Nachfolge

Nachfolge: Papalotto in Rom

Papalotto in Rom

Drucken

Schriftgröße

Sie werden 14 Tage Zeit haben. Nicht einen Tag mehr. Spätestens dann muss weißer Rauch aus dem kleinen Schornstein der Sixtinischen Kapelle qualmen und der Welt signalisieren, dass es einen neuen Papst gibt. So hat Karol Wojtyla es verfügt.

Der Papst aus Polen legte per Vatikangesetz fest, dass die Frohbotschaft „habemus papam“ binnen weniger Tage von der Benediktionsloggia an der Front der Peterskirche verkündet werden muss. Auf diese Weise will Johannes Paul II. verhindern, dass die 135 wahlberechtigten Kardinäle zu lange über seine Nachfolge streiten.

Unterdessen hat in Rom das „Papalotto“, die Gerüchteküche über den nächsten Papst, schon zu brodeln begonnen. Gut informierten Kreisen im Kirchenstaat zufolge laden die „Papabili“, wie die potenziellen Nachfolger genannt werden, bereits Kollegen zu sich nach Hause ein, um bei gutem Essen und edlen Weinen für sich zu werben. „So war es immer, und so wird es immer sein“, berichtet ein Mitarbeiter der Kurie, der namentlich nicht genannt werden will.

„Eine Überraschung wird es bei der nächsten Papstwahl sicherlich nicht geben“, meint Sandro Magister, „Vaticanista“, also Vatikanspezialist des linken Wochenmagazins „L’Espresso“. Der Kirchenhistoriker glaubt, dass „nach so einem langen Pontifikat ein Mann des Übergangs gewählt wird“. Eine Vermutung, die sein römischer Kollege Bruno Guerri stützt: „Auf lange Pontifikate folgten in der Kirchengeschichte fast immer kürzere, das ist fast schon Tradition.“

Die Schar der Papabili spaltet sich dabei in verschiedene, gegeneinander konkurrierende Lager: Den Hardlinern stehen die gemäßigten Kandidaten gegenüber; gleichzeitig wird die traditionell starke italienische Front versuchen, sich gegen Aspiranten aus anderen Ländern Europas und gegen Nichteuropäer durchzusetzen.

Diese dürften heute größere Chancen haben als zuvor. Schon vor zwei Jahren erwog der einflussreiche Kardinal Ratzinger die Möglichkeit, dass der nächste Papst aus Afrika kommen könnte. Dabei hatte der deutsche Kirchenmann wohl den gemäßigt konservativen Kardinal Francis Arinze (70) aus Nigeria vor Augen, der sich seit 1985 als Vorsitzender des Päpstlichen Rats für interreligiösen Dialog profiliert.

Als wesentlich aussichtsreicher gelten jedoch zwei Kandidaten aus Südamerika – dem Erdteil mit der größten katholischen Bevölkerung. Während sich der kolumbianische Kardinal Castrillón Hoyos (74) und der Brasilianer Alfonso Lopez Trujillo (68) als Vertreter des erzkonservativen Lagers Namen machten, wird der gemäßigte Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga (61) aus Honduras von weiten Kreisen als charismatischer Hoffnungsträger gehandelt. Weil der Erzbischof aus Tegucigalpa für sein kritisches politisches Engagement bekannt ist, könnte die Kirche mit seiner Ernennung auf die Globalisierung und die mit ihr verbundenen politischen und sozialen Probleme reagieren.

Während die nicht italienischen Kandidaten, unter ihnen auch der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn (58) und der Belgier Godfried Daneels (70), bestenfalls als Außenseiter gelten, dürften dennoch die Papibili aus Italien derzeit die größten Chancen haben. Der häufig genannte Angelo Sodano (76), Staatssekretär im Vatikan und „zweiter Mann“ hinter Johannes Paul II., wäre als gemäßigter Konservativer auch für Liberale mehrheitsfähig.

Dem gemäßigten Lager ist auch Giovanni Battista Re (69) zuzuordnen, ein effizienter Verwalter, der als Präfekt der Bischofskongregation – also quasi als Personalchef des Vatikans – zur rechten Hand des Papstes wurde. Gegen ihn spricht allerdings, dass er bisher nur im Inneren des Vatikans tätig war und daher außerhalb der Kurie wenig Rückhalt genießt.

Chancen werden auch den Konservativen Camillo Ruini (72) und Giacomo Biffi (75) sowie dem Newcomer Angelo Scola (61) zugeschrieben. Der Patriarch von Venedig, der als einer der brillantesten Theologen Italiens gilt, wird Ende Oktober in den Rang eines Kardinals erhoben. Als Geheimtipp wird Kardinal Crescenzio Sepe (60) gehandelt; der Präfekt der Missionierungskongregation soll in Rom viele einflussreiche Verbindungen haben.

Hoffnung. Realistische Hoffnungen auf die Papstnachfolge darf sich aber vor allem einer machen: Dionigi Tettamanzi (69) wurde von Johannes Paul II. demonstrativ als Erzbischof in das bedeutende Biskopat Mailand versetzt. Er ist ein Mann der Verständigung, der bei Gemäßigten wie Hardlinern als mehrheitsfähig gilt, aber trotzdem eine konservative Kirche im Sinne Wojtylas vertritt.

Und die Vatikanexperten sind sich einig, dass am Ende die kirchenpolitische Linie des Kandidaten das entscheidende Argument bei der Kür des Nachfolgers sein wird. „Er muss ein Mann aus dem gleichen Holz wie der Pole sein“, meint der Vatikanexperte Orazio La Rocca von „La Repubblica“. Die Mehrheit der 135 wahlberechtigten Kardinäle denkt ähnlich wie ihr Pontifex, dem die meisten ihre Kardinalswürde verdanken. Am 16. Oktober, seinem 25. Dienstjubiläum, will Johannes Paul II. während eines neuen Konsistoriums 22 weitere Oberhirten ernennen – allesamt stramme Hardliner der Wojtyla-Kirche.