger gewesen sein. Und im laufenden Jahr verkündete er zur „weiteren Steigerung der Kapitalrendite“ den Abbau von nicht weniger als 6400 Mitarbeitern.

Es mag nicht weiter verwundern, dass allzu üppige Vorstandsgagen gerade dann öffentlich leidenschaftlich diskutiert werden, wenn weiter unten massenhaft Stellen gestrichen oder zumindest wohl erworbene Rechte der Belegschaft infrage gestellt werden.

Erich Hampel, Generaldirektor der Wiener Bank Austria Creditanstalt, etwa musste sich in Zusammenhang mit der umstrittenen Einführung eines neuen Dienstrechts für 10.500 Mitarbeiter nicht nur einmal vom Betriebsrat anhören, er möge aus Solidarität auf einen Teil seines Gehalts verzichten. Dieser Forderung ist er letztlich genauso wenig nachgekommen wie Empfehlung Nummer 31 des österreichischen Corporate-Governance-Kodex, welche ihm die Offenlegung des eigenen Gehalts nahe legt. „Wir weisen den Gesamtbezug des Vorstands aus, das muss reichen“, sagt Hampel. „Will jemand genauer wissen, was ich verdiene, muss er ja nur den Gesamtbezug durch die Anzahl der Vorstände dividieren.“

Einkommensschere. 2004 haben die sieben aktiven Vorstandsmitglieder der BA-CA insgesamt 5,47 Millionen Euro verdient, macht rechnerisch etwa 780.000 Euro pro Person. Wobei davon auszugehen ist, dass Hampel als Vorstandsvorsitzender zwischen 30 und 50 Prozent mehr als ein „einfacher“ Vorstand verdient, seine Kollegen demgemäß entsprechend weniger. Wilhelm Rasinger, der im Interessenverband für Anleger (IVA) die Interessen österreichischer Kleinanleger vertritt: „Ich habe fast den Eindruck, dass manche Manager ein schlechtes Gewissen haben.“

Immerhin: Nach Berechnungen des Finanzministeriums verdienen Österreichs Vorstände im Mittel zehnmal mehr als ein durchschnittlicher Mitarbeiter. Die Arbeiterkammer wiederum hat errechnet, dass die Schere zwischen den untersten und den obersten Einkommen seit 1994 kontinuierlich größer wird. Verdienten zu Beginn der neunziger Jahre die obersten zwanzig Prozent der Lohnsteuerpflichtigen in Österreich 16-mal so viel wie die untersten zwanzig Prozent, so streiften die Bestverdiener im Jahr 2002 bereits 19-mal so viel ein (siehe Grafik).

Und während die Arbeiter und Angestellten im Lande zuletzt allenfalls noch die Inflationsrate abgegolten bekamen, sind die Gagen aller Vorstände börsenotierter Unternehmen laut IVA im Vorjahr um rund 14 Prozent gestiegen. Das liegt unter anderem an der Zusammensetzung der Topgehälter. Neben dem Fixgehalt gibt es in aller Regel eine Reihe von Bonifikationen, die wiederum an Erfolgskriterien wie Aktienkurs, Gewinn oder Umsatz gekoppelt sind. Hinzu kommen langfristige Bestandteile wie Aktienoptionen, Rückstellungen für die Altersversorgung und Nebenleistungen wie Dienstwagen, Chauffeur oder Dienstwohnung. Im vergangenen Jahr konnten die heimischen Manager nicht nur an den sprunghaft gestiegenen Gewinnen (BA-CA, OMV oder VoestAlpine) mitnaschen, sondern auch im Rahmen ihrer Aktienoptionen von der Kursrally an der Wiener Börse profitieren. Dass es dabei mitunter zu Diskrepanzen zwischen Leistung und Gehalt kommen kann, zeigt etwa das Beispiel des Linzer Anlagenbauers VA-Technologie. Obwohl der Konzern 2004 ein negatives Ergebnis von 66 Millionen Euro einfuhr, räumten 120 Manager, allen voran Vorstandschef Klaus Sernetz, dank kräftig gestiegener Aktienkurse insgesamt 35 Millionen Euro extra ab. Auch beim Feuerfestkonzern RHI brachten Aktienoptionen den Führungskräften ein schönes Zubrot: Generaldirektor Helmut Draxler und seine Vorstandskollegen kassierten im Vorjahr aus diesem Titel jeweils 800.000 Euro zusätzlich.

