Graf Ali und das Millionenrad

Mensdorff: Graf Ali und das Millionenrad

Affäre. Mensdorffs Rolle bei der Eurofighter-Entscheidung

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Was bisher geschah: Während in Österreich, Tschechien und Ungarn über die milliardenteure Anschaffung neuer Abfangjäger debattiert wird, bespricht Alfons Mensdorff-Pouilly mit Managern des Rüstungskonzerns BAE Systems Millionenzahlungen an ominöse "Drittparteien“ in diesen Ländern. Um Herkunft und Bestimmung der Gelder zu verschleiern, knüpfen der Graf und die BAE-Leute ein kompliziertes Firmengeflecht, das sich von der Karibik über Panama, die Schweiz und Liechtenstein nach Mitteleuropa verzweigt - und später auch darüber hinaus.

XII. Das Jahr des Schweins

Im Jahr, in dem Alfons Mensdorff-Pouilly das "Schwein“ trifft, um die Zahlung von "5 Prozent des industriellen Elements“ beim Verkauf von Gripen-Abfangjägern zu besprechen, vibriert das geheime Finanznetz von BAE Systems geradezu vor Aktivität - und das wird auch danach so bleiben.

Von London über die British Virgin Islands werden Millionen verteilt: nach Liechtenstein und in die Schweiz, nach Tansania und Südafrika, nach Saudi-Arabien und in das Emirat Katar - und nicht zuletzt in mehrere mittel- und osteuropäische Länder, in denen sich der Rüstungskonzern gerade um Aufträge bei der Modernisierung der Luftstreitkräfte bemüht.

"Österreich, Prefinor, weitere £ 20.000 Spesen beantragt betr. Gegengeschäft“, heißt es in einem internen Protokoll, das profil vorliegt. Prefinor International Inc.: Das ist eine Karibik-Briefkastenfirma, die auf Betreiben von BAE-Managern gegründet wurde und je zur Hälfte im Eigentum von Mensdorff und dessen Mentor Tim Landon steht.

"Tschechische Republik einmaliges Honorar von £ 50.000 und Slowakei die beantragten Spesen von £ 50.000 beibehalten.“

"Prefinor International, einmaliges Honorar von 50.000 £ für laufende Kampagnenkosten.“

So beiläufig, wie anderswo nicht einmal Büromaterialbestellungen genehmigt werden, segnen die Manager in der BAE-Zentrale die Auszahlung von fünf- und manchmal auch sechsstelligen Beträgen ab, die sich letztlich zu Millionen summieren.

Mensdorff erweist sich dabei offenbar als besonders vertrauenswürdiger Geldbote. Seine Dienste werden nach und nach auch über Europa hinaus in Anspruch genommen. Mithilfe von Valurex International SA, ebenfalls eine dem Grafen und Landon zurechenbare Karibik-Gesellschaft, bedient BAE etwa geheime Berater in Asien und Afrika.

2005 schleusen Landons Leute im Auftrag der Waffenschmiede fünf Millionen Dollar gegen 20 Prozent Provision an einen Südafrikaner namens Fana Hlongwane, der als Mittelsmann bei Rüstungsgeschäften fungiert. Ein BAE-Manager schlägt vor, die Zahlung "als zusätzliche Entschädigung für in Bulgarien und Rumänien erbrachte Leistungen (zu) kostümieren“ (Zitat aus der Zeugenaussage von Landons Vermögensberater Mark Cliff).

Ein anderes Mal will BAE über Valurex 2,2 Millionen Dollar an ein Unternehmen namens Young Brothers Aviation (YBA) in Hongkong weiterleiten, ebenfalls gegen 20 Prozent Provision. Um eine Geschäftsbeziehung zwischen Valurex und YBA zu rechtfertigen, behaupten Mensdorff & Co in einer Vereinbarung sogar, über "Kenntnisse der Region Groß-China“ zu verfügen.

Für Landons Leute bedeutet all das zunehmend Stress: "Es ist alles recht verwirrend geworden, und es war fast ein Albtraum, den Überblick nicht zu verlieren“, wird Cliff später in einer Vernehmung seufzen. Dabei weiß er vermutlich gar nicht, was Mensdorff sonst noch so über Prefinor und Valurex verteilt - Hunderttausende Euro von der OMV oder Motorola beispielsweise (profil 25/12).

