Zilk: „Müsste einen vom Sessel reißen“

„Müsste einen vom Sessel reißen“

Interview über die große ORF-Programmreform

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profil: Sie waren von 1967 bis 1974 Programmdirektor des ORF und haben selbst einige ORF-Sendungen entwickelt. Wie gefällt Ihnen die aktuelle Programmreform?
Zilk: Ich bin der Meinung, dass das Programm auch ohne die jetzige Reform ein durchaus beachtliches und gutes war. Ich glaube aber, dass es richtig ist, von Zeit zu Zeit zu adjustieren. Es muss einem hin und wieder etwas Neues einfallen, und dann muss man den Mut haben, manches wieder zu korrigieren. Die Reform war gut und notwendig. Wenn ich Chef der Öffentlichkeitsarbeit wäre, hätte ich sie aber nicht in diesem Maße angekündigt. So ist der Eindruck entstanden, dass die Berge kreißten und eine Maus geboren wurde. Es ist keine Maus, sondern durchaus beachtlich. Aber die Erwartung konnte in dem Maße gar nicht erfüllt werden.
profil: Der ORF verliert Marktanteile, manche neuen Formate haben miserable Quoten. Was ist denn falsch gelaufen?
Zilk: Ich fange mit dem Positiven an. Wirklich richtig war, die Durchschaltung der „Zeit im Bild“ aufzugeben. Alfons Dalma und ich hatten schon in der Phase Bacher II, also zwischen 1971 und 1974, darüber gesprochen. Damals stand der ORF aber ganz stark unter dem Druck der Parteien, und Bacher hatte als Vollblutjournalist da auch eine sehr fixierte Meinung. Er meinte, dass die Leute das unbedingt sehen sollen. Daher sehe ich mit Befriedigung, das ist jetzt geschehen. Aber das Alternativprogramm ist leider nicht gut.
profil: Sie meinen „Mitten im 8en“.
Zilk: Ja, ich glaube, das ist nicht die Alternative. Es ärgert einen nicht, und es freut einen nicht, es ist belanglos. Es reißt keinen vom Sessel, aber das müsste es. Es gibt ja Serien, durchaus auch solche Soaps, die das können.
profil: Welche meinen Sie?
Zilk: Nehmen wir zum Beispiel „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, das ja schon jahrelang läuft. Mir gefällt die Serie nicht, weil der Alterszuschnitt für mich natürlich nicht passt. Aber sie ist perfekt gemacht, mit guten Leuten. Gelegentlich schau ich auch deshalb gerne rein, weil ich da die Sprache der Generation lerne. Ich hab dort zum ersten Mal diese idiotische Formulierung „Mach dir keinen Kopf“ gehört. Dank dieser Serie kann ich mit jungen Leuten reden.
profil: Warum gelingt so etwas in Österreich nicht?
Zilk: Wir haben gute Serien gemacht, wenn ich nur an „Hotel Sacher, Portier“ denke. In letzter Zeit hat sich der ORF nicht richtig darüber gewagt. Das muss auf Jahre angelegt sein. Da kannst du nicht sagen, das ist ein Test. Aber positiv ist natürlich, dass der ORF jetzt sagt, wir machen so viel wie möglich österreichisches Programm. Denn wo liegt der Sinn eines österreichischen Fernsehens, wenn es nicht österreichische Sachen produziert? Ich glaube, es wäre wichtig, dass man jetzt innehält und Korrekturen vornimmt. Das wird ja auch beim „Extrazimmer“ notwendig sein. Also das ist die Karikatur eines Gespräches, irgendwas zwischen lächerlich und traurig.
profil: Meinen Sie die Damen- oder die Herrenrunde?
Zilk: Beide. Die Frauen haben durcheinandergeschrien, und die Hörbiger bei den Männern hat überhaupt nicht dazugepasst. Die gehört nicht in so eine Sendung. Das ist eine großartige Schauspielerin, aber sie hat überhaupt keinen Humor. Da gehört eine hin, die spontan ist und ein paar Frechheiten hineinsagt. Der Franz Xaver Kroetz als Gast war ja ganz originell, aber die müssen lernen, miteinander zu reden. Als ich 1963 das erste „Stadtgespräch“ gemacht habe, habe ich geglaubt, die blasen mich weg. Das Thema war der 13. März 1938, da ist alles gekommen, alte und neue Nazis, Kommunisten, Kommunistenfresser. Es ist wild zugegangen – hat nur noch gefehlt, dass einer tätlich geworden wäre. Das muss man alles lernen.
