Schönrechnerei bei den Eurofightern

Mitgehangen, abgefangen

Ex-Verteidigungsminister Platter als spätes Opfer

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Wenn Günther Platter „Black Hawk“ oder „Helikopter“ sagt, hört es sich an, als ob er Walnüsse knackt. Die Herkunft des ÖVP-Politikers ist un­überhörbar. Platter stammt aus Zams bei Landeck im Tiroler Oberland. Das Wort „Eurofighter“ kommt ihm etwas weicher über die Lippen – und öfter. In den vergangenen Jahren musste Platter beinahe wöchentlich zum umstrittenen Abfang­jägerkauf Stellung nehmen. Schließlich diente er von Februar 2003 bis vor drei Wochen als Verteidigungsminister der Republik Österreich. Seit dem 11. Jänner ist der frühere Gendarm Innenminister. Doch anstatt wegen neuer Konzepte zu Asylpolitik, innerer Sicherheit oder der Polizeireform nimmt die Öffentlichkeit Platter immer noch als Verteidigungsminister wahr.

Platter wird von seiner militärischen Vergangenheit eingeholt. Da wird von Schießübungen auf Fotos – von Flugzeugen oder möglicherweise sogar von Finanzminister Grasser – berichtet, von angeblich privaten Flügen in Militärjets, vor allem aber von angeblich undurchsichtiger Preisgestaltung in Zusammenhang mit dem Eurofighter-Ankauf.
Die Notiz eines Ministerialbeamten, die im laufenden Untersuchungsausschuss zutage gefördert wurde, scheint zu belegen, was von schwarz-orangen Regierungsvertretern in der Vergangenheit stets geleugnet wurde: dass bei der Kalkulation, der Berechnung und vor allem der öffentlichen Darstellung der Kosten des größten Rüstungsprojekts der Zweiten Republik nach allen Regeln der politischen Kunst getrickst, getarnt und getäuscht worden sein dürfte. Statt der versprochenen „absoluten Transparenz“ (Wolfgang Schüssel) jonglierte die Regierung mit Zahlen, um den Milliardendeal für den Steuerzahler billiger erscheinen zu lassen.

Keine Verbilligung. Mehr noch: Befohlene Geheimhaltung, verschwundene oder erst gar nicht existente Akten, wie profil bekannte Aufzeichnungen nun zeigen, werfen ein schiefes Licht auf die Vorgänge hinter den Ministeriumsmauern.
Günther Platter wird nun zum späten Opfer dieser Schönrechnerei. In einer Aktennotiz vom April 2003 hielt Herbert Hillingrathner, bis zu seiner Pensionierung im Finanzressort verantwortlicher Ministerialrat für die Eurofighter-Beschaffung, fest: „HBMLV (Herr Bundesminister für Landesverteidigung, Anm. d. Red.) hat beauftragt, die EADS-Nettobestellsumme nominell unter zwei Milliarden Euro zu drücken und den Restbedarf unter Titel Betriebsaufwand zu verbuchen. Eine Verbilligung ergibt sich dadurch nicht.“ Die Notiz entstand bei einem Gespräch im Verteidigungsministerium. Am 20. März 2003 einigten sich der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser und der erst drei Wochen im Amt befindliche Verteidigungsminister Platter auf eine „interministerielle Arbeitsgruppe BMLV (GenLt Spinka) – BMF (MR Dr. Hillingrathner) zur Kostenerfassung und Ermittlung von Einsparungspotenzialen“. Zweck der Übung: die Vorbereitung der Vertragsgestaltung zwischen der Republik Österreich und EADS, damals schon Eurofighter GmbH.

Was dort genau besprochen sowie gerechnet wurde und worauf sich die beiden Experten im Auftrag ihrer Chefs schließlich geeinigt haben, ist vorläufig nicht nachvollziehbar. Auf dem den Akten vorgelegten Deckblatt, das die Vorgänge in und zwischen den ­Ministerien chronologisch auflistet, steht just in der entsprechenden Spalte nur: „Keine aktenmäßige Aufzeichnung im BMF; höchs­te Geheimhaltung!“.
Keine aktenmäßige Aufzeichnung über die Vorbesprechung zur Vertragsgestaltung des größten Deals der Zweiten Republik im Finanzministerium? In jenem Ministerium, das die Flieger bezahlen muss?EEr habe „niemandem eine Weisung gegeben, den Preis zu drücken“, insistierte Platter vergangene Woche. Und außerdem sei es unmöglich, Anschaffungskosten unter Betriebskosten zu verstecken.