XIII. Der Lohn des Beiseitetretens

Im Großen und Ganzen läuft alles prächtig, dennoch gibt es ärgerliche Momente im Leben der Geldjongleure. Einer davon bahnt sich Anfang 2002 an, als in Österreich die Entscheidung über den Ankauf neuer Abfangjäger in die Endphase geht. Nachdem der US-Anbieter Lockheed Martin mit der F-16 aus dem Rennen gefallen ist, bleiben noch der JAS 39 Gripen und der Eurofighter übrig. BAE hat beide Jets im Angebot - würde am Eurofighter aber deutlich mehr verdienen.

Also soll der Gripen verlieren. "BAE hat den Grafen gebeten, beiseitezutreten und im Prinzip den Eurofighter gewinnen zu lassen“, gibt Mark Cliff später vor der britischen Antikorruptionsbehörde SFO zu Protokoll. Das erbost sowohl Mensdorff als auch Landon. Immerhin fallen sie damit nicht nur um ihren potenziellen Anteil am Geschäft und an der Weiterleitung von Zahlungen an "Drittparteien“ um, sondern auch um bereits getätigte Anlaufkosten. Landon beschwert sich in einer profil vorliegenden Mail, dass sich BAE "uns gegenüber ziemlich hochmütig verhalten hat, was einfach nicht akzeptiert werden kann“.

Mensdorff will offenbar sogar einen konkreten Betrag in Rechnung stellen: "Investition zum Kippen der Eurofighter-Entscheidung $156.428“, hält das Protokoll eines Treffens mit Mark Cliff in Wien fest. Cliff ist davon eigenen Aussagen zufolge "extrem verwirrt und es kostete sowohl mich als auch den Brigadier sehr viel Mühe, daraus schlau zu werden“ - keiner weiß nämlich, ob es sich bei diesem Betrag um tatsächlich aufgelaufene Kosten handelt oder um "Drittparteienzahlungen“, also möglicherweise Schmiergelder.

In der Folge verfasst Mensdorff jedenfalls einen für Landon und BAE bestimmten Bericht, in dem von "aggressiven Bonuszahlungen an wichtige Entscheidungsträger“ im Zusammenhang mit der Eurofighter-Entscheidung die Rede ist.

Hatte Graf Ali also seine Hände doch auch beim Abschluss des größten Rüstungsgeschäfts der Zweiten Republik im Spiel? Cliff, der Mensdorff ansonsten schwer belastet, winkt ab: "Wir hatten mit Eurofighter nichts zu tun.“ Der Bericht habe bloß "Druck, eine gewisse Entschädigung für das Beiseitetreten zu erwirken“, erzeugen sollen.

Gegen eine Involvierung Mensdorffs spricht auch eine ganze Reihe von BAE-internen Debatten über das "potenzielle Risiko“ (Zitat aus einer Einvernahme), das von seiner Ehe mit der ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat ausging. Ganz ausgeschlossen dürfte ein Einsatz des Grafen in seiner Heimat aber nicht gewesen sein: "Die Erfolgszahlung für Österreich müsste sehr gut überlegt sein“, heißt es an anderer Stelle.

XIV. Aber nicht gleich einen Mercedes!

Bleibt das Rätsel, wer das "Schwein“ war - und all die anderen, die von Mensdorff und Landon ebenfalls mit BAE-Geldern versorgt wurden.

Politiker kommen ebenso infrage wie Beamte und Militärs. Nicht alle müssen zwangsläufig hoch oben in der Hierarchie angesiedelt gewesen sein. Bei Besprechungen zwischen Mensdorff und BAE-Managern wurde jedenfalls darüber philosophiert, dass die Empfänger der Gelder "wahrscheinlich nicht daran gewöhnt wären, solche Beträge zu erhalten“. Deswegen sei es notwendig, sie darüber aufzuklären, "dass sie nicht gleich einen Mercedes kaufen sollten, wenn sie bisher einen Trabant oder was auch immer hatten“. Namen wurden dabei aber nicht genannt. "Es schienen Leute in Ungarn und in Tschechien zu sein, aber ich kenne ihre Identität nicht“, so Cliff.