Leistung. „Pay for performance“ wird die leistungsgerechte Entlohnung im Fachjargon genannt. Unternehmensberater Michael Kramarsch von der internationalen Beratungsagentur Towers Perrin ortet diesbezüglich in Österreich noch einiges an Nachholbedarf: „Bis dato wurden Gehälter nach Gutsherrenart vom Aufsichtsrat genehmigt, der Zusammenhang zwischen Erfolg und Leistung muss deutlicher hergestellt sein.“ Laut Kramarsch solle in Zukunft eine Drittellösung zwischen Fixgehalt, Boni und langfristigen Gehaltsbestandteilen wie Aktienbeteiligungen angestrebt werden.

Was jedoch an der Debatte zur Offenlegung der Gehälter selbst nicht viel ändern dürfte.

Richard Schenz, Regierungsbeauftragter für den Kapitalmarkt und Vorsitzender der österreichischen Corporate-Governance-Kommission, will vor allem eine Wahrnehmung gemacht haben: den Neid der Vorstände untereinander. „Die meisten Fragen und Rückmeldungen haben wir von Vorständen, nicht von Aktionären erhalten“, so der Kapitalmarktexperte. Dass allzu hohe Transparenz nicht nur Bewunderung, sondern vielmehr Missgunst auslösen könnte, ist auch dem renommierten Management-Experten Fredmund Malik bewusst. „Es wird eine Anpassung der Gehälter nach oben geben“, sagt der Leiter des Malik Management Zentrums St. Gallen (siehe Interview). Und Berater Kramarsch von Towers Perrin sieht noch ein anderes Problem auf die Vorstände zukommen: „Stellen die Aktionäre fest, dass ein Vorstand einen geringeren Bonus erhält, könnte für sie der Eindruck entstehen, dass es Zeit wird, ihn zu feuern.“

So gesehen müsste Leute wie Claus Raidl langsam, aber sicher die Unruhe packen. Schließlich steht der Chef des börsenotierten Edelstahlkonzerns Böhler-Uddeholm seit Jahren zur Veröffentlichung seiner Gage. 2003 hatte er exklusive lukrativer Aktienoptionen exakt 660.000 Euro verdient. Im Vorjahr dürfte sein Salär vermutlich nicht geringer gewesen sein. (Der Konzern hat zwar das endgültige Ergebnis des Jahres 2004 noch nicht veröffentlicht, doch bereits bekannt gegeben, dass die zu erwartenden Zahlen „zumindest so gut“ wie im Jahr davor sind.) „Jeder, der seine Gage verheimlicht, muss sich den Verdacht gefallen lassen, sein Geld nicht wert zu sein“, so Raidl. Nachteile seien ihm aus seiner Offenheit bis dato jedenfalls nicht erwachsen. Ganz im Gegenteil: Bei einer Hauptversammlung soll ihn einmal ein Aktionär gefragt haben, warum er eigentlich nicht mehr verdiene.

Andere Sorgen. Die österreichische Regierung sieht im Gegensatz zu Deutschland vorerst jedenfalls keinen Anlass, die Offenlegung gesetzlich zu regeln. Justizministerin Karin Miklautsch sieht „die derzeit geltenden Normen, welche die Transparenz in Österreich regeln, als ausreichend an“. Finanzminister Karl-Heinz Grasser scheinen überhaupt andere Sorgen zu plagen. Aus seinem Kabinett war zum Thema Offenlegung „kein Statement“ zu erhalten.

Einzig SPÖ-Finanzsprecher Christoph Matznetter kann sich einen Seitenhieb auf die Sitten im Lande nicht verkneifen: „In Österreich gehen alle nackert baden. Nur beim Geld geben sie sich zugeknöpft.“

Sieht so aus, als ob sich die Kinder der heimischen Manager auch weiterhin unbehelligt auf der Straße aufhalten könnten.

Von Julia Heuberger
Mitarbeit: Robert Zechner