Klein gedruckt und groß kassiert

Mobilfunk: Klein gedruckt – groß kassiert

Über Roaming-Gebühren, und Knebelverträge

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3Der Vorfall war selbst dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, sonst für Nüchternheit und Ausgewogenheit bekannt, eine reißerische Story wert. Unter dem Titel „Tarif-Abzocke – 3500 Euro für einen Tag UMTS-Surfen“ berichtete die Online-Ausgabe des Magazins Ende September vergangenen Jahres über eine „der finstersten Fronten der Mobilfunk-Branche“. Ein „Spiegel“-Reporter war im Juli davor drei Wochen in Frankreich, um über die Tour de France zu berichten, und hatte dafür einen Laptop samt so genannter Datenkarte mitgenommen. „Ein bisschen Surfen und Archivrecherche“, mehr sei es nicht gewesen, sollte er hinterher berichten. Und doch hatten die kleinen Online-Ausflüge allein an einem Tag Gebühren von 3500 Euro verursacht und insgesamt in Summe 9000 Euro gekostet. Ganz so hoch sind die monatlichen Rechnungen von Paul Rübig nicht. Auf durchschnittlich 500 Euro kommt der EU-Parlamentarier mit österreichischem Pass und Handy aber allemal: „Ich bin meist in Brüssel oder Straßburg und muss auch andere Mitgliedsländer bereisen. Das summiert sich ganz schön“, sagt Rübig. Geht es nach ihm, soll sich das sehr bald ändern. Rübig ist so genannter Chefverhandler für das Europäische Parlament. Themengebiet: Roaming – genau jene Gebühren also, die Mobilfunkbetreiber dann verrechnen, wenn sich ausländische Handykunden in ihren Netzen verfangen. Vergangene Woche erst sorgte Rübig mit einem ersten Entwurf zu einer neuen EU-Verordnung für kräftigen Wirbel in der Branche. Demnach sollen die Roaming-Tarife von derzeit mehreren Euro pro Minute mit maximal 50 Cent für aktive Gespräche und 25 Cent für passive (wenn man Anrufe entgegennimmt) limitiert werden. Rübig: „Ich bin zuversichtlich, dass die entsprechende Verordnung schon im Juni in Kraft treten könnte.“ Soll heißen: Ab Juli könnten alle Netzbetreiber der EU – und somit auch die österreichischen Unternehmen Mobilkom, T-Mobile/tele.ring, One und Hutchison (Drei) – gezwungen sein, die Gebühren für ausländische Kunden drastisch zu kürzen. Das wird wehtun. Sind doch die Roaming-Gebühren derzeit eine wahre Goldgrube. Zum Ärgernis der Kunden. „Wir erhalten immer wieder Anrufe von Leuten, die sich über eine ihrer Meinung nach ungerechtfertigt hohe Telefonrechnung beschweren“, sagt Georg Serentschy, Chef der Rundfunk- und Telekomregulierungsbehörde (RTR). Im Zuge von Überprüfungen würde sich dann oft herausstellen, dass diese Mehrkosten auf Telefonate im Urlaub zurückzuführen sind. Nach Expertenmeinung erwirtschaften die Netzbetreiber damit zwischen einem Viertel und der Hälfte ihrer gesamten Gewinne. Peter Kolba, Chefjurist beim Verein für Konsumenteninformation (VKI), sieht in den Roaming-Gebühren aber längst nicht die einzige Masche, mit der die Unternehmen ihre Klientel kräftig zur Kasse bitten: „Geworben wird fast ausschließlich mit Minutentarifen oder ,Null Cent‘-Paketen. Alle Einschränkungen und Nebenwirkungen finden sich erst im Kleingedruckten oder den letzten Tiefen der Internetseiten.“
Der harte Wettbewerb auf dem heimischen Markt hat den österreichischen Handynutzern Tarife beschert, die zu den niedrigsten in ganz Europa zählen. Auf den ersten Blick wenigstens. Da locken brandneue Handymodelle zum Okkasionspreis, Gratisgespräche im eigenen Netz, eine fixe Anzahl von Freiminuten oder vor allem die von One gestarteten und mittlerweile bei allen erhältlichen „All inclusive“-Pakete. Vor allem die „Null Cent“-Offensive hat im Vorjahr dazu geführt, dass der Preis für eine durchschnittliche Gesprächsminute um weitere zehn Prozent auf nunmehr rund 17 Cent gesunken ist.
Das ist freilich nur die halbe Wahrheit. Die Netzbetreiber sind nämlich nicht nur den Kunden, sondern auch ihren Eigentümern verpflichtet. Und die wollen Renditen sehen. Was auf der einen Seite werbewirksam verschenkt wird, holen sich die Unternehmen an anderer Stelle wieder zurück. Mitunter sogar mehr.

