Der böse Graf

Wer ist Alfons Mensdorff-Pouilly wirklich?

Porträt. Wer ist Alfons Mensdorff-Pouilly wirklich?

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Vergangenen Donnerstag haben sie ihn wieder einmal in die Mangel genommen, und anders als früher hat Alfons Mensdorff-Pouilly danach nicht mehr in die Kameras gelächelt. Sein Anwalt stellte im „Mittagsjournal“ fest, die Ermittlungen könnten „noch einige Zeit andauern“.
Das klingt nicht gut.

Acht Stunden lang wollten Korruptionsermittler Näheres zu den mehr als fünf Millionen Euro wissen, die Telekom und Motorola Mensdorff 2004 just zu jener Zeit überwiesen hatten, als die beiden Unternehmen den fetten Blaulichtfunk-Auftrag des Innenministeriums an Land zogen. Die ministeriellen Entscheidungsträger aus dem Hause Ernst Strassers hatte der Landadelige damals mit Jagdausflügen samt opulentem Dinner im Schloss verwöhnt. Der Minister selbst hatte die Pirsch ausgelassen, war aber zum Abendessen erschienen.Unschön, das alles.

Unschön vor allem für einen Herrn wie Alfons Mensdorff-Pouilly, 58, Spross aus altem Haus, dessen Ahnen Königen und Kaisern gedient hatten. Ein blauer Löwe auf silbernem Grund ist das Stammwappen des Geschlechts. Als den aus Lothringen stammenden Mensdorff-Pouillys 1818 auch der österreichische Grafentitel verliehen wurde, kam noch eine „Helmzier“ dazu: Ein selbstloser Pelikan füttert seine Jungen mit eigenem Blut.

Um Ähnliches geht es im Leben des Alfons Eduard Alexander Antonius Maria Andreas Hubertus Christoph Graf von Mensdorff-Pouilly: Immer wieder gibt es Anhaltspunkte für den Verdacht, der Landadelige helfe Rüstungs- oder Elektronikunternehmen bei der Überzeugungsarbeit in Regierungskreisen aller Herren Länder, indem ein wenig zugefüttert wird.

Ebenso oft dementiert Mensdorff: Er sei bloß ein Berater, seine Leistungen seien nachvollziehbar, seine Einkünfte versteuert, und die Rüstungsfirmen machten bloß einen Teil seiner Kundschaft aus. Wird er nach der Sonntagsmesse in seiner Heimatgemeinde Luising gefragt – sie reden ihn dort mit „du, Herr Graf“ an –, sagt er das Gleiche. Keiner in Luising, der schlecht denkt über den Adeligen, der die Wäsche des Pfarrers im Schloss waschen lässt und für die Vereine spendet.

Alfons Mensdorff-Pouilly ist aber auch eine respekteinflößende Erscheinung: 1,95 Meter groß und von machtverheißender Leibesfülle; trägt er seine karierte Schirmmütze auf den dunkelblonden Wellen am Hinterhaupt – oben lichtet sich die Mähne –, sieht er aus wie ein landadeliger Klippenbewohner bei Rosamunde Pilcher. Für die „Irisch Moos“-Werbung wäre Alfons Mensdorff-Pouilly die Idealbesetzung.

Der Wind der Zeit hat ihn in diese entlegene Ecke Österreichs geweht. Der einigermaßen verarmte Alexander Mensdorff-Pouilly, sein Vater, hatte 1952 die ungarische Adelige Ilona Erdödy geheiratet, die im Südburgenland, das bis 1921 ja Westungarn gewesen war, über beträchtlichen Besitz verfügte. Die Erdödy waren ein altes Magnatengeschlecht, das, anders als der Großteil des ungarischen Adels, stets treu zu Habsburg und zum Katholizismus gestanden war.

Mit den drei Kindern Alfons, Antonius und Elisabeth logierte man in einem alten Zollhaus und lebte vom Ererbten und den Erträgen der 200 Hektar Wald und Ackerland. Schmalhans sei Küchenchef gewesen, erzählte Alfons Mensdorff-Pouilly einmal: Nicht einmal Butter hätten sie gehabt, sondern bloß Margarine.

