Mensch Hans Peter Martin

Mensch Martin

Neue Vorwürfe gegen den EU-Abgeordneten

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Martin Pollack liebt klare Verhältnisse. Deshalb hat er sich, als er noch "Spiegel"-Korrespondent in Österreich war, eine Order ausbedungen, die sein Leben sehr erleichterte: Sein Büro in der Wiener Schönbrunner Straße sollte für seinen als schwierig geltenden Kollegen Hans-Peter Martin Tabuzone sein.

Das Stammhaus in Hamburg respektierte diesen Wunsch, Hans-Peter Martin hielt sich ebenfalls daran. "Vielleicht", sinniert Pollack, "sind wir deshalb halbwegs miteinander ausgekommen."

Erst als Pollack 1996 auf dem Sprung nach Warschau war und Martin den Österreich-Job erhielt, kam es im "Spiegel"-Büro in Wien zu einem denkwürdigen Zusammentreffen zwischen Pollack, Martin und dem Besitzer der Liegenschaft.

Der Hausherr war aus Tirol angereist, um die Mietnachfolge zu regeln. Es sollte eine geordnete Übergabe werden. Doch das Treffen mündete in Zwist und Hader.

Pollack erinnert sich, dass er in seinem Büro hantierte, als er aus dem Nebenzimmer eine "Riesenbrüllerei" vernahm. Er eilte an den Ort des Geschehens und wurde Zeuge einer unvergesslichen Szene: Der Hausherr, mit dem Pollack fünf Jahre lang gut ausgekommen war, wandte sich kurz zu ihm und versicherte: "Mit Ihnen hat das nichts zu tun, Herr Pollack", um übergangslos Richtung Martin weiter zu poltern: "Verlassen Sie mein Büro!"

Worum es bei der Auseinandersetzung ging, habe er nicht herausbekommen. "Es hat mich auch nicht interessiert", gesteht Pollack. Umso tiefer grub sich die Erinnerung beim Hausherrn, Rudolf Zeller, ein: "Ich habe mit Herrn Dr. Martin vereinbart, dass ich die im Büro verbleibende Einrichtung - im Wesentlichen Regale und ein Schreibtisch - mit 10.000 Schilling ablöse", erklärt Zeller gegenüber profil.

Rausschmiss. Dem neuen Österreich-Korrespondenten Martin war das "Spiegel"-Büro in der Schönbrunner Straße nicht genehm, er wollte in die Innenstadt. Sein Verlag hatte deshalb den Vertrag mit Zeller gekündigt. Bei dem Treffen in Wien wollte Martin dem Eigentümer nur mehr die Regale im Archivraum, nicht jedoch den Schreibtisch überlassen. Da platzte dem Vermieter nach eigenem Bekunden der Kragen - und er warf Martin hinaus.

Am nächsten Tag war die Eingangstüre verwüstet. "Aus Wut", so Zeller, habe "Hans-Peter Martin einen Mann beauftragt, mit dem Bolzenschneider das Scherengitter vor der Tür aufzuschneiden und die Scheibe einzuschlagen. Der Täter wurde von jemandem aus dem Haus beobachtet."

Hans-Peter Martin war für profil nicht zu erreichen. Der EU-Abgeordnete reagierte weder auf eine Nachricht auf seiner Mobilbox noch auf ein E-Mail. Stattdessen meldete sich knapp vor Redaktionsschluss sein Anwalt Ernst Denk vom Wiener Kanzlei Denk & Kaufmann mit der Aufforderung, "die Privatsphäre unseres Klienten zu respektieren". Zu den Vorwürfen rund um das "Spiegel"-Büro heißt es in dem anwaltlichen E-Mail knapp: "Unser Mandant hat selbstverständlich keinerlei Fehlverhalten gesetzt und daher auch nicht Scheiben eingeschlagen oder gar ein Büro verwüstet."

