Muammar Gaddafi setzt auf Ziegelkonzern

Muammar Gaddafi setzt auf Ziegelkonzern: Ölfonds will sich bei Wienerberger einkaufen

Ölfonds will sich bei Wienerberger einkaufen

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An einem gibt es nichts zu rütteln: Muammar Gaddafi mag keine Mauern. Seit Jahr und Tag weigert sich der exzentrische libysche Staatschef, feste Behausungen zu bewohnen. Lieber lebt er in einem Beduinenzelt, das er auch bei Auslandsreisen mit sich zu führen pflegt.

Wenn sich Gaddafis mit Öl-Milliarden prall gefüllter Staatsfonds Libyan Investment Authority jetzt ausgerechnet am österreichischen Ziegelhersteller Wienerberger beteiligen und diesem via Kapitalerhöhung bis zu 118 Millionen Euro zuführen will, dann hat das wohl besondere Gründe. Jörg Haider könnte ein solcher sein. Der im Oktober 2008 tödlich verunglückte Kärntner Landeshauptmann pflegte einst ausgezeichnete Kontakte nach Tripolis. Und diese dürften sich auch über seinen Tod hinaus bezahlt machen.

Bereits vor zwei Jahren begann ein gewisser Karl-Heinz Petritz damit, Gespräche zwischen den Eliten der Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija (so die amtliche Bezeichnung Libyens) und den Ziegelmachern vom Wienerberg einzufädeln. Petritz war lange Jahre Pressesprecher Haiders, Haider wiederum ein enger Freund von Saif al-Islam Gaddafi, dem zweitältestens Sohn des Revolutionsführers. Für Petritz machten sich die in dieser Konstellation geknüpften Verbindungen geschäftlich bezahlt. Nach seinem Ausstieg aus der Politik im Jahr 2004 verlegte er sich auf Unternehmensberatung. Einer der Schwerpunkte dabei: Libyen. „Ich bin überzeugt, dass diese Schiene zwischen der Umgebung Haiders und Libyen nach wie vor gut funktioniert“, sagt David Bachmann, österreichischer Handelsattaché in Tripolis.

Bereits vor zwei Jahren war Petritz mit einem konkreten Angebot der Libyer bei Wienerberger vorstellig geworden: einem Joint Venture, um zwei marode Ziegelwerke in Gaddafiland auf Vordermann zu bringen. Damals winkte der Baustoffkonzern dankend ab. Libyen schien als Markt nicht attraktiv, weil das Geschäft in Osteuropa – einem der Kernmärkte des österreichischen Ziegelherstellers – gerade prächtig lief. Damals hieß der Wienerberger-Vorstandsvorsitzende freilich auch noch Wolfgang Reithofer. Gut möglich, dass er sich aus prinzipiellen Erwägungen gegen ein Investment im Schurkenstaat aussprach: Auch wenn sich die Beziehungen zwischen Libyen und dem Rest der Welt ab 2006 zunehmend normalisierten, nachdem Gaddafi Entschädigung für Terroranschläge gezahlt und sein klandestines Atomprogramm aufgegeben hatte.

Reithofer, der dem Wienerberger-Aufsichtsrat nur noch „beratend“ zur Verfügung steht, wollte sich auf profil-Anfrage weder zu den damaligen noch zu den aktuellen Libyen-Plänen äußern. „Heimo Scheuch hat mein vollstes Vertrauen. Mein Respekt vor dem Vorstand ist zu groß, als dass ich ihm etwas über Medien ausrichten würde“, so Reithofer.

Umdenken. 2009 spricht anscheinend nichts mehr gegen eine geschäftliche Allianz. Jetzt heißt der Wienerberger-Vorstandsvorsitzende aber auch Heimo Scheuch. Der Ziegelboss bezeichnet sich selbst zwar gerne als unpolitisch, entstammt aber dem rechtsnationalen, Haider-treuen Milieu in Kärnten. Seine Cousins Uwe (er war für profil nicht erreichbar) und Kurt sind hochrangige BZÖ-Funktionäre: Der eine fungiert als Landesparteiobmann, der andere als Klubobmann im Landtag. Und – wie beziehungsreich – Haiders Witwe Claudia hat erst vor wenigen Wochen die Nachfolge ihres Mannes an der Spitze der 2002 gegründeten Österreichisch-Libyschen Gesellschaft ange­treten.

