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Mit dem Latein am Anfang

Mit dem Latein am Anfang

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Im Namen aller Eltern, Lehrkräfte und Kinder, im Namen der Geborenen wie der Ungeborenen, im Namen aller, die guten Willens sind oder es noch werden wollen, fordere ich hiermit ebenso ernsthaft wie eindringlich: Haltet die Schulen sauber!
Verbannt den pathologischen Kleinmut der Unterrichtenden, die ständig etwas beurteilen wollen. Wehret dem Neid der Unterrichteten: Es sollte nicht mehr vorkommen, dass verheulte Kinder heimkommen, weil es in manch atavistischen Zeugnissen auch noch vereinzelt Zweier gibt. Und das just zu einem Zeitpunkt, da, wie alle Abc-Schützen sofort begreifen, demokratische Haltungsnoten gefragt sind und eine revanchistische Schulpolitik der bürgerlichen Bildungsmafia den noch verwirrten Jugendlichen mit „mega-affen-titten-geilen“ Methoden eine geradezu obszöne Sexualkunde aufgedrängt hat.

Wie ich verschiedenen Organen entnehmen konnte, nimmt sich auch diese Regierung kein Feigenblatt mehr vor den Mund, wenn es um die Aufklärung über die letzten scheuen Geheimnisse der Menschheit geht: Adäquat aufreizend erfahren hier Halbwüchsige, dass sich auch Bienen verabreden können. Wenn wir gen Italien blicken, erkennen wir, wie mannhaft der große Staatslenker Silvio Berlusconi den verbildenden Sexualkundeunterricht an allen italienischen Schulen verteufelt hat. Haben denn die roten Koffer voll geschlechtlichem Zeugs noch nicht genügt? Sollen unsere hilflosen Adoleszenten die Fabel „Der Hase und der Schweinigel“ lernen müssen? Sollen sie launigen Vorträgen wie „Frau Wirtin hatt auch einen Wolf“ lauschen müssen?

Hier gilt es, den Keuschheitsgürtel enger zu schnallen. Sätze, die mit „Schw-“ oder „Vö-“ beginnen, haben in den Augen unserer schamroten Schülerinnen nichts zu suchen; kategorische Imperative, deren Substanzielles sich
auf den Stoffwechsel bezieht, sind kein Wortschatz für sittliche Schüler. Und, so verlangen es die Konservativen, dieses ganze amoralische Amalgam soll auch noch nach Strich und Faden benotet werden! Es soll schriftlich Auskunft erteilt werden, ob die Unschuldigen vom Tuten und Blasen genügend Ahnung haben. Noch zwar wird das Fach „Leibeserziehung“ im Turnsaal unterrichtet – aber ad multos annos?

Schon die jungen Römer hörten: „Non scholae, sed vitae discimus!“, was so viel heißt wie: Die Schule kann man
schwänzen, aber das Leben nicht.

In den beiden letzten Sätzen sind nicht zufällig lateinische Vokabeln verwendet worden. Denn Alfred Gusenbauer, der Garibaldi der SPÖ, weiß, was er der zweiten Silbe seines Vornamens schuldig ist: Schließlich ist der große Fred Sinowatz einst der Ahnherr kluger sozialdemokratischer Pädagogik gewesen. Und darum hat der Gusissimo gefordert, schon in der Volksschule solle eine Fremdsprache gelehrt werden, aber: „Das muss nicht Englisch sein.“
Ecce homo! Treffsicher hat er erkannt, dass mittels einer klassischen Sšprache des Abendlands dessen Untergang verhindert werden kann. Ein vieltausendfaches Ja aus sehnsüchtigen Kinderkehlen ist ihm gewiss. Denn welcher Siebenjährige träumt nicht davon, kühnes Jägerlatein zu beherrschen? Welche Siebenjährige beneidet nicht in den Ferien ihre Mutti um deren latin lovers?

Jetzt müssen wir Erwachsenen ein Stoßgebet (adoratio coitalis) zum Himmel senden, damit unsere Werte auf diesem Weg erhalten bleiben. Wir müssen hinter jede Lateinstunde einen Gedankenstrich (prostitutio mentalis) setzen. Wir müssen inbrünstig hoffen, dass aus dem Anfang der Lernjahre mehr übrig bleibt als eine vom Bürgertum verbreitete Dolchstoßlegende (fama coitus stiletti).

Mag infolge der flagrant fächerübergreifenden Sexualkunde in ländlichen Gebieten der Schulbus auch zum Triebwagen (carrus sexualis) werden, so werden die Kleinen doch zur richtigen Hausnummer (coitus domesticus) gebracht.
Hoffentlich werden die Schuldirektoren die Kinderwünsche erfüllen, andernfalls müsste der Gemeindevorsteher (prostata communalis) den Lateinunterricht gewährleisten und sich dem Fortschritt verweigernden Lehrern ein Aktenzeichen (signum coitale) zukommen lassen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass reaktionäre Kräfte sich in ein Schneckenhaus (casa vaginalis) zurückziehen und trotzig stumm bleiben wie ein Stockfisch (piscis penilis). Wir dürfen nicht mitansehen, dass diese bahnbrechende Schulreform in eine Sackgasse (via scrotalis) mündet. Damit wir sicher sein können, dass die Spießbürger (civis penilis) sich nicht heimlich durchsetzen, empfiehlt es sich, alle paar Wochen eine plötzliche Stichprobe (experimentum subitum coitale) zu machen. Wenn unser Bemühen fehlschlägt, werden wir über den katastrophalen schulischen Misserfolg unserer Kinder nicht einmal mehr einem entfernten Verwandten (abortus criminalis) reinen Wein einschenken – weil doch in vino veritas ist.

Gepriesen sei Gusenbauers gewaltiger Durchblick, der die Torheit der Regierenden, unseren Nachwuchs mit dreistem Existenzialismus („Erigio, ergo sum“) pervertieren zu wollen, dorthin führt, wo er hingehört: ad absurdum.