Fest steht, dass Zeller seinerzeit - und zwar am 29. Februar 1996 - den Spiegel-Verlag von der Straftat unterrichtete und seine Vermutungen über die Hintergründe darlegte. Außerdem forderte er das Unternehmen auf, den angerichteten Schaden zu begleichen - was prompt geschah:

Bereits am 4. März 1996 kam per eingeschriebenen Brief folgende Antwort des "Spiegel": "Sehr geehrter Herr Zeller! Vielen Dank für Ihren Brief vom 29.2.96 [...] Diesem Schreiben ist ein Scheck über 41.148 öS zur Reparatur der Eingangstür beigefügt. Unstrittig ist, dass die Eingangstür durch einen Einbruchsversuch im genannten Umfang beschädigt ist. [...] Ihre Darstellung bezüglich des Einbruchs konnten wir noch nicht prüfen, da sich Herr Dr. Martin derzeit auf Urlaub befindet."

Für Rudolf Zeller war das Kapitel erledigt. Von einer Anzeige sah er ab: "Für mich war klar: Ein Verlag zahlt nicht 40.000 Schilling, wenn er nicht muss."

Die Causa ging glimpflich aus. In einer anderen könnte Hans-Peter Martin noch Ungemach drohen: Es geht um jene Wohnung, die Martin während seiner Wien-Aufenthalte benützt.

Im März 2002 vermietet eine in Griechenland lebende deutsche Staatsbürgerin (Name der Redaktion bekannt) dem EU-Abgeordneten ihre 50-Quadratmeter-Wohnung in einem Jahrhundertwendehaus in der Wiener Praterstraße.

Man bespricht sich in vertrauensvoller Atmosphäre - schließlich sind die Eigentümerin der Liegenschaft und Hans-Peter Martin über gemeinsame Bekannte zueinander gekommen - und wird handelseins. Alles scheint bestens, die Unterzeichnung des Vertrags ein reiner Formalakt.

Zu diesem kam es freilich nicht.

Wie die Frau profil erklärte, wollte Hans- Peter Martin vor Unterzeichnung im Vertrag eine Kleinigkeit ändern lassen. In die Wohnung einziehen wollte er hingegen sofort. Die Vermieterin vermutete nach eigenen Angaben nichts Böses und händigte ihm die Schlüssel aus: "Hans-Peter Martin hat mir versprochen, innerhalb von drei Tagen zu unterzeichnen - und ich habe ihm vertraut. Ich habe mir gedacht: Was soll bei so einem tollen, in der Öffentlichkeit stehenden Mann schon passieren?"

Seit Oktober keine Miete. Es passierte Folgendes: Der Europa-Parlamentarier überwies pünktlich jeden Monat die vereinbarte Miete, unterschrieb aber bis heute den Vertrag nicht. Er reagierte weder auf die Erinnerungen, die ihm seine Vermieterin per E-Mail aus Griechenland schickte, noch auf Schreiben ihres Anwalts.

"Im Oktober 2003 hat er die Mietzahlungen eingestellt", erzählt die Vermieterin. Die Begründung: Die Miete sei überhöht. Als die verzweifelte Frau Bekannten ihr Leid klagte, schickt ihr der Abgeordnete am 4. Dezember 2003 einen Brief, in dem er "noch einmal ersucht, keine tatsachenwidrigen Behauptungen in Umlauf zu bringen. Andernfalls müsste ich im Interesse des guten Einvernehmens mit unseren gemeinsamen Bekannten gerichtliche Schritte setzen."

Außerdem behauptete Martin nun, der Mietvertrag sei unbefristet. Wie die Vermieterin inzwischen weiß, gelten Mieten, für die keine anderslautenden schriftlichen Vereinbarungen getroffen wurden, automatisch als unbefristet. "Laut mündlicher Absprache und laut Vertrag, den Herr Martin bis heute sich weigert zu unterschreiben, waren aber drei Jahre ausgemacht", sagt die Vermieterin.

Martins Anwaltsbüro ließ ausrichten, der EU-Abgeordnete habe den Vertrag nicht unterfertigt, "da dieser in keiner Weise den vereinbarten Bedingungen entsprach. Ein gemeinsamer Freund hat sodann unseren Mandanten darauf aufmerksam gemacht, dass der verlangte Mietzins wesentlich überhöht sei und überprüft werden sollte. Die daraufhin eingeschaltete Mietervereinigung hat die Wohnung als Kategorie D qualifiziert und die Überhöhung des Mietzinses festgestellt. [...] Auf Anraten der Mietervereinigung hat unser Mandant die Mietzinszahlung bis zur Klärung eingestellt."

