Neu Vorwürfe gegen das Leopold Museum

Affäre: Israelische Kultus- gemeinde über Raubkunst

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Die Halbwertszeit des Ruhms ist gering: Rudolf Leopold hat sein Image-Guthaben, das er als bedeutender Kunstsammler genoss, in nur einem Monat durchgebracht. Der Schriftsteller Ro­bert Menasse nennt Leopolds Verhalten „beschämend“, der Kunst-Allrounder André Heller spricht von einer „Sauerei“, und sogar SPÖ-Kulturministerin Claudia Schmied räumt ein, die Causa Leopold sei „dem Ansehen der Republik Österreich nicht förderlich“.
Der Grund für die harsche Kritik: Leopold will Malereien, die von Experten als Nazi-Raubkunst identifiziert wurden, nicht restituieren, und er will über die heiklen Vorwürfe, die ihm die Israelitische Kultusgemeinde macht, auch nicht mehr reden. Man kommuniziere zurzeit mit dem zuständigen Mi­nisterium, nicht mehr mit der Öffentlichkeit, wies die Stiftung eine profil-Anfrage vergangene Woche mit der Geste des Bedauerns zurück. Erika Jakubovits, die Direktorin der Israelitischen Kultusgemeinde, erhebt neue Anschuldigungen gegen das Museum. „Wider besseres Wissen weist die Stiftung Leopold den jüdischen Vorbesitzer einer Schiele-Zeichnung in ihrer Provenienz-Datenbank nicht aus“, so Jakubovits. „Damit soll offenbar verheimlicht werden, dass es sich bei dem Bild um einen weiteren Fall von Nazi-Raubkunst handeln könnte.“

Tatsächlich findet sich auf der Homepage des Museums zu Egon Schieles Kreidezeichnung „Sich aufstützende Frau in Unterwäsche“ aus dem Jahr 1917 lediglich eine dürre Provenienzangabe: Irgendwann „vor 1981“ habe Leopold das Werk dem Wiener Galeristen Wilhelm Nagl abgekauft. Dass die Zeichnung einst dem jüdischen Sammler Heinrich Rieger gehörte, wird in der öffentlichen Datenbank mit keinem Wort erwähnt. Heinrich Rieger, geboren am 25. April 1868 in Szered, war einer der wichtigsten Sammler zeitgenössischer Kunst der ers­ten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nicht weniger als 800 Werke hat der Wahlwiener im Lauf seines Lebens zusammengetragen, darunter Malereien von Gustav Klimt, einen ganzen Skulpturenpark und 150 Zeichnungen von Egon Schiele – schließlich war Rieger von Beruf Zahnarzt und Schiele bei ihm in Behandlung.

Raubkunst. Nachdem Hitler in Österreich die Macht übernommen hatte, geriet Rieger in die Mühlen der braunen Vernichtungsmaschinerie. 1939 wurde seine Villa in Gablitz durch die Gemeinde „arisiert“. Am 26. Juni 1943 verkündete die NS-Tageszeitung „Der völkische Beobachter“, dass das gesamte Vermögen Riegers eingezogen worden sei. Der Salzburger Kunsthändler Friedrich Welz und andere skrupellose Profiteure der NS-Diktatur hatten Riegers Sammlung an kunstinteressierte „Arier“ weiterverkauft. Rieger überlebte das Dritte Reich nicht. Gemeinsam mit seiner Frau Bertha wurde er am 24. September 1942 aus einer Wiener Sammelwohnung im zweiten Bezirk nach Theresienstadt verschleppt, wo er nur einen Monat später, am 21. Oktober, qualvoll starb. Seine Frau wurde am 16. April 1944 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Auch sie überlebte nicht.

Doch Rieger hatte von einigen seiner Kunstwerke Fotos gemacht. Als sein Sohn Robert nach 1945 die Restitution der Sammlung von Österreich einforderte, übergab er dem zuständigen Bundesdenkmalamt unter anderem fotografische Reproduktionen der 150 Schiele-Zeichnungen. Das Interesse der Behörde war gering. Schon bald waren die Abbildungen aus den relevanten Akten des Denkmalamts wieder verschwunden.Teile jener Filmrollen befinden sich heute im Besitz von Rudolf Leopold. „Er hat sie 1951 von Oskar Müller, dem Anwalt Robert Riegers, erhalten“, erklärt Jakubovits gegenüber profil. Beschriftet habe Leopold die Kartonschachtel mit den Hinweisen: „Weniger interessante Negative“ sowie „Klimt- und Schiele-Zeichnungen aus der Rieger-Sammlung“. Abzüge von 33 der insgesamt 53 Fotos, die Leopold besitzt, liegen der Israelitischen Kultusgemeinde vor. Wann auch immer Leopold die Zeichnung „Sich aufstützende Frau in Unterwäsche“ erstanden hat: „Er muss gewusst haben, dass es sich um Raubkunst handelt, denn das Werk ist auf der Filmrolle abgebildet“, meint Jakubovits. Im Leopold Museum trägt die Originalzeichnung die Inventarnummer 1399. Laut einer aktuellen Schätzung des Wiener Dorotheums ist sie mindestens 300.000 Euro wert. „Wir werden gegenüber dem Ministerium zu allen Vorwürfen der vergangenen Wochen ausführlich Stellung nehmen und für jeden Fall eine Lösung erarbeiten“, erklärt Klaus Pokorny, der Pressesprecher der Stiftung Leopold – und lässt mit dem Hinweis aufhorchen, dass Res­titutionen einzelner Werke zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen seien. Vorläufig freilich agiert die Stiftung weiter wie bisher. Trotz der vorgelegten Beweise der Kultusgemeinde wird Heinrich Rieger in der Provenienzdatenbank noch immer nicht als eins­tiger Eigentümer der Schiele-Zeichnung ausgewiesen.

Von Peter Schneeberger