Merkels Murks mit dem Sparpaket

Budget. Angela Merkels 80-Milliarden-Sparpaket, umgelegt auf Österreich

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Sparpakete werden von den sie beschließenden Regierungen meist mit Tarnnamen versehen: „Agenda 2014“ heißt jenes, das die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr Koalitionspartner Guido Wester­-
welle (FDP) vergangene Woche präsentiert ­haben.

Rund 80 Milliarden Euro will die deutsche Mitte-rechts-Koalition bis 2014 einsparen oder in Form von Steuern und Abgaben neu einheben. Dann soll Deutschland wieder das Maastricht-Kriterium für die Neuverschuldung – maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts – erfüllen. Bis 2016 soll die Neuverschuldung dann überhaupt nur noch 0,35 Prozent des BIP ausmachen, das entspräche etwa neun Milliarden Euro. Nur zum Vergleich: Heuer erreicht die Neuverschuldung in Deutschland den Rekordwert von 80 Milliarden.

In Österreich (acht Millionen Einwohner) will die Regierung bis 2014 sieben Milliarden einsparen oder durch neue oder ­höhere Steuern einheben. Das Volumen ­entspricht im Verhältnis damit etwa dem Sparpaket in Deutschland (82 Millionen Einwohner).

Allerdings: Die CDU/CSU-FDP-Regierung lässt zu einem guten Teil die Ärmsten draufzahlen – die Langzeitarbeitslosen und die Bezieher kleinster Einkommen. Die geplante Bankenabgabe ist weit milder, als sie etwa in Österreich angedacht wird. In einer großen Koalition wäre ein solcher Sparplan wohl kaum möglich. Was die in Deutschland nun beschlossenen Maßnahmen in ­Österreich bedeuten würden, zeigt die folgende fiktive „Übersetzung“ des Merkel-Westerwelle-Pakets.

Arbeitsmarkt & Arbeitslose

Deutschland gibt derzeit 48 Milliarden Euro pro Jahr für die Arbeitsmarktpolitik aus. Fast zehn Prozent davon, 4,3 Milliarden, will die Regierung einsparen. Das trifft vor allem die „Hartz IV“-Empfänger, also die Langzeitarbeitslosen. Für sie zahlte die Regierung bisher 41 Euro im Monat an die Pensionsversicherung. Diese Zahlung wird jetzt eingestellt. Allein diese Maßnahme bringt fast zwei Milliarden Euro an Ersparnis. Folge: Die Renten der Arbeitslosen werden einst noch mickriger ausfallen.

Österreich stellt, gemessen an der Einwohnerzahl, mit 5,6 Milliarden Euro pro Jahr mehr Geld für Arbeitsmarktpolitik bereit als Deutschland. Fast eine Milliarde davon entfällt auf den Pensionsaufwand für Arbeitslose und Notstandshilfebezieher. Damit gibt Österreich pro Kopf fünfmal so viel für die Altersversorgung der Menschen ohne Job aus wie unsere deutschen Nachbarn. Würde dieser Zuschuss gekappt, hätte dies drastische Folgen.

Heizkostenzuschüsse

Bezieher kleiner Einkommen erhalten in Deutschland einen Heizkostenzuschuss, der am Beispiel einer Familie mit einem Kind 37 Euro im Monat ausmacht. Diese Hilfe für bedürftige Familien wird jetzt ersatzlos gestrichen, obwohl sie erst im Vorjahr eingeführt wurde. Begründung: Die Energiepreise hätten sich in letzter Zeit ohnehin „entspannt. Die Rückführung auf das früher geltende Recht ist daher angemessen.“

In Österreich werden die Heizkostenzuschüsse von den Ländern ausbezahlt, sind daher unterschiedlich hoch und liegen im Durchschnitt bei 200 Euro pro Heizperiode. Manche Gemeinden zahlen noch zusätzliche Heizbeihilfen aus, wie etwa St. Pölten (130 Euro). Ein Anrecht auf einen solchen Zuschuss hat, wer weniger als 733 Euro pro Monat verdient (1099 Euro bei Ehepaaren). Eine Abschaffung des Heizkostenzuschusses in Österreich würde also nur die Länderbudgets entlasten, aber nicht jenes des Bundes.

Kindergeld
In Deutschland heißt es Elterngeld. Es wird 14 Monate lang nach der Geburt des Kindes ausbezahlt und beträgt 67 Prozent des letzten Einkommens, maximal 1800 Euro, mindestens aber 300 Euro. Die Mindestsumme bekamen auch Arbeitslose. Ihnen will die schwarz-gelbe Regierung das Elterngeld nun ersatzlos streichen. Um den Schein sozialer Symmetrie zu wahren, wird die Ersatzrate für etwas besser Verdienende von 67 auf 65 Prozent gesenkt. Da das ­Elterngeld mit den erwähnten 1800 Euro gedeckelt ist, ändert sich für Gutverdiener überhaupt nichts.

In Österreich beträgt die Ersatzrate 80 Prozent (maximal 2000, mindestens aber 1000 Euro). Daneben gibt es vier Pauschalvarianten, nach denen – je nach Bezugsdauer – zwischen 436 und 1000 Euro monatlich bezahlt werden. Auch bei Arbeitslosigkeit besteht ein Anrecht auf dieses Kinderbetreuungsgeld. Da das Arbeitslosengeld aber mit der Verpflichtung gekoppelt ist, einen zumutbaren Job anzunehmen, muss sich der Bezieher in diesem Fall dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen und das Kind anderweitig betreuen lassen.