Mensdorff wiederum nannte zwar Namen - allerdings werfen diese mehr Fragen auf, als sie beantworten. Einem russischen Abgeordneten namens Alexander Tishchenko will der Graf beispielsweise im Auftrag seines Mentors Timothy Landon drei Millionen Dollar für Investments übergeben haben. Fahndern des österreichischen Bundeskriminalamts ist es laut einem profil vorliegenden Bericht allerdings nicht gelungen, Tishchenko ausfindig zu machen. Die einzige Spur führte zu einem wegen Betrugs- und Suchtgiftdelikten verurteilten russischen Geschäftsmann namens Igor S., der mit Holz, Baumaterialien und Sanitäranlagen handelt.

Weitere 6,4 Millionen Euro zahlte Mensdorff an den Eigentümer eines kleinen Wiener IT-Unternehmens aus. Dieser wiederum gibt an, das Geld an den Geschäftsführer einer Tochterfirma in Dubai weitergeleitet zu haben - ebenfalls in bar. Erhebungen von Interpol ergaben jedoch, dass es "diese Gesellschaft in Dubai nicht gibt“.

4,6 Millionen Euro gingen angeblich an einen Wiener Finanzfachmann, der keine Auskunft mehr geben kann: Er erlag 2007 im Alter von nur 43 Jahren einem Herzinfarkt.

Ein unauffindbarer Russe, ein nicht existierendes Unternehmen in Dubai und ein Verstorbener: Man könnte durchaus spekulieren, dass die 14 Millionen Euro, die Mensdorff an sie weitergeleitet haben will, ganz anders zur Verteilung gebracht wurden - nämlich so, wie es Landon einmal in einer Mail empfohlen hat: "Die einzige Lösung heutzutage sind Koffer - immer nur kleine Mengen!!!!!“

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Ein Geflecht aus Briefkastenfirmen, Stiftungen und Offshore-Gesellschaften; "geheime Berater“, die über dieses Netzwerk große Geldsummen verteilten; Millionenzahlungen, deren Herkunft und Bestimmung mit großem Aufwand verschleiert wurden: Das waren jahrelang die Begleitumstände, unter denen BAE Systems an milliardenschwere Rüstungsaufträge heranzukommen versuchte.

Der Fall Mensdorff ermöglicht zwar nur Einblick in einen einzigen Strang dieses Finanznetzwerks. Dennoch gilt das, was Mark Cliff später gegenüber dem SFO als Zeuge aussagte, wohl für die damaligen Methoden von BAE Systems in aller Welt. Und auch für jene anderer Rüstungskonzerne: "Rückblickend scheint es jedenfalls wirklich so, dass … den BAE-Vorständen bekannt war, dass der Graf an der Tätigung korrupter Zahlungen beteiligt war“, dass "andere als der Graf Geld bekamen“ und dass Manager des Rüstungskonzerns dies nicht nur hinnahmen, sondern "in Wahrheit sogar verlangten“.

Mit anderen Worten: dass BAE Systems im Gegensatz zu allen Beteuerungen Korruption und Bestechung bei Geschäftsabschlüssen zumindest duldete, wenn nicht gar förderte.

BAE Systems beantwortet sämtliche Bitten von profil um Stellungnahme mit drei immer gleichlautenden Sätzen: "Eine vollständige Ermittlung dieser Angelegenheiten wurde im Februar 2010 abgeschlossen. Die österreichischen Behörden haben uns nicht aufgefordert, an irgendwelchen Untersuchungen in Zusammenhang mit diesem Fall mitzuwirken. Wir haben also keinen Grund anzunehmen, dass die erhobenen Vorwürfe BAE Systems betreffen.“

Alfons Mensdorff-Pouilly steht ab 12. Dezember vor Gericht. Er hat immer seine Unschuld beteuert, wollte sich auf Anfragen von profil zu den neu aufgetauchten Ermittlungsdokumenten aber nicht äußern.

Timothy Landon starb 2007 an Lungenkrebs und hat seine Geheimnisse mit ins Grab genommen. Als Mitarbeiter nach dem Tod des "Weißen Sultans“ sein Büro betraten, fanden sie dort kein einziges Blatt Papier.

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profil-Serie, Teil 1: Graf Ali und die Waffenmilliarden

profil-Serie, Teil 2: Karibik-Briefkästen und verschleierte Zahlungen