„Wir müssen nicht mit 55 in Pension gehen“

Robert Kocmich: „Wir müssen nicht mit 55 in Pension gehen“

Interview. Robert Kocmich, Zentralbetriebsobmann der Nationalbank, über Luxuspensionen

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Interview: Otmar Lahodynsky

profil: Für den Sozialpolitik-Experten Bernd Marin ist das Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank eine „schamlose Selbstbedienung an öffentlichen Kassen“. Der durchschnittliche Rentenbezug eines OeNB-Mitarbeiters mit Altvertrag betrage 2,3 Millionen Euro bei einer Beitragsleistung von nur 600.000 Euro.
Robert Kocmich: Wie Herr Marin auf diese Zahlen kommt, ist mir nicht nachvollziehbar. Wir haben uns nie etwas erschlichen, sondern die Verträge sind mit uns im Konsens und einzeln auf Lebenszeit abgeschlossen worden. Und diese beinhalten auch Bezüge nach dem Pensionsrecht, weil die OeNB auch Sozialversicherungsträger ist und das ASVG dadurch nicht belastet wird. Und da gilt eben „Pacta sunt servanda“.

profil: Anstellungen auf Lebenszeit mit Durchschnittspensionen von 6000 Euro monatlich ab dem 55. Lebensjahr in der Höhe von 85 Prozent des Letzteinkommens gibt es in Österreich sonst nirgendwo. Da ist eine drei- oder 3,3-prozentige Abgabe von im Durchschnitt 200 Euro im Monat schon aus Solidarität mit den ASVG-Pensionisten doch nicht zu viel verlangt. Warum haben Sie jetzt dagegen eine Klage beim Arbeitsgericht eingebracht?
Kocmich: Es geht uns nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. Darf der Staat in Einzelverträge eingreifen oder nicht? Es handelt sich um das 2. Stabilitätsgesetz 2012, das uns aufoktroyiert wurde. Das wollen wir uns nun mit unserer Klage auch verfassungsrechtlich anschauen. Und es könnte Relevanz für jeden Arbeitnehmer in Österreich haben, ob der Staat oder jemand Dritter in Arbeitsverträge eingreifen darf oder nicht. Wir müssen übrigens nicht mit 55 Jahren in Pension gehen, wenn wir 35 Dienstjahre erreicht haben. Manche bleiben auch länger aktiv. Mit dem Dienstrecht II wurde das außerdem auf 60 Jahre verschoben. Und ab dem Dienstrecht III gelten die ASVG-Bestimmungen.

profil: Die OeNB muss sich die Frage gefallen lassen, ob die Personalkosten – stolze 130 Millionen Euro für 1200 Mitarbeiter – vertretbar sind. Da kommt man auf ein durchschnittliches Jahresgehalt von über 115.000 Euro – noch ohne Einrechnung der Bezüge des Direktoriums.
Kocmich: Da muss man jetzt unterscheiden, ob damit das Jahreseinkommen oder die Personalkosten für das Unternehmen gemeint sind. Aber wir haben auch eine hohe Akademikerquote. Und wir müssen uns vergleichen mit Bezügen von internationalen Organisationen, wohin unsere Mitarbeiter sonst vielleicht abgewandert wären. Das war also gutes Geld für gute Arbeit.

profil: Seit der Einführung des Euro übernahm die Europäische Zentralbank in Frankfurt viele Aufgaben. Dennoch blieb die Zahl der OeNB-Mitarbeiter gleich.
Kocmich: Wir haben zig neue Aufgaben dazubekommen, etwa durch die Bankenaufsicht.

profil: Aber um die kümmert sich ja auch die Finanzmarktaufsicht.
Kocmich: Ja, aber es ist gesetzlich geregelt, wer was macht. Wir haben einen Bankenprüferbereich, der 300 Mann stark ist. Vor zwei, drei Jahren war der noch lange nicht so groß.

profil: Aber die Währungs- und Zinspolitik wird von der EZB gemacht.
Kocmich: Ja, aber die Umsetzung erfolgt hier. Ich vermisse schon, dass die Notenbank als solche in der Bevölkerung ihre Aufgaben ordentlich darstellt. Es kann nicht sein, dass Mitarbeiter in einem Unternehmen, wo viel und loyal gearbeitet wird, dann in Medien mit Liegestuhl assoziiert werden. Das ist Rufmord, den ich mir im Namen der Mitarbeiter nicht gefallen lasse. Wir haben so viele Fälle von Arbeitszeitüberschreitungen, die ich dem Arbeitsinspektor gar nicht melden darf, sonst haben wir da einen Aufstand.

profil: Der Rechnungshof hat schon 2006 die hohe Pensionsreserve von zwei Milliarden Euro bei der OeNB kritisiert. Demnächst wird ein neuer Rechnungshofbericht über die Pensionsvorsorge in der OeNB veröffentlicht. Insidern zufolge steckt darin wieder scharfe Kritik.
Kocmich: Ich kenne den Bericht noch nicht, der soeben dem Direktorium präsentiert wurde, aber es gilt das Gleiche wie 2006. Das Management kann natürlich weitere Reformen durchführen wollen. Faktum ist, dass wir Einzelverträge haben, in die auch wir als Betriebsratsgremium nicht eingreifen können und wollen. Wir hören dieselben Vorwürfe seit 20 Jahren. Wir haben seit 20 Jahren reformiert, haben All-in-Verträge, aber das wird in der Öffentlichkeit leider nicht zur Kenntnis genommen.
profil: OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny hat ja auch viele Reformen versprochen, aber ist an diesen rechtlichen Hürden gescheitert.
Kocmich: So ist es – weil ich ihm nichts versprechen kann, was die Mitarbeiter nicht halten können.

