Nationale Raritäten: Mölzer und Stadler

Nationale Raritäten: Österreichs Export für rechtsnationales Geistesgut

Export von rechts-nationalem Geistesgut

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Man fragt sich, warum die politische Kultur eines Landes bei Europawahlen so gern ins Groteske kippt. Italiens Premier Silvio Berlusconi hätte Showgirls nach Brüssel geschickt, wäre nicht seine Ehefrau dazwischengetreten. Aus Österreich kündigen sich zwei Mannsbilder aus dem rechtsnationalen Lager an, jederzeit bereit, den chauvinistischen Anteil der österreichischen Seele abzurufen.

Der EU-Parlamentarier Andreas Mölzer kandidiert wie schon vor fünf Jahren für die Freiheitliche Partei, der ehemalige FPÖ-Volksanwalt Ewald Stadler tritt für das BZÖ an. Sie sind einander neuerdings in tiefer Feindschaft verbunden, was ihre Anstrengungen zweifellos befeuern wird. Allein die Leib-und-Magen-Themen – die Heimat, das Fremde, der Untergang des Abendlands – hätten nicht genügt. Zu ähnlich sind sie sich in ihrer Geisteshaltung.

Offene Feindschaften bringen freilich auch Nachteile, vor allem, wenn man einander so gut kennt wie die beiden. „Ein Retro-Typ“ und „dünkelhaft“ sei Mölzer, ein Ideologe, „der den Zweiten Weltkrieg nachträglich noch gewinnen will“, sagt Stadler über Mölzer. Einen „Klerikal-Faschisten“ nannte der seinen Konkurrenten nach dem großen Krach vor einem Dreivierteljahr, als Stadler nach einigem Hin und Her in das BZÖ eingetreten war. „Nicht satisfaktionsfähig“ lautet jetzt das Verdikt, das in der Welt der Burschenschaften, der beide entstammen, einer Ehrabschneidung gleichkommt.

Besonders kränkt Mölzer der Vorwurf, er habe in der Organisierung eines rechten Netzwerks auf europäischer Ebene „versagt“. Ursprünglich hatten Mölzer, Stadler, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache – anfangs auch Jörg Haider – das Projekt gemeinsam betrieben. Der französische Front National von Jean-Marie Le Pen, der den Holocaust für ein „Detail“ der Geschichte hält, der belgische Vlaams Blok (jetzt Vlaams Belang), der mit Antirassismusgesetzen in Konflikt kam, die bulgarische Ataka, die Juden für eine „gefährliche Rasse“ und Roma für minderwertig hält, rumänische Nationalisten und italienische Neofaschisten waren im Jahr 2007 an Bord gewesen. Doch die europäische Plattform ITS (Identität, Tradition und Souveränität) hielt nur einen Sommer lang. Ihr Chef kam wegen Leugnung des Holocausts vor Gericht, die Italiener stritten mit den Rumänen. Das liegt in der Natur nationalistischer Bewegungen. Was dem einen hassenswerte Minderheit, ist dem anderen nationale Größe. Die traditionelle Rechte verbindet noch die Verharmlosung des Nationalsozialismus, osteuropäische Populisten haben eine andere Agenda.

Mölzers Versuche, sich den polnischen Nationalisten anzudienen (Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze), verärgerte deutsche Rechtsextreme, seine Treffen mit Abgesandten der deutschen NPD verschreckte gemäßigtere Kreise. Stadler frohlockt jetzt und sagt, er würde das „Networking offener anlegen, ohne jemanden von vornherein auszugrenzen“. Mölzer träumt ebenfalls von einem neuen Anlauf „mit vernünftigen Rechtsparteien“, doch reden könne man mit allen, die nicht verboten sind, meint er.

Beide tragen sie schwer an Haiders Erbe, der Spaltung und den Grabenkämpfen, der Zwietracht und der Bosheit. Beide wechseln auch gern die Masken. Das hat Stadler zum Renommee eines Volksanwalts verholfen und Mölzer den Ruf eines Rechtsintellektuellen eingetragen. Auch Stadler erhebt selbstverständlich den Anspruch auf „intellektuelle Größe“, wie BZÖ-Wahlkampfleiter Stefan Petzner das Sujet der Bücherwand auf einem der Wahlplakate begründet.

Ein Herz und eine Seele sind sie in ihrer Sorge um die „biologische Identität“ der Österreicher (Mölzer) beziehungsweise deren „Volkserhalt“ (Stadler). Mölzer gefällt sich in kalkulierter Provokation und verwendet nach wie vor den NS-Propagandabegriff der „Umvolkung“, die „bereits voll im Gang“ sei. In einer Polemik unter dem Titel „Europa 2084“, herausgegeben von Mölzer selbst, seinem Nachwuchs und weiteren Trabanten aus Mölzers Büro, wird ein Tableau an Horrorszenarien aufgeboten, die ein rechtes Gemüt schon erschüttern können. In dieser Apokalypse sind „Schwarzafrikaner und Ostasiaten schon vom Phänotypus her schwer in die angestammte Bevölkerung integrierbar“, Migranten schlagen sich gegenseitig die Schädel ein, in den Städten herrschen homosexuelle Bürgermeister, Männer wurden durch den „Genderwahnsinn“ praktisch ausgerottet, und der Holocaust ist „theologisch abgesichert“.

