Modell einer guten Schule

Modell einer guten Schule

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Die Bestürzung, die das Ergebnis der PISA-Studie zumindest bei den etwas nachdenklicheren Menschen hervorgerufen hat, ist mehr als berechtigt: Es gibt in einer globalisierten Wirtschaft nichts Wichtigeres als Ausbildung. Denn nachdem in den letzten Jahrzehnten die simplen Produktionen dorthin abgewandert sind, wo Muskelkraft zu günstigeren Preisen zu haben ist, werden in den nächsten Jahrzehnten die komplexen Produktionen dorthin wandern, wo Denkleistung zu günstigeren Preisen zu bekommen ist.

Die Voraussetzung jeder komplexeren Denkleistung ist die Beherrschung der Sprache. Wenn Österreich darin zurückfällt, ist der wirtschaftliche Rückfall nur eine Frage der Zeit.

Vielleicht ist es daher sinnvoll, sich einmal anzusehen, wie eine Schule beschaffen ist, die jedenfalls sehr gute Resultate erbringt. Ich habe das Glück, meinen jüngsten Sohn Eric in einer solchen Schule untergebracht zu haben: Das Aloha-College in Marbella arbeitet nach dem englischen Schulsystem und verschafft Jahr für Jahr einer großen Zahl seiner Absolventen die Qualifikation für die besten Universitäten Europas.

Ich gehe im Folgenden vor allem auf die Unterschiede zu einer österreichischen AHS ein:

Die Schülerschaft ist homogen: Man wird nur mit guten Noten und nach einem eingehenden Testgespräch aufgenommen. Leistung spielt auch in der Folge ständig eine wichtige Rolle, wird aber von den Schülern nie als unerträglicher Druck wahrgenommen, weil es in allen wichtigen Gegenständen Leistungsgruppen gibt: Eric, der kein Mathematik-Talent ist, pendelte zwischen zweiter und dritter Mathe-Gruppe, wurde aber auf diese Weise nicht demotiviert und konnte seine Stärke – Sprachen – in den ersten Leistungsgruppen forcieren. Jetzt, mit 16, konnte er zwischen einer mehr naturwissenschaftlichen und einer mehr geisteswissenschaftlichen Zusammensetzung seiner Fächer wählen und damit abermals Stärken forcieren. Die Leistung wird ständig durch kleine schriftliche Tests überprüft, was zwangsläufig mit einer Vertiefung des Lehrstoffes einhergeht. Ich halte diese ständigen kleinen Tests für ungleich vernünftiger (und nervenschonender) als einige wenige Schularbeiten, von denen Sein oder Nichtsein abhängt. Große Tests (mit 16 und zum Abschluss – quasi „Matura“) werden einer anonymisierten, computergestützten internationalen Überprüfung (letztes Jahr in Cambridge) unterworfen.

Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass die Schüler sich Kenntnisse selbst erarbeiten: Jeder Arbeitsplatz hat Internetanschluss, Hausaufgaben setzen durchwegs eigene Recherchen voraus. Sie in kleinen Referaten zu präsentieren zählt zur Selbstverständlichkeit. Zu den Unterrichtsgegenständen zählt, gleichberechtigt mit Mathematik oder Französisch, das Fach „Drama“. Zuletzt wurde Lorcas „Haus der Bernarda Alba“ in einer englischen und einer spanischen Fassung aufgeführt, und das Gezeigte hätte jedem Theater Ehre gemacht. In all dem liegt eine Wertschätzung der Sprache, die Österreich abhanden gekommen ist. Dabei sind die Schüler des Colleges nur zu 20 Prozent muttersprachlich englisch. Aber wie alle Kinder lernen sie die Unterrichtssprache unglaublich rasch und werden darin außerdem entsprechend unterstützt: Natürlich gibt es ständig Englisch-Stütz- und -Förderkurse.

Gelernt wird vornehmlich aus Büchern. Diese Lehrbücher sind, vor allem im Bereich der Naturwissenschaften, um Klassen besser als unsere: Der Lehrstoff ist auf das wirklich Wichtige reduziert („ausgemistet“). Die Sprache ist einfach. Wo immer das möglich ist, wird die Theorie an praktischen Beispielen ausgeführt. Plastischen Erklärungen folgen Multiple-Choice-Fragen, an denen der Schüler überprüfen kann, ob er auch wirklich verstanden hat. Der Unterricht dauert von neun bis 16 Uhr mit einer Stunde Mittagspause. Schulaufgaben beanspruchen dann noch etwa eine weitere Stunde und ein paar Stunden am Wochenende. Alle Kinder gehen gerne in die Schule, keines ist erschöpft, und keines bekommt Nachhilfestunden.

Es gibt wesentlich mehr Lehrer pro Schüler: Eine Leistungsgruppe hat nur zirka acht Kinder. Ein Aloha-Lehrer ist von neun bis 16 Uhr anwesend, muss sich natürlich genauso „vorbereiten“ und hat, wegen der vielen Tests, eher mehr zu korrigieren. Einen Skikurs, eine Exkursion oder dergleichen an zusätzliche Bezahlung zu binden käme ihm nicht in den Sinn. Österreichische Erzählungen über 13 bis 17 Unterrichtsstunden in der Woche rufen ungläubiges Staunen hervor.

Diese vielen, lange arbeitenden Lehrer erhalten ganz ungleich weniger Gehalt als österreichische AHS-Lehrer, obwohl die Lebenskosten in Marbella höher sind. Allerdings ist es nicht so, dass jüngere Lehrer viel weniger als ältere haben. Gemessen am englischen (amerikanischen, spanischen) Verhältnis von Arbeitszeit zu Reallohn, müssten österreichische AHS-Lehrer permanent jubilieren – stattdessen üben sie sich, vor allem in Wien, erstaunlich häufig in gewerkschaftlich unterstütztem Raunzen.

Mein Vorschlag für eine blitzartig erfolgreiche Schulreform: an AHS wie Pflichtschulen Ganztagsunterricht mit Leistungsgruppen einführen. Englische Lehrbücher übersetzen, weil Österreichs Lehrer nie fähig sein werden, ihren Stoff „auszumisten“ und ähnlich gute Bücher zu verfassen. Lehrerreduzierung stoppen – die Lehrer aber zwingen, so lange wie im Rest der Welt zu arbeiten.