Nicht nur als Mieter erwies sich Hans- Peter Martin als herbe Enttäuschung. profil sprach mit einer 33-jährigen Wienerin (Name der Redaktion bekannt), die den EU-Abgeordneten vor zwei Jahren in der Rolle des Vermieters kennen gelernt hatte.

Die Frau war nach ihrer Scheidung im Jahr 2002 in einer misslichen Lage. Die Altbauwohnung, die sie mit ihrem Mann und ihrem damals dreijährigen Sohn bewohnt hatte, konnte sie sich nicht mehr leisten. Sie brauchte dringend eine günstigere Unterkunft. Freunde rieten ihr, sich an den Autor der "Globalisierungsfalle" zu wenden. Dieser besitze in der Wiener Böcklinstraße ein Büro, das er nicht benütze.

Hans-Peter Martin sei zunächst die Zuvorkommenheit in Person gewesen, erzählt die Wienerin. Statt des besagten Büros - einer kleinen, mit Büchern, Zeitschriften und Archivmaterial voll gestopften Wohnung - habe er seiner langjährigen Bekannten seine im selben Haus befindliche 130 Quadratmeter große Wohnung angeboten.

Die Frau lehnte ab, mehr als 500 Euro im Monat könne sie nicht zahlen. Daraufhin habe Martin generös bekundet, 500 Euro seien okay. "Er hat gesagt: Wenn ich einmal mehr verdiene, soll ich mehr zahlen." Kurz darauf habe er ihr die Schlüssel in die Hand gedrückt. Als sie Martin einige Tage später in Brüssel angerufen habe, um sich zu erkundigen, wann sie den Mietvertrag unterschreiben könne, habe er sie beruhigt, sie solle sich darüber keine Gedanken machen.

Wohnung geschrubbt. Erst Wochen später - der von den Tauben arg verschmutzte Balkon sei geschrubbt gewesen, die Wohnung geputzt und auf eigene Kosten entrümpelt, der Schrankraum und der Vorraum ausgemalt, die Küche geplant, "Gott sei Dank noch nicht in Auftrag gegeben" - habe Hans Peter Martin ihr einen Vertrag vorgelegt. "Und da hat es mich das erste Mal hingesetzt", sagt die Wienerin: "Dieser Vertrag war gegen die guten Sitten."

Die Miete hatte sich auf 638 Euro erhöht. Von der mündlich vereinbarten Befristung auf drei Jahre war keine Rede. Stattdessen behielt sich ihr Vermieter in einer profil vorliegenden Nebenvereinbarung vor, sie jederzeit ohne Angabe von Gründen auf die Straße setzen zu können. "Ich habe ein hochgradig sehbehindertes Kind", sagt die Frau: "So etwas konnte ich nicht unterschreiben." Und dies habe sie per Fax auch Hans-Peter Martin mitgeteilt.

Der dreht den Spieß nun um und lässt seinen Rechtsanwalt entgegnen, der Mietvertrag habe durchaus den Abmachungen entsprochen. Den Schlüssel habe die Frau bloß zur "Besichtigung" bekommen, sie habe "ohne Absprache mit unserem Klienten Arbeiten in der Wohnung begonnen. Außerdem habe die Bekannte "bis zum heutigen Tag weder irgendeine Zahlung für die Wohnung geleistet noch den Schlüssel trotz Aufforderung zurückgegeben".

Die 33-jährige Wienerin hingegen behauptet, sie habe seit eineinhalb Jahren "kein Lebenszeichen von Hans-Peter Martin erhalten, dabei weiß er sehr wohl, wie ich zu erreichen bin". Sie selbst habe nach dem Eklat beschlossen, nicht mehr zurück, sondern nach vorn zu schauen. Immerhin sei sie damals, zehn Tage bevor sie ihre alte Wohnung räumen musste - Strom und Gas waren gekündigt, Hab und Gut in Schachteln verpackt -, als Alleinerzieherin ohne Unterkunft dagestanden: "Meine ganze Aufmerksamkeit und Kraft benötigte mein Sohn, nicht Hans-Peter Martin."

Dieser habe sich damals sogar geweigert, die Unkosten für die Speditionsfirma und die Wandfarbe - insgesamt 530 Euro - zu ersetzen. Einem Freund, der sich vermittelnd einschaltete, habe er beschieden: "Lieber spende ich das Geld einem Blindenverein."