50 Jahre Playboy

Medien: Schnauf, Hase, schnauf!

Schnauf, Hase, schnauf!

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Wir sprechen also von einem älteren Playboy. Und das ist ein Mann, der den Mädchen nur noch nachläuft, wenn’s leicht bergab geht. Ein besonders (sogar von mir) geschätzter Kollege hat unlängst vom Flirt mit einer jungen Kellnerin erzählt. Als sie ihn gelangweilt abtat, habe er gemahnt: „Fräulein, san S’ net so gschnappig, Sie wern aa amoi so alt wie i.“ Und wissen Sie, welche Antwort sie ihm servierte? „Ja, aber Sie wern’s nimmer erleben.“

Wir sprechen also von einem älteren „Playboy“-Leser. Einem, den die Apothekerin fragt, ob sie die Potenzpillen in Geschenkpapier einwickeln soll. (Hugh Hefner nannte Viagra und Pille „the two most important inventions of the 20th century“, womit er Fernsehen, Atomkraft und Internet möglicherweise doch etwas unterschätzt.) Eine Revolution ist also in die Jahre gekommen, wenn nicht gar in die Mitleids-Crisis. Männer, die früher Urlaubsfotos mit sich herumtrugen, zeigen einem heute Röntgenbilder. Irgendwo dazwischen ruhen die Centerfolds und die cellophanierten Schutzbehauptungen: „Ein Playboy ist ein Mann, der die Frauen lieber begreift als versteht“ (der Schweizer Satiriker Ralph Boller) und „Ein Bier ist besser als eine Ehefrau, denn ein Bier wirft dir nicht vor zu lügen, wenn du sagst, du liest den ,Playboy‘ wegen der Artikel“ (Volksmund).

Nun, mittlerweile haben sogar Hundemagazine ausklappbare Bilder von Lieblingen. Und die Gourmet-Gazetten erst! Da begreift man: Essen ist der Sex des Alters. Hauben und Schürzen sind die Strapse und High Heels der Kompensationsgenießer. Wie auch immer: Es gebricht dem Mythos „Playboy“ weidlich an Verruchtheit. Das war, im Revolutionsjahr 1953, weiß Gott anders. Hefner lief nach Auslieferung der ersten Nummer (mit einem um 800 Dollar günstig erworbenen Kalenderfoto der Monroe am Titelblatt) von Kiosk zu Kiosk, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass sein Baby den „Vorschriften für die bundesstaatliche Post gegen die Verbreitung von Obszönität“ genügte.

Seinen lustvollen Lebensweg verdankt Hugh Marston Hefner, oder sollte man nicht eher sagen: Schuld an seinem Wirken sind – Herr Fitzgerald, Fräulein Conklin und der Chef vom „Esquire“ der frühen fünfziger Jahre.

F. Scott, der Erstere, hatte mit dem „Großen Gatsby“ genau die Träume vorweggeschrieben, die Hefner als sexuell ausgehungerter Kriegsheimkehrer hegte: „Ich las das und dachte, ich hätte die beste Party versäumt. Ich wollte alles nachholen.“

Schon mit zehn hatte er die erste Zeitung gestaltet, später Underground-Magazine wie „Pepper“ und „Shudder“ (das Zentralorgan für Horrorfilme), schließlich, schon an der High School, eine Publikation namens „Shaft“, die als fixen Bestandteil in der Heftmitte bereits eine Darstellung der jeweils mitreißendsten Mitschülerin aufwies. Eine davon, Betty Conklin, wies sein Bildbegehren ab. Er wusste, er würde sich alle anderen holen.

Dann arbeitete er für die Anzeigenabteilung des „Esquire“, bat nach einem Jahr um fünf Dollar Gehaltserhöhung, wurde gefeuert und gründete in seiner winzigen Wohnung im Pyjama den „Playboy“. Das Domizil sollte sich später ändern, die Arbeitskleidung nicht.