profil: Als sozialdemokratischer Gewerkschafter hätten Sie gegen eine höhere Besteuerung, die alle Reichen trifft, keine Einwände?
Kocmich: Wenn man eine Steuerreform macht, bei der ab einem gewissen Betrag von Gehalt oder Einkommen eine Solidar-abgabe von so und so viel Prozent, befristet oder nicht, eingehoben wird, dann ist das klar und okay. Das wäre sozialdemokratisch und sozialpolitisch, weil es eine Umverteilung ist, völlig in Ordnung. Mit unserer Klage agieren wir übrigens auch für das Unternehmen, das sich gar nicht gegen dieses Gesetz gewehrt hat. Die OeNB hätte darauf reagieren müssen, weil sie unabhängig bleiben muss.

Profl: Das ist jetzt ein Vorwurf an OeNB-Gouverneur Nowotny?
Kocmich: Wenn Sie so wollen, ja. Die Bundesregierung hat mit diesem Gesetz auch nicht die EZB befasst, obwohl dies notwendig gewesen wäre. Ich orte auch da ein Versehen. Bei diesem Gesetz fehlen die Durchführungsbestimmungen und die Handhabe, etwas Richtung Harmonisierung machen zu können. Es kann auch keine Sondersteuer sein, weil es nur ein Unternehmen betrifft.

profil: Im OeNB-Betriebsrat gibt es eine Liste „OeNB 2030“, die in einem Flugblatt den alten rot-schwarzen Personalproporz und eine „Aufblähung der OeNB-Organisation“ durch neue Parallellabteilungen kritisiert hat.
Kocmich: Es macht schon Sinn, wenn man in einem Unternehmen zwei Gruppen statt einer oder ein neues Referat gründet. Aber das ist eine Managementaufgabe, betrifft also den Betriebsrat nur sekundär. Diese neue Liste hat eben damit geworben, dass sie die alte rot-schwarze Politik als Hemmschuh bewertet hat.

profil: Unter jüngeren OeNB-Mitarbeitern soll der Unmut über die alten Verträge mit Luxuspensionen schon sehr groß sein.
Kocmich: Da gebe ich Ihnen Recht, aber die Jungen wissen nicht, wie die Voraussetzungen früher waren. Wir hatten früher zum Beispiel nur bis zu sechs Jahre Anrechnung der Vordienstzeiten, heute sind es doppelt so viele.

profil: Der Linzer Uni-Professor Friedrich Schneider kritisiert die hohen Pensionsaufwendungen der OeNB, weil damit die Dividendenausschüttungen an den Bund reduziert würden, auch zu Lasten von Forschungs- und Sozialprojekten, die aus dem Jubiläumsfonds finanziert werden.
Kocmich: Wenn der Wirt ums Eck nicht so viel Geld für Blumengestecke ausgäbe, könnte er größere Portionen machen.
Dieser Linzer Uni-Professor dürfte wenig Ahnung von einer Notenbank-Bilanz haben. Die Notenbank ist nicht mit einem gewinnorientierten Unternehmen vergleichbar.

profil: Sie haben sich lange gegen den Verkauf der 200 Dienstwohnungen für OeNB-Mitarbeiter gewehrt. Diese bezahlen dort in besten Lagen monatliche Mieten von nur zwei bis vier Euro pro Quadratmeter.
Kocmich: Der Verkauf war einer der Reformschritte, die wir schweren Herzens mitgetragen haben. Und weil die Mieten als besonders günstig dargestellt werden: Der Luxus bezieht sich nur auf die Lage. Außerdem war Grinzing, wo viele dieser Wohnanlagen liegen, nach dem Krieg Entwicklungsland. Die Zuweisung der Wohnungen erfolgte nach sozialen Kriterien. Was verabsäumt wurde, war eine Klausel, dass Besserverdienende höhere Mieten bezahlen. Aber auch diese Mietverträge wurden auf Lebenszeit abgeschlossen. Aber wir haben dem Verkauf der Wohnungen zugestimmt, weil auch wir erkannt haben, dass die soziale Symmetrie nicht mehr gegeben ist.

profil: Und was sagen Sie zur Kritik an angeblich luxuriösen Freizeitanlagen der OeNB?
Kocmich: Wir haben eine einzige Sportanlage in Langenzersdorf, wo es aber auch ein Seminarzentrum gibt, was der OeNB auch Einsparungen bringt. Der Zuschuss der Notenbank beträgt 300.000 Euro pro Jahr. Die Bank Austria hat vor Kurzem um 18 Millionen Euro ein Seminarzentrum eröffnet. Das hat keinen Menschen gekratzt. Ein gesunder Mitarbeiter, der noch Tennis spielen oder kegeln kann zu Zeiten, wo anderswo vielleicht schon geschlossen ist, ist uns wichtig. Auch familienpolitisch ist es viel wert, wenn in einer umzäunten Anlage in einem beaufsichtigten Becken Kinder plantschen können und man nicht in ein städtisches Bad gehen muss. Das ist eine gute Alternative. Aber wir haben keine Luxusanlagen und auch keinen Golfplatz.

Foto: Monika Saulich für profil