Mobilfunk: Null-Num- mern ruinieren Markt

Mobilfunk: Null-Nummern

Gefährliche Spiel von Ös- terreichs Netzbetreibern

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Gute Vermarkter der eigenen Ware sind die Herrschaften zweifellos – schlechte Verlierer, wenn es um die Präsentation der anderen geht, mitunter auch. Kaum hatte Marktführer Mobilkom im Sommer begonnen, für seine Diskontmarke „Bob“ die Werbetrommel zu rühren, setzte es eine Klage der Konkurrenz: Die Werbung sei eine „Irreführung der Kunden“, argumentierte T-Mobile und ging vor Gericht. Prompt musste die Mobilkom den Tarif adaptieren und Zusatzinformationen in Plakate, Inserate und TV-Spots packen.

Während T-Mobile klagte, zog es Mitbewerber One vor, seinen unter der Marke „Yesss!“ beworbenen Diskonttarif kurzerhand auf 6,90 Cent zu senken und damit die sieben Cent pro Minute von „Bob“ knapp zu unterbieten.

Wer kneift, verliert. Schließlich ist Österreich einer der am heißesten umkämpften Märkte in ganz Europa. Nach der Übernahme von tele.ring durch T-Mobile im März 2006 gibt es hierzulande immerhin noch fünf Anbieter: Mobilkom (A1), T-Mobile/tele.ring, One, Hutchison (Drei) sowie die Tele2/UTA-Gruppe, die sich allerdings im One-Netz eingemietet hat. Auf dem zehnmal größeren deutschen Markt sind es auch nicht mehr.

Fünf Player auf einem mit 8,1 Millionen Einwohnern kleinen Feld liefern einander naturgemäß einen heftigen Preiskampf. „Ich kenne keinen Markt, wo die Unternehmen so aggressiv miteinander verfahren“, sagt Søren Grabowski, Telekommunikationsexperte beim Beratungsunternehmen A. T. Kearney.

Seit Jahren schon zählt Österreich zu den Ländern mit den billigsten Handytarifen weltweit. Mit der von One vor vier Monaten gestarteten und mittlerweile von Mobilkom und T-Mobile abgekupferten Idee der Gratistelefonie in mehrere Netze (siehe Kasten) hat der Wettbewerb eine neue Dimension erreicht. Mittlerweile stellt sich sogar die Frage, wie die Anbieter damit langfristig noch Geld verdienen wollen – wenn die Klientel für einen erklecklichen Teil der Telefonate nichts mehr bezahlt. Telekom-Austria- und Mobilkom-Chef Boris Nemsic gibt deshalb für 2006 eine eher nüchterne Prognose ab: „In Summe wird die Mobilfunkbranche in Österreich heuer keine schwarzen Zahlen schreiben.“

Dass es so weit gekommen ist, haben sich die Anbieter selbst zuzuschreiben. Über viele Jahre hinweg haben sie ihre Kunden mit Gratishandys und immer billigeren Tarifen verwöhnt. Der Markt nähert sich einem maximalen Sättigungsgrad. Die Betreiber haben nach eigener Darstellung knapp über neun Millionen SIM-Karten in Umlauf.

Ständig neue Tarifpakete sind unabdingbar, um die Kunden bei der Stange zu halten. Und weil es im Lande praktisch kaum noch jemanden ohne Mobiltelefon gibt, können Neuzugänge nur von der Konkurrenz abgeworben werden – mit noch günstigeren Angeboten, versteht sich.

Bislang ist die Kalkulation für die heimischen Anbieter noch einigermaßen aufgegangen. Zwar kostet eine Gesprächsminute im Durchschnitt mittlerweile nur noch 19 Cent (siehe Grafik), dafür telefonieren die Österreicher aber auch vergleichsweise viel: 2005 wurden insgesamt 13 Milliarden Minuten mobilen Telefonkontakts verbucht. Macht jährlich 1600 Minuten pro SIM-Karte und Kunde.

Trendwende. Das wachsende Verkehrsaufkommen im Netz führte in der Vergangenheit dazu, dass unterm Strich trotz sinkender Gebühren die Umsätze stiegen. Anfang 2005 gab ein Mobilfunkkunde monatlich 45 Euro aus. 2001 waren es im Schnitt noch 27 Euro gewesen.

Einer Analyse der Investmentbank Merrill Lynch zufolge hat sich diese Entwicklung mittlerweile aber umgekehrt. Im zweiten Quartal 2006 machte die Durchschnittsrechnung nur noch rund 33 Euro monatlich aus. Und im Lichte der Null-Cent-Offensive dürfte sich diese Entwicklung in den kommenden Monaten rapide fortsetzen. Wer um 19 Euro monatlich in bis zu vier Netze (meist das eigene Mobilnetz, das Festnetz, ein Mobilnetz nach Wahl und eine meist hauseigene Zweitmarke) ohne zeitliches Limit telefonieren kann, an dem wird darüber hinaus nicht viel zu verdienen sein. Wie die Erfahrung zeigt, beschränkt sich das Gesprächsaufkommen der meisten Kunden auf zwei, maximal drei Netze. Manche besitzen zudem ein Zweithandy und telefonieren mit dem jeweils billigeren. Würden nun alle österreichischen Kunden auf derartige Tarifmodelle umsteigen und diese gezielt nutzen, würde dies den gesamten Branchenumsatz von 3,6 Milliarden annähernd halbieren – von den Erträgen ganz zu schweigen.