Taktung: eine der tückischsten Formen der Geldbeschaffung. Wer meint, er zahle nur für jene Zeit, die er tatsächlich telefoniert, irrt. In aller Regel schlagen die Betreiber einen Takt von 60 zu 30 an. Die erste Minute wird voll verrechnet, dann jede angebrochene halbe Minute. Wer also zehn Sekunden telefoniert, zahlt trotzdem 60 Sekunden. Die Differenz, im Beispielsfall 50 Sekunden, streift der Anbieter als so genannten Schlupfgewinn ein. Dieser kann vor allem bei kurzen Telefonaten bis zu 1000 Prozent ausmachen (siehe Grafik).
Die Arbeiterkammer Vorarlberg hat wegen dieser Verrechnungspraxis Ende vergangenen Jahres eine Klage gegen den Marktführer Mobilkom Austria eingebracht. „Das Verfahren läuft, ein Verhandlungstermin steht allerdings noch nicht fest“, sagt Konsumentenschützer Paul Rusching. Haben die AK-Vertreter im Mobilkom-Prozess Erfolg, sollen auch die Mitbewerber drankommen. Die betroffenen Manager weisen freilich alle Kritik von sich. „Die Kunden in anderen europäischen Ländern wären froh, wenn sie einen Cent im Minutentakt zahlen dürften“, entgegnet Georg Pölzl, soeben zum Mutterkonzern Deutsche Telekom berufener T-Mobile-Austria-Chef. Und One-Chef Jørgen Bang-Jensen versucht auch einen sachlichen Grund vorzubringen: „Zu Beginn jedes Telefonats wird das Netz am stärksten belastet. Das kann man mit der Taktung abfedern, oder man verrechnet dafür eine eigene Gesprächsaufbaugebühr von ein paar Cent extra, wie das in Dänemark oder Holland gemacht wird.“
„Null Cent“-Tarifpakete, wie sie mittlerweile von allen Netzbetreibern angeboten werden, bergen ebenfalls einige Fallen: Erst beim Studium des Kleingedruckten entdeckt man, dass beispielsweise die Angebote von Mobilkom und T-Mobile gar nicht so „unlimited“ sind, wie der Name verspricht. In beiden Fällen gelten Obergrenzen (1000 Gesprächsminuten im Monat bei T-Mobile, 1100 bei Mobilkom). Wer mehr telefoniert, muss mehr als die beworbene Monatspauschale zahlen. Es ist auch nicht so vieles gratis, wie man auf den ersten Blick meinen möchte. Zwar werben alle Anbieter mit kostenlosen Gesprächen ins Festnetz. Ausgerechnet die neuen 050-Vorwahlen – eine Art österreichweiter Ortstarif, wie ihn Behörden und große Unternehmen verwenden – werden voll verrechnet. Pikantes Detail am Rande: Alle österreichischen Netzbetreiber melden, dass die durchschnittlichen Pro-Kopf-Umsätze über die vergangenen Monate konstant geblieben sind. Demnach können sich jene, die in eines dieser neuen Gebührenmodelle gewechselt haben, also unterm Strich nicht viel erspart haben.
Bindefristen gehören in der Branche seit vielen Jahren zum Geschäft. In einem hart umkämpften Markt wie dem österreichischen versuchen Anbieter natürlich alles, um Kunden möglichst lange zu halten. Im Gegenzug locken gestützte Preise für neue Handys. Ein teures Businesstelefon für reguläre 700 Euro ist da mitunter schon um wenig mehr als 200 Euro zu haben. In den vergangenen Jahren wurde im Gegenzug aber auch die Mindestlaufzeit für die Verträge fast durchgehend auf 24 Monate verdoppelt. „Unseren Kunden ist es lieber, sie binden sich länger und zahlen dafür weniger für das neue Gerät“, rechtfertigt sich Berthold Thoma, Geschäftsführer von Hutchison Austria (Drei). Thoma bietet deshalb heute nur noch Zweijahresverträge an, auch T-Mobile-Manager Pölzl nennt diese Laufzeit „gängigen Standard“. Was manche Kunden dabei fürs Erste außer Acht lassen: Sie werden in diesen folgenden zwei Jahren auch gut und gerne 500 Euro an Grundgebühr zahlen, sich ihr Handy also letztlich selber finanzieren. Und wer vorher aussteigt, muss die Grundgebühr bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit nachzahlen.