Schuld an dem allen trägt die EU. Selbst am „Ausverkauf europäischer Museen, begonnen durch politisch korrekte Restitutionen vorgeblicher Beutekunst“. Angepasste Menschen hätten unter Faschismus und Stalinismus „zwangloser leben können als in der EU“, setzt der EU-Parlamentarier dann noch eins drauf.

Die Geisteshaltung, die daraus spricht, ist kein wahlkampfbedingter Ausreißer. Den antisemitischen und NS-verharmlosenden Unterschleif findet man auch in Mölzers Rechtspostille „Zur Zeit“. Vor Kurzem konnte man dort lesen, dass „überwiegend Angehörige des jüdischen Volks (..) die weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst“ hätten“ und Israels Politik gegenüber den Palästinensern im „alttestamentarischen Vernichtungswahn“ seine Grundlage habe. Das war Mölzer dann doch etwas peinlich – „ich habe mich geärgert ob dieser Dummheit“, doch sei er dort „nicht Chefredakteur“ und „trage keine rechtliche Verantwortung“.

Angesichts der Wirtschaftsdaten wähnen sich beide als Krisengewinnler. Stadler wirbt für eine „Spekulantensteuer“. Mölzer schlägt vor – gemäß der in diesen Kreisen beliebten Unterscheidung von „schaffendem“ und „raffendem Kapital“ –, die „gewaltigen Gelder“ weniger in die Rettung von Banken als „unmittelbar in die Betriebe“ zu pumpen. Natürlich in die „eigenen Firmen“. Das „Eigene“ und das „Unsrige“ versöhnt Mölzer auch mit dem eher proletarischen Anstrich der Strache-Partei. Schließlich gehe es „um nationale Solidarität mit den eigenen Schwachen“. „Ich bin in erster Linie ein nationaler Mensch“, da müsse man so etwas mittragen, sagt Mölzer.

Stadler bekämpft derweil die neuen Asylvorschläge der EU, vor allem die Regeln für die Unterbringung von Flüchtlingen, die europäischen Standards entsprechen sollen, hält er für weit überzogen. „Wenn ich die Wohnverhältisse auf der Saualm (ein vom BZÖ in Kärnten eingerichtetes „Sonderlager“ für „verdächtige“ Asylwerber, Anm. d. Red.) mit den Wohnverhältnissen in Grosny vergleiche, dann garantiere ich, dass die Saualm 5-Sterne-Qualität hat“, sagt Stadler. Beide Kandidaten sind vehement gegen einen Beitritt der Türkei zur EU, wobei Mölzer den Vorteil genießt, dass die FPÖ rechtzeitig zur EU-Wahl eine Unterschriftenkampagne ins Leben gerufen hat – „mit unglaublichem, schon fast unreflektiertem Zuspruch“, sagt Mölzer.

Fragt man die beiden, worin sie die Tradition Europas sehen, erschallt wie im Chor die 3-Hügel-Theorie: Die Akropolis stehe für Demokratie, Golgota für die Humanität und das Forum Romanum für das Recht. Stadler nennt statt Golgota (einem Hügel am Rande Jerusalems, auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll) allerdings lieber das Benediktinerkloster Montecassino, weil es in Europa liege. Hat er Angst vor einer Aufnahme Israels in die EU, vor der er hysterisch zu warnen pflegt? Neuerdings arbeitet übrigens auch die Mölzer-Partei mit diesem Topos.

In den Bemühungen zur Rettung des Abendlands stehen sie sich ebenfalls in nichts nach. Mölzer klagt, Europa sei längst „ein Fall für die christliche Remissionierung“, eine „gottlose Gesellschaft“, die Gefahr laufe, „in esoterisches Sektierertum abzugleiten“. Für Stadler, ehemals Mitstreiter bei den Piusbrüdern und weiterhin vehementer Kritiker des Zweiten Vatikanischen Konzils, sind „Glaubensverlust und Neuheidentum evident. Viele Leute halten jeden esoterischen Schmarrn für wahrscheinlicher als die geoffenbarte Religion“, so seine Klage.

Im Hinblick auf seine Wählerklientel macht sich zumindest Mölzer keine Illusionen: Vor fünf Jahren war er – damals noch unter tatkräftiger Mithilfe von Stadler, von schlagenden Burschenschaftern, Vertriebenen- und Heimatverbänden – in einer Vorzugsstimmenkampagne ins Parlament gewählt worden. Mölzer erwartet, dass diesmal mithilfe von FPÖ-Chef Strache die Wähler weit über die nationalen Kreise hinaus mobilisiert werden.

Stadler hofft auf Stimmen aus dem Lager der Bürger­lichen. Selbst in der schnöden Welt des Materiellen haben die Konkurrenten etwas gemeinsam: privilegierte Politkerpensionen. Stadler optierte vor zehn Jahren für die alte Politikerpension, angeblich gegen seinen Willen. Das Parlamentspräsidium sei säumig gewesen, hatte er sich damals verteidigt. Mölzer speiste seinen privaten EU-Pensionsfonds – wie auch andere österreichische Mandatare – aus Steuergeldern, die eigentlich für die Parlamentsarbeit gedacht waren. „Das wurde vom System immer so gemacht“, rechtfertigt er sich.