Kostenverlagerung. Das Unmögliche ist offenbar doch möglich. Bereits ein Jahr vor Hillingrathners Aktennotiz, also im Juni 2002, waren im Heeresressort ähnliche Gedanken gewälzt worden, wie dem Untersuchungsausschuss vorliegende Aufzeichnungen belegen – nur damals eben mit der Bestrebung, den schwedischen Gripen besser aussehen zu lassen.
Das Finanzministerium bevorzugte ­damals den Eurofighter, die Militärs, unter Minister Herbert Scheibner, präferierten den schwedischen Gripen. Im Vorfeld der entscheidenden Ministerratssitzungen, in denen die Typenfestlegung auf die Draken-Nachfolge fallen soll, gibt es am 20. Juni 2002 um 9.30 Uhr Vormittag eine Sitzung im Finanzressort. Was Grasser dort erzählt, notiert der damalige Budgetsektionschef Gerhard Steger mit: „Strategie BMLV (Verteidigungsressort; Anm. d. Red.): BMLV will angeblich Kosten von Kaufpreis in Betriebskosten verlagern, damit optisch Gripen im Vorteil, weil Betriebskosten nicht im Blick sind.“
Den gleichen Trick scheinen später die Eurofighter-Befürworter für ihre Zwecke angewandt zu haben.
Die gesamten Beschaffungskosten der Eurofighter hielten Schüssel, Grasser und Platter den Österreichern offenbar für nicht zumutbar. Die Kosten für den Betrieb der ab Juni zu liefernden Jets flossen erst gar nicht in die Typenentscheidung zwischen Eurofighter und Saab-Gripen ein. Offizielle Begründung: Aufgrund fehlender Erfahrungen sowie komplexer und unterschiedlicher Berechnungen sei eine verlässliche Bestimmung der Kosten für die kommenden dreißig Jahre nicht möglich.
Doch so blank allen Wissens waren die Militärs beileibe nicht. Der ehemalige Truppeninspektor Horst Pleiner sagte vor dem Ausschuss aus, er sei bereits im Sommer 2001 beauftragt worden, aufgrund der Erfahrungen der britischen, deutschen und italienischen Luftwaffe Schätzungen über die Betriebskosten auszuarbeiten. Was er auch tat – schriftlich. Aber wo im Ministerium diese laut Pleiner „streng vertraulichen“ Unterlagen nach seinem Übertritt in den Ruhestand abgeblieben sind, muss erst geklärt werden. Auffindbar waren sie bislang nicht.

Fakt ist: Die Betriebskosten des Gripen liegen auf alle Fälle deutlich unter jenen des Eurofighters – schon allein aufgrund der technischen Gegebenheiten: Der Eurofighter verfügt über zwei Triebwerke, der Gripen bloß über eines.
Nicht zuletzt auch die hohen Anschaffungs- und Betriebskosten ließen im Juni 2002 im Heeresressort das Pendel zuguns­ten des Gripen ausschlagen. Der profil vorliegenden Einsichtsbemerkung von Divisionär Wolfgang Spinka, die nach der abschließenden Sitzung der Bewertungskommission im Juni 2002 formuliert worden war, schlossen sich höchste Generäle an.
Doch kurz vor der entscheidenden Sitzung des Ministerrats am 2. Juli 2002 überraschten der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel und dessen Finanzminister Grasser den damaligen Verteidigungsminister Herbert Scheibner mit der Ankündigung, dem Bundesheer die höheren Betriebskos­ten bis zu 32 Millionen Euro ab 2007 jährlich aus dem Budget abzugelten. In der Regierung war damit im Sommer 2002 die Entscheidung pro Eurofighter gefallen.