1980 übernahm Alfons, nun 27, das Gut und betrieb nebenher eine 2500 Hektar große, zugepachtete Jagd. Der Ertrag dürfte sich in Grenzen gehalten haben, sonst hätte der Gutsherr Mensdorff-Pouilly wohl nicht den Brotjob eines Einkäufers für den Massenhendlhof Fehringer angenommen. Fehringer musste 1992 zusperren, und auch zwei andere Projekte kamen nicht recht vom Fleck. Schon seit Jahren hatte Mensdorff nach einer besseren Vermarktungsmöglichkeit für das auf seiner Jagd geschossene Wildpret gesucht. 1988 gründete er die Burgenländische Wildspezialitäten Erzeugungs GmbH und begann gemeinsam mit Inzersdorfer Wildpastete und Wildschweinsuppe in Dosen abzufüllen. Die Erwartungen erfüllten sich nicht, die Konserven waren Ladenhüter. Die 10.000 abgefüllten Büchsen mussten auf Weihnachtsmärkten abgestoßen werden. Auch eine von Mensdorff geplante Straußenzucht kam nicht über das Planungsstadium hinaus.

Die wirtschaftlichen Flops dieser Jahre hinderten den Landadeligen aber nicht daran, einen gediegenen Lebensstil zu pflegen. Ende der achtziger Jahre begann er auf dem Grundstück des alten Zollhauses in Luising ein Schloss zu bauen, „ein Fertigteilschloss“, wie spitze Zungen ätzen. Das Gebäude, imposant in seiner Größe, ist eine Frühform von „Fontana“, der putzigen Suburbia-Fantasie Frank Stronachs in Oberwaltersdorf. Bei der Finanzierung halfen mehrere Banken mit großzügigen Krediten, wie die im Grundbuch eingetragenen Pfandrechte zeigten.

Aber jetzt war er ein Landadeliger mit Schloss, einer wie die Esterházys, die Batthyánys und die Draskovichs. Mit ihnen sitzt Alfons Mensdorff-Pouilly im Vorstand des Verbands land- und forstwirtschaftlicher Gutsbetriebe. Denn der Adel gilt im Burgenland heute immer noch mehr als im Rest von Österreich – Folge einer skurrilen Episode in Österreichs jüngerer Geschichte. Als Westungarn 1921 nach einer Volksabstimmung an Österreich fiel und man dem Landstrich den Namen Burgenland gab, wollte die junge Republik den ansässigen Adel proösterreichisch stimmen: Man verzichtete dar­auf, das Adelsaufhebungsgesetz in die Liste jener Verfassungsgesetze zu schreiben, die nun auch im Burgenland Geltung hatten. Ein Graf blieb ein Graf. Erst 2008 wurde die Gesetzeslücke beseitigt – in den Köpfen wird das noch lange nicht ankommen.

Gleichzeitig mit dem Bau seines Schlosses ­hatte Alfons Mensdorff-Pouilly eine neue Einkommensquelle gefunden. Er hatte 1988 nicht nur seine Wildfleischfirma, sondern auch eine Beratungsfirma gegründet, die MPA-Handels GmbH. Und die schien sich prächtig zu entwickeln.

Erst später sollte man erfahren, wie der südburgenländische Agrarier so rasch zu zahlungskräftiger Klientel kam: 1977 hatte ein englischer Abenteurer namens James Landon die burgenländische Adelige Katalina Esterházy geehelicht, eine Cousine Mensdorffs. Landon hatte als Geheimagent 1970 dem bis heute regierenden Sultan Quabus im Oman zur Macht verholfen. Quabus entschädigte ihn reichlich. „Der weiße Sultan“, nannte man Landon in Arabien. Das große Geld machte er aber mit Waffen. Sein wichtigster Partner war der Rüstungskonzern British Aerospace. Bei Besuchen im Burgenland lernte Landon Alfons Mensdorff-Pouilly kennen. 1992 vermittelte er ihn den Briten.

Jetzt hatte der inzwischen Vierzigjährige ­Boden unter den Füßen: Er hatte ein Gut, ein Schloss und ein spannendes Geschäft. Dann kam das denkwürdige Jahr 1993. Im März wurde Mensdorffs Sohn Ferdinand geboren, Spross einer Beziehung mit einer Immobilienmaklerin, die praktisch schon beendet war.

Wenige Wochen später, im Juni, sagte sich hoher Besuch aus Wien an: Umweltministerin Maria Rauch-Kallat besuchte Feuchtbiotope im südlichen Burgenland, danach gab’s Speckjause im Gut Luising. Die Ministerin, 44 und geschieden, fand offenbar Gefallen am humorvollen Phäaken und dessen Lebensstil. Im Dezember 1993 gab es eine Art Verlobung. Sonntags besuchte man nun gemeinsam die Messe in Luising. Die Luisinger begannen die Wiener Wirtstochter „Gräfin“ zu nennen.

In jenem Dezember kam es im Parlament in Wien zu einer denkwürdigen Begebenheit: ÖVP-Wehrsprecher Hermann Kraft zog während einer Nationalratssitzung SPÖ-Wehrsprecher Peter Marizzi in eine diskrete Ecke der Couloirs, um ihm ein Angebot zu machen: Beim Kauf eines Regierungsflugzeugs und mehrerer Hubschrauber über British Aerospace könnten zwei Prozent der Kaufsumme für die beiden Parteien herausspringen.