Landesverteidigung
Der Verteidigungsetat ist in Deutschland mit 31,2 Milliarden Euro der dritthöchste Budgetposten. Bis 2014 soll das Verteidigungsbudget um zwei Milliarden gekappt werden. 40.000 der derzeit 195.000 Berufs- und Zeitsoldaten sollen ab­gebaut, kleine Kasernen geschlossen werden. Auch über ein Aussetzen der sechsmonatigen Wehrpflicht wird nachgedacht. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) scheint nicht abgeneigt, die FDP ist dafür.

Auch in Österreich geht es dem Heeresbudget an den Kragen. Bis 2014 sollen die Ausgaben für das Bundesheer (derzeit 2,1 Milliarden Euro) um 540 Millionen Euro verringert werden. Anders gerechnet: Österreich wird dann anteilsmäßig viermal so viel eingespart haben wie Deutschland. Die Zahl der 15.500 Berufs- und Zeitsoldaten wird sich deutlich verringern müssen, damit dieses Budgetziel erreicht werden kann.

Beamte
Angela Merkel will die Ausgaben für die öffentliche Verwaltung jedes Jahr um 4,4 Milliarden verringern. Bis 2014 soll es um 10.000 Beamte weniger geben. Derzeit gibt es in Deutschland 470.000 Bundesbeamte. Lehrer und Polizisten, die in Österreich Bundesbedienstete sind, werden in Deutschland von den Ländern bezahlt. Außerdem wird den deutschen Beamten künftig das so genannte „Weihnachtsgeld“ ge­strichen, eine Zulage, die nicht mit unserem 14. Monatsgehalt zu vergleichen ist. Dadurch werden sich die Beamtenbezüge um 2,5 Prozent verringern.

In Österreich gibt es 132.000 Bundesbedienstete, die Hälfte davon sind Lehrer und Polizisten. Bei der Verwaltung wurde hierzulande schon in den vergangenen Jahren kräftig gespart. So gibt es heute um 10.000 Bundesbedienstete weniger als noch im Jahr 2000. Bis 2014 sollen weitere 2900 Dienstposten abgebaut werden – anteilsmäßig also ­deutlich mehr als in Deutschland. Würden auch hier die Beamten-Jahresgehälter um 2,5 Prozent gekürzt, würde dies bei einem mittleren Beamtengehalt von jährlich 45.000 Euro ein Minus von 1125 Euro im Jahr bedeuten.

Banken
Anders als die Langzeitarbeitslosen werden die Banken von der deutschen Bundes­regierung mit Glacéhandschuhen angefasst. Wohl ist auch in Deutschland eine Bankenabgabe eingeplant, aber der Ertrag daraus ist mit zwei Milliarden pro Jahr vergleichsweise bescheiden budgetiert. Sonst bleiben die Pläne der deutschen Regierung eher vage. Die Finanzmarktbranche solle sich „angemessen an den Kosten der Kri­-
se beteiligen“, heißt es im Merkel-Papier. Wie das konkret geschehen soll, wird nicht ausgeführt.

In Österreich wollen die Regierungsparteien 500 Millionen Euro aus einer Bankenabgabe lukrieren, gemessen an der Größe des Landes und der Kraft der Banken also mehr als dreimal so viel wie in Deutschland. Außerdem spricht sich in Österreich anders als in Deutschland die Regierung klar für eine Finanztransaktionssteuer aus. Die SPÖ würde sogar einen nationalen Alleingang riskieren.

Bahnverkehr
Angela Merkel will der Deutschen Bahn bis 2014 alljährlich 500 Millionen an Dividende abluchsen. Bisher durfte die Bahn ihre Gewinne behalten. Dass die Deutsche Bahn Gewinne einfährt, ist allerdings auch darauf zurückzuführen, dass sie von der Politik vor einigen Jahren entschuldet wurde.

Von Gewinnen der Bahn kann die österreichische Infrastrukturministerin nur träumen. Die ÖBB sind ein Zuschussbetrieb. Zwei Milliarden betragen heuer die Aufwendungen des Bundes für die Bahn. Der Großteil davon (1,3 Milliarden) fließt in die ­Instandhaltung und den Ausbau der Bahninfrastruktur. Dass die Eisen­bahner im Durchschnitt immer noch mit 52 Jahren in Pension gehen, wird bei der Spardebatte im kommenden Herbst aber sicher zum Thema werden.

Luftverkehr
Eine „ökologische Luftverkehrsabgabe“, die künftig jeder Passagier bezahlen muss, der in Deutschland ein Flugzeug besteigt, soll eine Milliarde im Jahr bringen. Je höher der Energieverbrauch einer Maschine ist, desto höher soll auch die Abgabe ausfallen. So sollen die Airlines zu umweltgerechtem Verhalten gebracht werden, heißt es im Begleittext der deutschen Bundes­regierung.

In Österreich steht eine solche Abgabe bisher noch nicht zur Debatte. Der Verkehrsclub ­Österreich VCÖ hat vor zwei Jahren errechnet, dass durch den Flugverkehr in Österreich 2,2 Millionen Tonnen CO2 produziert werden, ­wodurch Klimakosten von 490 ­Mil­lionen Euro entstehen.

Kernkraftwerke
Die deutsche Bundesregierung bittet die großen Stromkonzerne zur Kasse. Sie sollen künftig eine Brennelementesteuer bezahlen, die jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen wird. Begründet wird dies mit den hohen Kosten für das Schaffen von Endlagerstätten für den Atommüll, die von der öffentlichen Hand getragen werden müssen.

Auf diesem Gebiet ist in Österreich nichts zu holen. Der nie in ­Betrieb gegangene Atommeiler von Zwentendorf gehört heute dem niederösterreichischen Energieversorger EVN und wirft kurioserweise dennoch ein wenig Geld ab: Deutsche Kernenergieproduzenten lassen in Zwentendorf, in dem anders als in laufenden Atomkraftwerken alle Bereiche gefahrlos begehbar sind, ihre Mitarbeiter schulen.