Dem „Playboy“ haftet zum Fünfziger jenes obskure Odium an, das die Deutschen der früheren DDR zugestehen: versunken irgendwie, aber nicht unlustig. Allein das Wort: Playboy! Das hat was von Reiseschreibmaschine,
5-Uhr-Tee und Opel Kapitän.

Zum ersten Mal tauchte die Formulierung „Playboy“ im „Oxford English Dictionary“ 1828 auf: „Ein wohlhabender Mensch, der darauf aus ist, sich zu erfreuen; selbstsüchtiger Genusssucher.“ „Playboy“ als Adelsprädikat ist ja auch außerhalb des Magazins dramatisch verkommen. Statt Aga Khan haben wir Ollie Kahn, also statt des Halbgotts der Ismaeliten den Abgott der Proleten. Statt Gunther Sachs haben wir Jürgen Drews, also statt des Renaissance-Fürsten der Côte d’Azur den Remix-König von Mallorca. Gab es einst einen Arndt von Bohlen und Halbach, stehen wir heute vor einem Dieter Bohlen Habtacht!

Nebst dem dreisten und feisten Hans-Schwampf-in-allen-Gossen komplettieren humorlose Hormon-Nudeln vom Typ Homo luders statt Homo ludens wie Boris Becker und Stefan Effenberg das aggressiv blondierte Kaulquappen-Clubbing, das – erstaunlich genug – immer noch fürs Existenzminimum deutscher Gesellschaftsberichterstattung sorgt. Der dominikanische Draufgänger Porfirio Rubirosa (der 1965, stilgerecht und standesgemäß, gemeinsam mit seinem Ferrari zu Ende kam) hatte noch das, was die genannten und genanten Epigonen für einen Achselspray halten würden – ein Credo. Der Meister der Kunst, „das Leben wie eine Auster zu schlürfen“ (so eine Nachtabschnittspartnerin, Rita Hayworth? Zsa Zsa Gabor? Barbara Hutton?), erübrigte „keine Zeit für Arbeit“ und wunderte sich daher tagsüber: „Die meisten Männer wünschen sich nichts sehnlicher, als ein Vermögen zu verdienen, ich will nur ein Vermögen ausgeben.“ Als gehobener Reiseleiter für seinesgleichen verstand sich Alfonso Prinz zu Hohenlohe: „Das Wochenende zum Segeln nach Long Island, Polo bei den Vanderbilts in Connecticut, ein paar Tage mit anderen Junggesellen in Havanna.“ Heute ist die Karibik nicht mehr der weite Horizont, und auch die First-Minute-Angebote der Horizontalen rauben den Großwildjägern den Reiz. Die hatten natürlich alle Geld, aber auch einen Verdacht von Geschmack. Als der Kugellager-Dynast Gunther Sachs 1966 Brigitte Bardot eroberte, gelang ihm das nicht, wie es die Fama hartnäckig will, mit 10.000, sondern mit bloß einer Hand voll Rosen, die er aus einem über BBs Anwesen in St. Tropez knatternden Helikopter abwarf. „Entscheidend war“, fügte er später hinzu, „dass ich den Rosen aus zehn Meter Höhe nachhechtete und klatschnass an Land kroch.“

Auf die Frage, ob es heute noch Playboys gäbe, sinnierte Sachs (dem die Frau Bardot 1969 Richtung Artenschutz abhanden kam): „Finden Sie öfter mal Edelweiß im Garten?“ Das nicht, aber immer noch die zartesten Pflänzchen der Saison in Hugh Hefners Bauchladen. Dazu ergab eine US-Studie jüngsten Datums, dass 70 Prozent aller je im „Playboy“ abgebildeten Mädchen stark untergewichtig sind. Neben Hundertschaften von No-Bodys, die (sich) auszogen, um berühmt zu werden, zählen auch Weltstar(let)s wie Ursula Andress, Kim Basinger, Pamela Anderson, Cindy Crawford und Katarina Witt (die als kratzender Schlittschuh auf der Herdplatte der Cif-Werbung kaum besser besetzt gewesen wäre) zu den mit Heftklammern im Nabel dekorierten Spielgefährtinnen mit Ablaufdatum Ende des Monats. „Nichts ist trauriger als eine Frau, die sich aus anderen Gründen auszieht als für die Liebe“, sagte die große französische Chansonette Juliette Greco.