Wie das denn ginge, fragte Marizzi.
Kraft: Wir haben den Grafen.
Marizzi: Welchen Grafen?
Kraft: Den Mensdorff.
Marizzi: Das ist der Repräsentant von der englischen Firma?
Kraft: Konsulent, oder so was.
Kraft wusste nicht, dass Marizzi ein Tonband eingesteckt hatte, das einige Monate später den Weg zum damaligen „News“-Chefredakteur Alfred Worm finden sollte.

Inzwischen hatten Alfons Mensdorff-Pouilly und Maria Rauch-Kallat geheiratet, die Affäre hatte somit eine starke politische Komponente bekommen. Ein Jahr später kam sie vor Gericht. Der als ÖVP-Wehrsprecher zurückgetretene Hermann Kraft wurde im August 1995 wegen des Versuchs einer verbotenen Intervention zu drei Monaten bedingt verurteilt, Mensdorff wurde freigesprochen. Begründung des Richters: Verbotene Intervention sei selbst ein Anstiftungsdelikt, daher könne dazu nicht wieder angestiftet werden.

Mensdorff war ungeschoren davongekommen – aber erstmals war sein Name in sehr merkwürdigem Zusammenhang erwähnt worden. Zurück blieb der gebrochene Kraft, der früher so schöne Tage auf der Mensdorff-Jagd verbracht hatte.

Der Graf klopfte sich wie später noch öfter den Gerichtssaal-Staub vom Loden und kehrte in sein gediegenes Leben zurück. In den folgenden Jahren wurde er an der Seite seiner Frau zum fixen Bestandteil der Wiener Gesellschaft: Die Bälle, die Charity Events, die Empfänge – der leutselige Landadelige wurde allenthalben als Bereicherung empfunden. Als Kanzlergattin Christine Vranitzky einmal alle Lebenspartner der Regierungsmitglieder zum Essen lud, war Alfons Mensdorff der einzige, freilich blendend aufgelegte Mann in der Runde.

Schräge Sachen traut man ihm nicht zu. „Ohne die beiden in ihrer Dimension vergleichen zu wollen: Mensdorff war eine Art Udo Proksch der ÖVP“, meint ein Beobachter aus der schwarzen Reichshälfte, „dem hat auch nie jemand etwas Böses zugetraut, weil er so originell war.“

So wie der waffennärrische Urbanmacho Proksch mit Erika Pluhar hatte auch der jagdgeile Landmacho Mensdorff mit Maria Rauch-Kallat eine kluge, feministisch inspirierte Frau an seiner Seite, die über die dunklen Ecken im Leben ihres Mannes hinwegsah. Rauch-Kallat nahm es sogar hin, dass sie ihr „Ali“ in aller Öffentlichkeit als „meine Alte“ bezeichnete. Darauf angesprochen, rechtfertigte er sich damit, dass er ja schließlich „ein Bauer“ sei, Bauern würden so reden. Und er fügte hinzu: Außerdem sei die Maria ja wirklich vier Jahre älter als er.

Jetzt hatte er drei Standbeine:
Bei der Society in Wien machte er die Kontakte, bei seinen Jagdeinladungen pflegte er sie und nützte sie wenn möglich in seinem Beratungs-Business. Und Alfons Mensdorff-Pouilly versteht es durchaus zu beeindrucken: Seine Jagden sind vom Feinsten. Sie beginnen freitagabends mit Drinks und einem Dinner im Schloss (Smokingpflicht). Am Samstag bricht man nach gepflegtem Frühstück nicht allzu früh zur Jagd auf, das Mittagessen wird zünftig im Wald verzehrt. Um 16 Uhr ist man wieder im Schloss und nimmt den Tee. Bei Einbruch der Dunkelheit wird die Strecke gelegt. Nach dem Dinner schließt der Abend bei Cognac und Zigarren.

So ähnlich hatte sich auch das Jagdwochenende für die Leute aus Ernst Strassers Innenministerium gestaltet, damals 2002, als die Behördenfunk-Entscheidung anstand, für das sich die Staatsanwälte vergangene Woche bei der achtstündigen Einvernahme interessierten. Auch das Telekom-Management war oft in den Wäldern um Luising auf der Pirsch.