profil: Was sind die positiven Überraschungen?
Zilk: Das Positive ist, dass Elmar Oberhauser als Informationsdirektor die Menschen wieder einbeziehen will. Das geplante Bürgerforum wird im Grunde genommen eine Fortsetzung meiner „Stadtgespräche“, das freut mich sehr.
profil: Der ehemalige RTL-Chef Hans Mahr meinte einmal, Sie seien eigentlich der Erfinder der Talkshows gewesen.
Zilk: Ja, das hat es damals überhaupt nicht gegeben. Später habe ich dann noch „In eigener Sache“ entwickelt. Wesentlich ist bei diesen Publikumsdiskussionen die Struktur und vor allem der Moderator. Ich habe immer den Mittelweg zwischen Staatsanwalt und Kasperl gesucht. Diskussionen müssen Show sein, dann sind sie gut. Und das Publikum muss einbezogen werden, und zwar spontan. Also nicht, dass pro forma einer was Vorbereitetes aufsagen darf.
profil: Das heißt, Sie waren kein Fan von „Offen gesagt“?
Zilk: Das war ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht macht. Bei Sendungen mit Publikum muss der Moderator die Leute auf Trab bringen, die Leidenschaften steigern. Noch etwas Positives: Die „Zeit im Bild“ ist viel besser als die aktuellen Sendungen auf ARD oder ZDF. Aber was mir wirklich nicht gefällt, ist dieser komische Tisch, der dort steht. Und können Sie mir die Streifen im Hintergrund erklären? So geglückt mir das Ganze scheint, so wenig gefällt mir die grafische Gestaltung.
profil: „Vera exklusiv“ hat schon bei der zweiten Ausstrahlung ein Viertel der Zuseher verloren. Woran kann das liegen?
Zilk: Das tut mir persönlich weh, weil ich die Vera für ein unglaubliches Bildschirmtalent halte. Sie hat über Jahre und Jahrzehnte gezeigt, dass sie das Medium beherrscht. Es zeigt sich wieder: Ich bin absolut für die Reform, das habe ich ja deutlich gemacht. Aber man muss nicht alles um jeden Preis reformieren. Ich glaube, man muss sich da etwas einfallen lassen. Entweder bei den Gästen oder bei der redaktionellen Gestaltung.
profil: Wie lange werden Sie Ihre eigene Sendung „Lebenskünstler“ noch machen?
Zilk: Schaun Sie, ich habe angeboten, dass ich aufhöre. Der ORF will das nicht. Gut, ich mach es ganz gerne. Und der Erfolg gibt mir Recht. Wenn man um elf in der Nacht 220.000 bis 300.000 Zuschauer hat, dann muss es ja einen Sinn haben. Wenn ich 200.000 umrechne auf Deutschland, dann wären das zwei Millionen. Beckmann und Kerner sind aber froh, wenn sie eine Million haben. Also solange man das will, mache ich es gerne.
profil: In der letzten Sendung haben Sie Karl-Heinz Grasser quasi gezwungen, ein Monatsgehalt für die Schmetterlingskinder zu spenden. Hat er schon bezahlt?
Zilk: Das machen wir schon, das wird auch fotografiert und dokumentiert, ganz klar.
profil: Wie viel sehen Sie fern?
Zilk: Ich schau schon viel, bin ein Gewohnheitsfernseher. Das gilt auch für meine Frau. Wenn ich einen Raum betrete und hab nix zu tun, drehe ich sofort den Fernseher auf. Und daneben trink ich Tee oder frühstücke oder rasier mich …
profil: Sie haben im Bad einen Fernseher?
Zilk: Der kommt jetzt.
profil: Zur Feier der ORF-Reform.
Zilk: Na ja, sozusagen. Ich will ja seit Jahren einen haben, aber es ist ein bisschen umständlich mit dem Anschluss, aber jetzt lassen wir es machen.

Interview: Rosemarie Schwaiger