Maschinenstürmer

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„Ich bin dagegen, also bin ich“
Frei nach Descartes

Gerhart Hauptmann, der sich mit kluger Heirat das Geld zum Schriftstellern sicherte und rechtzeitig scheiden ließ, ehe er den fetten Nobelpreis erhielt, schrieb am liebsten über moralischen Verfall und soziales Elend. Von Ibsen geprägt, galt er als großer Naturalist unter den deutschen Dramatikern. Sein größtes Werk, „Die Weber“, schrieb er 50 Jahre nach dem 1844 versuchten Aufstand der schlesischen Leinenweber in Peterswaldau.
Mit den Webern ist der Begriff „Maschinenstürmer“ verbunden. Das ist weder falsch noch richtig. Die Maschinen der englischen Konkurrenz, vor allem der Baumwollfabrikanten, hatten das Elend der Schlesier eingeleitet. Unerträglich wurde die Situation aber erst durch jene Vertriebs-Monopolisten, die man „Verleger“ nannte. Diese zwangen die Heimwerker zu immer längeren Arbeitszeiten bei immer kleinerem Lohn. Sie waren auch vom Naturell her geborene Feindbilder, kalt, profitgierig, unempfänglich für soziales Leid, vergleichbar den Ziegelfabrikanten vom Wienerberg.
Strukturell glich der Weberaufstand eher heutigen Aufständen von Zulieferern gegenüber preisdrückenden Vertriebs-Mammuts, wie zuletzt im Fall Billa/Rewe. So gut wie gar nicht vergleichbar ist er heutiger Maschinenstürmerei gegen die Welt des Computers. Diese ist schon psychologisch einzigartig. Sie hat zwar in Summe eine Million Anhänger allein in Österreich, ist aber an Einzelmenschen gebunden. Sie ist nicht versammlungsfähig, es sei denn unter größtem Gelächter, weil man genauso gut einen „Protestmarsch gegen die Schwerkraft“ organisieren könnte.

Außerdem waren die Auswirkungen der Digitalmaschinen lange Zeit vorhersehbar. Sie kamen sogar langsamer, als man in den siebziger und achtziger Jahren dachte. Viele haben zwar das subjektive Gefühl, der Computer sei wie der Blitz aus dem Sommerhimmel geschossen. Wahr ist das Gegenteil. Vierzig Jahre vergingen seit den ersten Mainframes und zwanzig Jahre seit der Marktreife des Personal Computers (PC), ehe sich heute in zwei großen Idealanwendungen erstmals was rührt: an der Schnittstelle Bürgerbürokratie und im kundennahen Bankgeschäft.
Niemand, der sich erstmals einen Amtsweg ersparte, weil er ein Formular per Mail ausfüllen durfte, wird jemals wieder die Sinnhaftigkeit von EDV und Telekommunikation bezweifeln. Erst recht nicht einer, der zu den (immer noch relativ wenigen) Bankkunden zählt, die endlich das E-Banking nützen, eine nunmehr ausgereifte, sichere und einfach zu beherrschende Technik.
Ich werde mich hüten, darüber zu lachen. Obwohl weit eher ein Hi-Tech-Freak als ein Digitalmaschinenstürmer, habe ich einige Jahre gezögert, dem E-Banking näher zu treten. Psychologischer Grund: Seit die Erotik ihren privilegierten Platz als Geheimnis verlor, unter Lawinen von Nackerten, Outings und schlechten Witzen, blieb das Geld als letzter Hort der Intimität. Diesen wenigstens wollte man noch schützen, zumal man der Geheimhaltung von Computerüberweisungen und Kontenbewegungen misstraute.
Heute scheint es mir undenkbar, wegen jeder Kleinigkeit zur Bank zu laufen und dort an Schaltern zu warten, bis drei pensionierte Umstandsmeier ihre Sparbücher auf den letzten Stand gebracht haben.

Tipp: Steigen Sie sofort auf E-Banking um, Sie können davon nur profitieren. Sie sparen Zeit und Geld. Man glaubt gar nicht, wie heilsam der Schock in die Glieder fährt, wenn (beispielsweise im System „Elba“ der Raika) wieder mal rote Zahlen unter dem Strich leuchten, die anschaulich zeigen, dass der Hut brennt. Man kriegt ein feines Gefühl für Routinezahlungen (sieht vielleicht erstmals, was alles so anfällt pro Monat), erkennt aktuelle Disparitäten von Einnahme und Ausgabe und lernt als Selbstveranlagender wieder ganz frisch die Steuerbehörden zu hassen. Umgekehrt motivieren die in hübschem Blau gehaltenen Einnahmezahlen zu großen, neuen Taten.
Mittlerweile halte ich E-Banking für die zweitfeinste
Anwendung der Digitaltechnik. Nr. 1 bleibt die Freisetzung von Milliarden Stunden der Volkswirtschaft für kreative Leistungen, weil der Computer primitive Routinen erledigt.
Maschinenstürmerei ist auch deshalb nicht angebracht, weil die EDV-Revolution noch lange nicht dort ist, wo sie hingehört. In vielen Bereichen enttäuscht sie. Bisher musste noch kein einziger Sprachlehrer fürchten, vom Computer ersetzt zu werden. Selbst die modernste Software zum Italienischlernen bereitet dich nicht im Geringsten aufs wahre Leben vor, wo der angeheiterte Gondoliere mit rollenden Augen auf dich einspricht. Gegen die Grausamkeit der Realität wappnen dich nur die sauteuren, mörderisch anstrengenden Crashkurse der Sprachschulen, wo du von drei Lehrern zur gleichen Zeit beschossen wirst.
Ängstliche, ungebildete, fortschrittsfeindliche Menschen waren immer partout gegen alles Neue, das später zum Garanten eines breiten Wohlstands wurde. An Webmaschinen und Papiermaschinen hat man sich jetzt gewöhnt. Beim Computer wird es bald so weit sein. Dafür zetern hunderttausende lustlose Suderer über die Spaßgesellschaft. Sie haben nicht begriffen, dass unsichtbare Phänomene wie Unterhaltung und Wellness die Produkte der Zukunft sind. Hätte ich ein Kind, würde ich ihm raten, nicht ein Nichtsnutz von Programmierer, sondern ein verantwortungsbewusster Schauspieler zu werden.