Heimo Scheuch – er wirbt gerade auf einer Roadshow bei internationalen Investoren für die anstehende Kapitalerhöhung und war für profil ebenfalls nicht zu sprechen – beurteilt die Chancen und Risken eines Libyen-Engagements offenkundig anders als sein Vorgänger. Die Libyan Investment Authority ist mittlerweile unter anderem beim Autohersteller Fiat und bei der italienischen Bank-Austria-Mutter Unicredit beteiligt. Dort sitzt übrigens Wienerberger-Aufsichtsrat Friedrich Kadrnoska im Verwaltungsrat. Die wirtschaftlichen Vorzeichen haben sich aber auch radikal geändert. In Osteuropa ist infolge der Weltwirtschaftskrise die Konjunktur eingebrochen. In Libyen hingegen floriert die Baukonjunktur. Die eigene Wirtschaft der Volks-Dschamahirija ist dem Boom bei Weitem nicht gewachsen.

Außer Erdöl- und Erdgasindustrie, die 70 Prozent des libyschen BIP erwirtschaften, hat das Land keine nennenswerten Produktionszweige – es ist mehr oder minder vollständig auf Importe angewiesen. Derzeit stammt der Großteil der verbauten Ziegel aus Tunesien und Ägypten. Von der wachsenden libyschen Bautätigkeit profitiert auch die oberösterreichische Asamer-Gruppe. Im Oktober 2007 kaufte sich der Baustoffhersteller um 125 Millionen Euro bei drei verstaatlichten Zementwerken ein – und macht seitdem gehörig Kies. 2008 konnte mit der Lieferung von Fertigbeton im Wert von 90 Millionen Euro für die Errichtung von 10.000 Wohnungen in der Hauptstadt Tripolis der größte Einzelauftrag der Unternehmensgeschichte an Land gezogen werden. Auch der österreichische Baukonzern Porr will gemeinsam mit einem türkischen Joint-Venture-Partner in Zukunft in Libyen Geschäfte machen. Der österreichische Konkurrent Strabag in Libyen verzeichnet schon jetzt 100 Millionen Euro Umsatz. Es gibt für beide genug zu tun: Der Staat hat für die kommenden zehn Jahre Infrastrukturinvestitionen in der Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro angekündigt.

Wienerberger lockt jedoch nicht nur die Hoffnung auf das große Geschäft. Der Baustoffkonzern hat Schulden von nahezu einer Milliarde Euro angehäuft und braucht dringend frisches Kapital. In den vergangenen Wochen musste der neue Vorstandsvorsitzende Heimo Scheuch bereits intensive Verhandlungen mit den finanzierenden Banken führen, um die Kreditlinien zu verlängern. Die Kapitalerhöhung, die noch heuer über die Bühne gehen wird (die Bezugsfrist für die neuen Wienerberger-Aktien läuft bis Ende September), soll insgesamt 335,8 Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens spülen. Die Börse reagierte vorerst mit Verunsicherung auf die Neuigkeiten: In den Tagen nach Bekanntgabe der Kapitalerhöhung stieg der Wert der Wienerberger-Papiere zunächst zwar auf 15,40 Euro, dann gab der Kurs jedoch auf unter 14 Euro nach. Aus einer Position der Stärke kann Wienerberger diesmal also nicht in die Verhandlungen gegangen sein. Davon, sich als Seniorpartner an einem Joint Venture mit libyschen Ziegelbrennern zu beteiligen, redet nun auch niemand mehr.

Ganz im Gegenteil: Es ist Gaddafi, der sich im Zuge einer Kapitalerhöhung mit bis zu zehn Prozent bei den Österreichern einkauft. Mehr noch: Zieht der US-Fonds Dodge & Cox Inc., der momentan zehn Prozent der Wienerberger-Anteile hält, bei der Kapitalerhöhung nicht mit, wird die Libyan Investment Authority größter Einzelaktionär. Damit gerät der Baustoffkonzern in den Einflussbereich eines Mannes, der gerade dazu aufruft, die Schweiz zu zerschlagen, und zwei eidgenössische Geschäftsleute als Geiseln hält. Und noch dazu in einem Zelt lebt.