Miles and more

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Wo Karl-Heinz Grasser ist, kann auch das Epizentrum des Geschehens nicht weit sein. In Österreich, KHGs Homebase, sowieso. Aber auch tausende von Kilometern entfernt – im Urlaubsparadies Malediven etwa, wo sich der Finanzminister mit seiner Verlobten zwischen 19. Dezember und 3. Jänner eine erholsame Auszeit gönnen wollte. Die Ferienfreuden dauerten nur bis zum Stefanitag, als eine der größten Naturkatastrophen aller Zeiten die Region heimsuchte.

Was dies für den weithin respektierten Weltpolitiker Grasser und seinen Terminkalender bedeutete, ist mittlerweile Gegenstand ebenso skurriler wie heftiger Kontroversen. Den Resturlaub verwendete der Finanzminister vor allem darauf, seine Aktivitäten füglich ins rechte Licht zu rücken. Die österreichische Öffentlichkeit hatte schließlich ein Recht darauf, informiert zu werden. Seit der Rückkehr des Urlaubspaares am Montag vergangener Woche haben Grasser und sein Büro alle Hände voll damit zu tun, die Chronik der Ereignisse auf den Malediven laufend zu spezifizieren (und zu korrigieren). Im Ö1-„Mittagsjournal“ erklärte der Minister, die maledivische Regierung selbst habe ihn dringend gebeten, nicht vorzeitig abzureisen. Verständlich: Wenn ein Mann dieses Kalibers „in Panik die Region verlässt“, droht unabsehbarer wirtschaftlicher Schaden.

Auf profil-Anfrage präzisierte Kabinettschef Matthias Winkler, Grasser habe insgesamt „drei Meetings vor Ort mit Vertretern der örtlichen Wirtschaft, des Tourismus und der maledivischen Notenbank, des Außenministeriums und dem stellvertretenden Finanzminister“ absolviert. Eine berückende Vorstellung: Die Hälfte der politischen und ökonomischen Elite einer Region im akuten Notstand nutzt die Gunst der Stunde, um mit dem zufällig anwesenden österreichischen Finanzminister auf Augenhöhe zu konferieren. Wenn diese Version zutrifft, dann ist KHG tatsächlich mindestens halb so wichtig, wie er gern betont – oder aber die Entscheidungsträger auf den Malediven setzen eigenwillige Prioritäten.

Grassers eigene Prioritäten scheinen vorrangig flugbuchungstechnischer Natur gewesen zu sein. In dieser profil-Ausgabe wird detailliert aufgezeigt, dass der Minister erstens, was die Hintergründe seines Rückflugs von den Malediven betrifft, äußerst inkohärent argumentiert und zweitens für sich und seine Verlobte einen besonders pikanten Bonus in Anspruch genommen hat: Für die Flugtickets wurde der Economy-Tarif bezahlt, das Paar kam jedoch – angeblich aufgrund von Grassers Linien-Treue als Privatkunde – in den Genuss eines Upgradings in die Business Class, laut einer auf dem Ticket explizit vermerkten Anweisung des AUA-Generaldirektors. Ersparnis bei zwei Reisenden: 1300 Euro.

Auch ohne Kenntnis dieses delikaten Details schossen sich Oppositionspolitiker vergangene Woche auf den Finanzminister ein. Der SPÖ-Abgeordnete Walter Posch kündigte eine parlamentarische Anfrage an Grasser an, in der ein entscheidender Satz nicht fehlen soll: „Wann werden Sie zurücktreten?“ Selbst von Amts wegen Grasser-nahe Politiker gaben sich bei der Verteidigung eher schmallippig. Nationalratspräsident Andreas Khol etwa fand die Erregung lediglich „kleinkariert“.

Dass Karl-Heinz Grasser im Lichte seiner „Urlaubsaffäre“ von sich aus den Rücktritt anbieten wird, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil es ein Bewusstsein dafür voraussetzen würde, was in – aber auch neben – dem politischen Geschäft schicklich ist und was nicht. Grasser hat wiederholt bewiesen, dass er die Grenzen zwischen dem prinzipiell Möglichen und dem moralisch Vertretbaren durchaus fließend definiert. Man könnte ihm nun den Zynismus dessen unterstellen, der mit jungen Jahren schon ins Zentrum der Macht vorgerückt ist. Doch damit würde man Grasser wohl sogar Unrecht tun, denn um ein echter Zyniker zu sein, müsste er zumindest die Ambivalenz seiner Handlungen reflektieren. Dafür allerdings fehlt jedes Indiz: Grasser ist allem Anschein nach zutiefst davon überzeugt, gegen keine allgemein anerkannten Prinzipien zu verstoßen, auch nicht gegen jene des politischen Anstands.

Doch die Zukunft Grassers hängt nicht nur von seinen persönlichen Entscheidungen ab. Kein Minister der beiden Schüssel-Kabinette stand so oft und so dauerhaft im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik. Er hat bislang alle Fährnisse und Attacken überstanden – der Bundeskanzler hielt seinem Nationalratswahltrumpf 2002 eisern die Treue. Damit könnte nun, vor dem Hintergrund der jüngsten Grasser-Extravaganzen, endgültig Schluss sein. Die Einsilbigkeit, mit der Schüssel-Vertraute wie Andreas Khol oder ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka das Malediven-Intermezzo des Finanzministers schönreden, dürfte KHG nicht unbedingt gelassen stimmen.

Vielleicht wird er bald schon Gelegenheit haben, als echte Privatperson viele kostbare Bonusmeilen zu sammeln.