Dass es so weit kommt, will naturgemäß keiner der Marktteilnehmer glauben. One-Chef und „Null-Cent“-Aktionist Jørgen Bang-Jensen zieht eine Zwischenbilanz: „Einige Kunden sind defizitär, aber im Schnitt haben wir einen ganz guten Deckungsbeitrag.“

Mehr Gespräche im eigenen Netz verursachen dem jeweiligen Anbieter nur unwesentliche Zusatzkosten. Bei Gesprächen in andere Netze wird es hingegen teuer. Ruft beispielsweise ein One-Kunde einen A1-Teilnehmer an, muss One nach den Bestimmungen der Regulierungsbehörde RTR so genannte Interconnection Fees an die Mobilkom zahlen. Diese liegen generell zwischen acht und 16 Cent die Minute. Was wiederum heißt: Jeder One-Kunde, der A1 um null Cent anruft, beschert seinem Netzbetreiber einen Verlust – Minute für Minute. Das gilt wohlgemerkt auch in jeder anderen Konstellation.

Stagnation. Bis zu einem gewissen Grad sollte sich das zwar die Waage halten. Wenn alle Anbieter solche Tarife offerieren, zahlen und kassieren sie ja gleichermaßen. Doch vom reinen Gegenverrechnen kann kein Unternehmen leben.

T-Mobile-Geschäftsführer Georg Pölzl rechnet deshalb insgesamt mit einem „Null-Wachstum“, also keinem Umsatzzuwachs für die Branche in diesem Jahr. Pölzl legt außerdem Wert darauf, dass der Null-Cent-Tarif nicht die Erfindung von One ist: „Wir hatten ein derartiges Angebot bereits vor einem Jahr im Programm.“ Großen Anklang fand es damals offenbar nicht. Grund dafür mag unter anderem auch der damals deutlich höhere Preis gewesen sein: „Der lag damals noch bei 40 Euro, jetzt sind es halt 19 Euro.“

Mit Mobilkom, T-Mobile und One haben nunmehr drei Anbieter mehr oder weniger vergleichbare Null-Varianten im Sortiment. Hutchison-Geschäftsführer Berthold Thoma sieht sich nun aber auch gefordert: „Es ist wohl damit zu rechnen, dass auch wir noch vor Weihnachten mit etwas Ähnlichem auf den Markt kommen werden.“

Eines hat die Preisoffensive jedenfalls gezeigt: Die von vielen geäußerte Befürchtung, die tele.ring-Übernahme durch

T-Mobile könnte den Wettbewerb bremsen, war unbegründet. „Man hatte erwartet, dass es nachher ruhiger wird“, sagt Berater Søren Grabowski: „Das ist offensichtlich ganz und gar nicht der Fall. Der österreichische Markt ist sogar ziemlich überhitzt.“ Christian Fongern, Berater bei Booz Allen Hamilton, findet das auch „grundsätzlich gut“: „Es ist doch schließlich die Intention, wenn man ein Monopol aufbricht und einen Markt liberalisiert, dass dadurch der Wettbewerb Einzug hält.“

Experte Grabowski sieht allerdings langsam die Talsohle erreicht: „Bisher hat der Markt noch funktioniert, weil es Wachstum gab und viele Kunden aus dem Festnetz geholt werden konnten. Auf alle Ewigkeit kann das sicher nicht so weitergehen.“

Derzeit könnten sich die Mobilfunker noch mit zweierlei trösten: dem Geschäft mit dem Datenverkehr und der Verrechnung so genannter Roaming-Gebühren für Telefonate ausländischer Handykunden in Österreich. Datenservices – sie ermöglichen den Internetzugang via Mobilnetz – sind ein relativ junges Betätigungsfeld, in dem noch „Riesenpotenzial“ stecke, so T-Mobile-Chef Pölzl. Die Margen haben sich die Herrschaften aber auch schon kräftig beschnitten: Ähnlich den Gesprächstarifen werden nun auch hier Pakete angeboten, bei denen der Kunde eine ganz beachtliche Datenmenge zum Fixpreis bekommt.

Brüsseler Spitze. Bleibt die Geldmaschine Roaming. Arglosen Touristen, die nach Österreich pilgern, werden für ihre Telefonate meist Gebühren von bis zu drei Euro pro Minute verrechnet. Doch auch dieses lukrative Geschäft könnte in absehbarer Zukunft deutlich zurechtgestutzt werden. Diesmal ist es aber nicht der freie Wettbewerb, sondern viel mehr die Europäische Union in der Person von Medienkommissarin Viviane Reding, die den Betreibern zusetzt. Sie hat zuletzt massive Kritik an der Tarifgestaltung geübt und im Juli schließlich eine Verordnung erlassen, derzufolge diese Gebühren innerhalb Europas künftig auf 51 Cent limitiert werden sollen. Nach heftigen Debatten soll die Regelung nun 2008 in Kraft treten.

Dann werden die Netzbetreiber einen guten Teil dieser Zusatzeinnahmen, durch welche die billigen Inlandspreise erst möglich wurden, abschreiben können. „Man kann aus einer ausgewogenen Kalkulation nicht ein Service herauspicken und herunterstreichen“, klagt Telekom-Chef Nemsic.

Ob sich ohne diese Quersubvention die Null-Cent-Tarife im Inland aufrechterhalten lassen, bleibt abzuwarten.

Von Martin Himmelbauer