Punkte fürs Handy. Die weit verbreitete Variante der Gutschrift von Treuepunkten, mit denen dann unter anderem neue Handys erworben werden können, soll ebenfalls dazu beitragen, Kunden möglichst lange bei der Stange zu halten – und sie im Falle eines doch erfolgenden Wechsels pönalisieren. Musste man früher für ein neues Gerät die nötigen Punkte schon beisammen haben, kann man heute gewissermaßen auf Kredit kaufen. Es entsteht ein Minus auf dem „Konto“, das erst im Laufe vieler Monate abgebaut werden kann. T-Mobile erwägt ob der steigenden Unzufriedenheit auf Kundenseite deshalb jetzt, diesen Überziehungsrahmen abzuschaffen.
Mehrwertnummern sind zwar keine Erfindung der Mobilfunkunternehmen selbst, ein veritabler Zuverdienst sind sie dennoch. Die bei Anrufen, etwa zu 0930-Nummern, anfallenden Gebühren werden nämlich zwischen Anbieter und Netzbetreiber nach fixen Schlüsseln aufgeteilt. Derartige Dienste – das Prinzip wird auch für SMS-Nachrichten und -Abos angewandt – wieder loszuwerden ist gar nicht so einfach, auch wenn die Betreiber grundsätzlich die Möglichkeit bieten, sich für Mehrwertdienste sperren zu lassen (siehe Kasten).

Druck von außen hilft. Üblicherweise tut der Markt das Seine, um Spreu vom Weizen zu trennen, um dem besseren Angebot gegenüber dem schlechteren zum Durchbruch zu verhelfen. Was diese letzten Spielwiesen für Zusatzgeschäfte angeht, braucht es aber offenbar doch Druck von außen. So war es früher etwa gang und gäbe, dass das Guthaben auf Wertkarten bereits nach einem Jahr verfiel. Nach einer Klage des VKI gilt nun die Vorschrift, dass Guthaben mindestens drei Jahre erhalten bleiben müssen.
Seit die Europäische Union im Vorjahr in die Offensive gegangen ist, kommt auch in das leidige Roaming-Thema Bewegung. T-Mobile hat mittlerweile einen Tarif im Angebot, bei dem man in über 100 Ländern für einen Fixpreis von 45 Cent pro Minute telefonieren kann. Hutchison wiederum hat vergangene Woche die Roaming-Gebühren überhaupt abgeschafft. Innerhalb der zum Hutchison-Konzern gehörenden Netze, versteht sich. Und von denen gibt es noch nicht allzu viele. Der wichtige deutsche Markt, wo 31 Prozent der Roaming-Gebühren österreichischer Handykunden anfallen, ist für den Konzern jedenfalls noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Mobilkom-Chef Boris Nemsic betrachtet den Brüsseler Vorstoß jedenfalls mit Argwohn: „Wir können uns die billigen Inlandstarife nur leisten, weil es auch Roaming-Gebühren gibt.“ Deren Kürzung könnte die Betreiber zu Preiserhöhungen in anderen Bereichen zwingen. „Sollen sie ruhig erhöhen“, lästert Thoma, „uns kann es nur recht sein.“
Der Vorstoß der EU geht in die richtige Richtung, wenn auch nicht weit genug. Vor allem beim Daten-Roaming, jenen Gebühren, die beim Internetsurfen mit dem Laptop oder für das Abrufen von E-Mails via Handy im Ausland bezahlt werden müssen, sind die Tarife schlicht und ergreifend unverschämt hoch. Hier wird nämlich doppelt kassiert – neben der Online-Zeit auch noch für die Menge der geladenen Daten. „Daten-Roaming ist generell prohibitiv teuer. Da muss sich etwas tun“, bekennt sogar T-Mobile-Manager Pölzl.
So sieht es auch One-Chef Bang-Jensen, der diese Woche eine Offensive starten will: „Ich werde einen Brief an die GSM Association (Dachverband der Mobilfunkbetreiber; Anm. d. Red.) schicken und die Mitbewerber darin auffordern, dass wir uns gemeinsam für eine Senkung der Datentarife starkmachen.“
Ob der kleine österreichische Netzbetreiber die Big Player aus der Reserve locken kann, ist freilich fraglich.

Von Martin Himmelbauer