Vizekanzler Hubert Gorbach blieb gleich zehn Tage lang im Schloss, machte seinen Jagdschein und schwärmte: „Das ist eine Idylle! Wenn ich morgens aufwache, gehen Störche vor meinem Fenster spazieren.“

Ausgewählte Gäste ließ Mensdorff-Pouilly nach Schottland fliegen, in das von ihm erworbene Dalnaglar Castle. Ganz in der Nähe, in Balmoral Castle, logiert im Sommer die Queen. Hier waren 2005 etwa Alcatel-Chef und ÖVP-Bundesrat Harald Himmer und Telekom-Vorstand Rudolf Fischer zugange (beide Firmen hatten ein Stück vom Behördenfunk-Auftrag bekommen). Der unvermeidliche Walter Meischberger war ebenfalls mit von der Partie im schottischen Hochland. Offiziell traf man sich zu einem Medienseminar.

Alfons Mensdorff-Pouilly war in all diesen Jahren ein viel beschäftigter Mann, wie sich erst jetzt weist. Nachdem die schwarz-blaue Bundesregierung 2003 überraschend den teuren Eurofightern den Vorzug bei der Wahl des Abfangjäger-Modells gegeben hatte, traf bei der an der Herstellerfirma EADS beteiligten British Aerospace eine Art „Leistungsnachweis“ ihres „Beraters“ Mensdorff-Pouilly ein: Durch „aggressive Zahlungen von Erfolgsprämien an wichtige Entscheidungsträger“ sei dieser Beschluss der Regierung zustande gekommen, hieß es da.

SPÖ-Klubobmann Josef Cap deutete im Wahlkampf 2006, ohne dieses erst 2008 bei einer Hausdurchsuchung gefundene Schreiben zu kennen, an, Mensdorff habe beim Abfangjäger-Geschäft eine düstere Rolle gespielt. Die ÖVP tobte. Wolfgang Schüssel machte eine Entschuldigung Caps bei Mensdorff-Pouilly zur Vorbedingung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Cap entschuldigte sich. Im folgenden Unter­suchungsausschuss blieb Mensdorff auch unter Eid dabei: keine Verbindung zu den Eurofightern.

Verdacht der falschen Zeugenaussage war dann auch der Grund für die Untersuchungshaft im Februar 2009. Fast zeitgleich mit Mensdorff saß Julius Meinl V. im Zellentrakt des Wiener Landesgerichts und zeigte sich außerstande, sein Bett zu machen.

Da war der Landgraf schon ein handfesterer Kerl: Er wurde sofort zum Stockschreiber, nahm die Einkaufswünsche seiner Mithäftlinge entgegen und heiterte den depressiven Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner beim Schachspiel auf. Er habe da drinnen hervorragend geschlafen, dröhnte er nach seiner Entlassung in launigen Interviews.

Sechs Wochen später marschierte Graf Ali wieder an der Seite seiner Gattin im Ehrendefilee bei der „Fête Impériale“ in der Wiener Hofreitschule ein.
Aber schon im Jänner 2010 wurde er abermals festgenommen, diesmal in London. Es geht um 15 Millionen Euro, die Mensdorff im Duett mit seinem Förderer Landon, dem „weißen Sultan“, im Auftrag von British Aerospace in Tschechien und Ungarn bei Entscheidungsträgern „platziert“ haben soll. Als er eine Woche später entlassen wurde, war Graf Ali nicht mehr so frohgemut wie nach der Haft in Wien: Alle Medikamente habe man ihm abgenommen, der Einwegrasierer sei gebraucht gewesen, und die Unterwäsche habe nicht gepasst, klagte er.

Auch die Art der Entlassung Mensdorffs aus der Londoner U-Haft lässt jede Eleganz vermissen. British Aerospace akzeptierte praktisch über Nacht eine Strafzahlung in Höhe von 321 Millionen Euro, damit waren etwaige „Unregelmäßigkeiten“ bei Rüstungsgeschäften in Saudi-Arabien, Tansania, Südafrika, Tschechien und Ungarn „abgegolten“. Der U-Häftling Mensdorff-Pouilly war bedeutungslos geworden. Dass sein Anwalt und er danach mit Verweis auf die britische Vorgangsweise auch die Einstellung aller Verfahren in Österreich forderten, war eher ein Akt der Verzweiflung. Das Oberlandesgericht verwarf den Antrag, ohne zu zögern.

Noch einmal, fast wie zum Abschied, winkte ihm im heurigen Frühjahr Fortuna: Die Londoner Behörden überwiesen Mensdorff 400.000 Euro Haftentschädigung – eine weitere Skurrilität des britischen Strafrechts.
Jetzt also auch noch die Telekom-Affäre. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, aber die Einschläge kommen näher, die Fragen der Staatsanwälte werden dringlicher.

Wie sich die heurige Jagdsaison gestalten wird, ist unter diesen Umständen ungewiss. Und recht viel mehr lässt sich auch über das Leben des Alfons Mensdorff-Pouilly derzeit nicht sagen.