Hauptverantwortlich für die darauf folgenden Täuschungsmanöver bei der Eurofighter-Preisgestaltung war nicht HBMLV, sondern waren HBK und HBMF: Herr Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Herr Bundesminister für Finanzen Karl-Heinz Grasser. Der damalige Regierungs­chef höchstpersönlich hatte intern mehrfach gedrängt, die Anschaffungskosten für 18 Eurofighter-Jets aus kosmetischen Gründen auf unter zwei Milliarden Euro zu drücken. VP-Fraktionsführerin Maria Fekter zitiert aus einem Akt des Verteidigungsministeriums, aus dem hervorgeht, dass vom Finanzressort Druck ausgeübt wurde, die Kosten durch eine Reduktion logistischer Leistungen so niedrig wie möglich zu halten. Fekter: „Das ist auch legitim.“

Die vertragliche Punktlandung auf 1,959 Milliarden Euro für 18 Eurofighter glückte. Der Preis dafür war freilich hoch: Das Bundesheer musste in den letzten Verhandlungsrunden mit der Eurofighter GmbH auf Ausrüstungskomponenten im Ausmaß von rund 80 Millionen Euro verzichten. So sind etwa passive Infrarot-Ortungsgeräte sowie spezifische Selbstschutzsysteme nur für sechs Maschinen vorhanden. Aufgrund kaufmännischer Verhandlungsergebnisse konnte das BMLV weitere Preisnachlässe in der Höhe von 129 Millionen Euro erzielen. Der ungüns­tige Nebeneffekt: Um die Reduktionen zu erreichen, akzeptierte das Verteidigungsministerium gegenüber der Eurofighter GmbH vertragliche Schlechterstellungen bei den Garantieansprüchen.
Doch neben tatsächlichen Preisreduktionen wurden überaus kreative Kostenzuordnungen vorgenommen. Aufwendungen für die Adaptierung von Flugplätzen, notwendige Infrastruktur, aber auch Munition und Ersatzteile wurden nicht dem Verkaufspreis, sondern den so genannten Sys­temkosten zugerechnet. Der Gesamtbetrag dieser Kostenposition: 233 Millionen Euro, die von Schüssel & Co in der Vergangenheit gern unter den Tisch fallen gelassen wurden.

Vertrauliches Schreiben. Im Herbst vergangenen Jahres berichtete profil schließlich über weitere, bis dahin unbekannte Kostenquellen. In einem vertraulichen Schreiben vom 13. Juli 2006 informierte das deutsche Verteidigungsministerium den Haushaltsausschuss des Bundestags über Verhandlungen mit den österreichischen Kollegen über „umfangreiche kos­tenpflichtige Unterstützungsleistungen, die bei Abnahme und Zulassung der österreichischen Luftfahrzeuge zur Ausbildung von technischem und fliegerischem Personal sowie zur logistischen Unterstützung entgeltlich erbracht werden sollen“. Nach Schätzungen kostet allein die notwendige Ausbildung der Piloten rund 45 Millionen Euro.
Konkrete Angaben hatte sich der parlamentarische ­U-Ausschuss vergangenen Mittwoch vom EADS-Berater Erhard Steininger erhofft. Doch der hatte sich mit dem Hinweis, EADS habe ihn nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden und könne daher Regressansprüche stellen, sollte er Interna preisgeben, der Aussage entschlagen.

Die Mandatare entschlossen sich daher zu einem drastischen Schritt: Einstimmig wurde Ausschussvorsitzender Peter Pilz beauftragt, eine Anzeige gegen EADS zu erstatten – wegen Verdachts auf Nötigung. Gegen Steininger selbst wurden Beugestrafen bei Gericht beantragt.
Auch Günther Platter ging vergangene Woche in die Gegenoffensive. Alle Kosten der Eurofighter-Beschaffung, so der Innenminister, seien vom Rechnungshof geprüft und die Zahlen dem Parlament zur Verfügung gestellt worden.

Doch waren es auch die richtigen? „Wie man letztlich auf unter zwei Milliarden Euro gekommen ist, muss uns Platter im Ausschuss schon noch genau erklären“, verlangt der SPÖ-Fraktionsführer im Eurofighter-Untersuchungsausschuss Günther Kräuter. Platter selbst wirkte vergangene Woche etwas angeschlagen. Bis jetzt war sein Ministerdasein ohne gröbere Unfälle verlaufen – plötzlich mausert er sich zum ÖVP-Problemkind. Vizekanzler Wilhelm Molterer soll Dienstag vergangener Woche zornig zum Handy gegriffen und von seinen Mandataren eine härtere Gangart bei der Verteidigung Platters eingefordert haben. Die VP-interne Sprachregelung folgte prompt: Da Grasser nicht mehr im Amt sei, suche sich die Opposition nun eben einen anderen beliebten Minister zum Anpatzen.

Von Gernot Bauer und Ulla Schmid