Den „Playboy“ auf die Hautoberfläche zu reduzieren wäre allerdings ungerecht. Jedenfalls unvollständig. Denn der Hochglanz hatte stets auch etwas Tiefgang. Die Kreuz- und Querdenker Lenny Bruce, John Updike oder Jack Kerouac wurden gefeatured und gehätschelt, Kaliber wie Saul Bellow, Woody Allen, Norman Mailer oder Roald Dahl schrieben für das Magazin, die Ersten, Besten (neben jeder Menge von Erstbesten) wurden über lange Strecken interviewt. Auf dem Höhepunkt des Ruhmes hatte der „Playboy“ eine weltweite Auflage von mehr als sechs Millionen Exemplaren, heute liegt diese bei knapp vier Millionen, immer noch vor jedem anderen Abglanz seiner Liga. „Ich wollte Sex einen guten Namen verschaffen“, sagt Hefner über seinen Erfolg. Er werde so lange weitermachen, wie es geht. Seine Mutter sei 101 Jahre alt geworden. Hefner, der „blond“ als Lieblingsfarbe nennt, hat einen Schlaganfall zu Beginn der achtziger Jahre (als sich Reagans Moralinsäure über das Land ergoss) und zwei Ehen überstanden und lebt heute „als glücklichster Mann des Planeten“ mit sieben Frauen, 65 Hausangestellten, etlichen Eichhörnchen und einem Albino-Pfau in seinem 50-Millionen-Dollar-Palast namens „Shangri-La“ nahe Los Angeles. Die Geschäfte führt Tochter Christie aus erster Ehe. Deren jüngster Coup: Die US-Soldaten im Irak dürfen kostenlos mit den aktuellen „Playboy“-Bunnies
E-Mails austauschen. Hugh Hefners Stolz: Ein vom Aussterben bedrohtes Sumpfkaninchen trägt den wissenschaftlichen Namen „Sylvilagus Palustris Hefneri“. Aus seiner Geburtsstadt Chicago stammen McDonald’s-Gründer Ray Kroc und Zeichentrick-Tycoon Walt Disney. Dort gibt es nach Überwindung langjähriger feministischer Widerstände sogar einen Hugh Hefner Way. Dem genialen deutsch-polnischen Denker Gabriel Laub (1928-1998) verdanken wir drei essenzielle empirische Beobachtungen, die alle irgendwie mit dem Thema zu tun haben:

1. „Fantasie ist etwas, was sich die wenigsten vorstellen können.“

2. „Der Mann erträgt die Ehe aus Liebe zur Frau. Die Frau erträgt den Mann aus Liebe zur Ehe.“

Und 3. „Jeder Mann braucht im Leben drei Frauen: eine Mutter, eine Ehegattin und wenigstens eine, die ihn für einen Mann hält.“
Und sei es eine Zeitschrift.

Der Verdienst Hugh Hefners geht fraglos in die mehrstelligen (Dollar-) Millionen, inklusive Nährwertsteuer dank jener Brüste, auf denen er nach und nachts sein Imperium errichtete. Nur: Worin liegt das Verdienst seines Lebenswerks „Playboy“? Gesellschaftliche Aufbrüche, Einbrüche, Tabubrüche – mag alles sein. Wenn dieses Frauenbild stets die Blume des Hasen einbezieht, fragt man sich, warum sparsam bekleidete Männer nicht ebenso reflektorisch mit Gekringeltem vom Schwein fotografiert werden. Und wenn dieses „Bild der Frau“ zur „sexuellen Freiheit“ geführt hat, dann fragt man sich auch, warum im selben Zeitraum nicht der Hunger der Welt mit Kochbüchern geheilt wurde.